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Sozialdemokratie

Ein schöner Satz und Sprengstoff in kalter Zeit: “Barmherzigkeit ist eine politische Möglichkeit”

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Kirche

Norwegischer Bischof geht für seine Überzeugung in den Knast

  • von Thomas Borchert
    „Es geht um zivilen Ungehorsam“, sagt der norwegische Bischof Gunnar Stålsett.

Gunnar Stålsett, populärster Bischof von Norwegen, beschäftigt eine geduldete Frau aus Eritrea – und nimmt dafür eine Gefängnisstrafe in Kauf.

Dass Bischof Gunnar Stålsett als „moralischer Kompass“ für sein Land gilt, Jahr für Jahr im Osloer Nobelkomitee über den Friedensnobelpreis mitentschieden und mit 84 Jahren ein gesegnetes Alter erreicht hat, soll ihn auf keinen Fall vor dem Gefängnis bewahren: „Wenn es so kommt, nehme ich die Strafe gerne an, denn ich habe meine Christenpflicht erfüllt.“

Seine Straftat: Stålsett hat die in Norwegen seit 19 Jahren nur geduldete Lula Tekle aus Eritrea, die nicht abgeschoben werden kann und damit ebenso rechtlos wie bettelarm ist, als Haushaltshilfe beschäftigt. Er soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zu 45 Tagen Haft ohne Bewährung verurteilt werden, weil jede Form von Lohnarbeit für die wachsende Zahl dieser zunehmend verelendenden Gruppe ohne Arbeitserlaubnis und Zugang zum Sozial- und Gesundheitssystem strafbar ist. Read the rest of this entry »

Kommunalwahlen rücken Norwegen deutlich nach links

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Kommunalwahlen

11.09.2019

Klare Mehrheit für Mittelinks in Norwegen

  • von Thomas Borchert

In Norwegen legen bei den Kommunalwahlen vor allem Linkssozialisten und Grüne kräftig zu.

Die Norweger haben ihr Land bei den Kommunalwahlen massiv nach links gerückt. Die klare Mehrheit für Mittelinks mit 55,7 Prozent gegenüber nur 36,3 Prozent für das Regierungslager der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg ist angesichts haushoher Verluste für die Sozialdemokraten umso bemerkenswerter. Die Arbeiterpartei fuhr mit 24,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit über hundert Jahren ein und verlor gegenüber 2015 ein Viertel ihrer Wählerschaft. Es half ihr nicht, dass Solbergs Konservative zusammen mit ihrem rechtspopulistischen Koalitionspartnern, der Fortschrittspartei, ebenfalls zu den klaren Verlierern gehörten.

Dass die Hauptstadt Oslo und andere Großstädte weiter von sozialdemokratischen Bürgermeistern regiert werden können, ist den Erfolgen von Linkssozialisten, der noch jungen Umweltpartei– den Grünen – und den „Roten“ zu verdanken. Die auch zum Mittelinkslager gehörende, vor allem ländlich orientierte Zentrumspartei konnte ihren Stimmenanteil mit 15,7 Prozent landesweit fast verdoppeln. Als ausschlaggebend für die Erfolge dieser Parteien gilt ihr Eintreten für eine konsequente Klima- und Umweltpolitik sowie in den ländlichen Gebieten der Protest gegen fortschreitende Zentralisierung.

Zu den Besonderheiten dieser Wahl mit 4,2 Millionen Stimmberechtigten gehörte die erfolgreiche Kandidatur einer Bürgerpartei gegen die in Norwegen stark verbreiteten Mautgebühren für Autofahrten in Innenstädten. In der zweitgrößten Stadt Bergen kam die Protestpartei als drittstärkste Kraft auf 16,9 Prozent.

Sozialdemokraten uneins

Der sozialdemokratische Parteichef Jonas Gahr Støre wies Forderungen nach seinem Rücktritt auch mit Blick auf die zuletzt für die Arbeiterpartei ähnlich enttäuschende letzte Parlamentswahl zurück: „Wir müssen das jetzt verarbeiten und die Ärmel aufkrempeln.“ Für die 2021 anstehende Parlamentswahl verlangen innerparteiliche Kritiker einen deutlichen Linksschwenk mit Öffnung hin zu den in der Wählergunst nach vorne stürmenden Grünen. Dafür müsste Støre unter anderem seinen bisherigen Kurs für die maximale Ausbeutung der fossilen Rohstoffe aus der Nordsee revidieren. Sie hat das Land in den vergangenen fünfzig Jahren zu einem der reichsten der Welt gemacht, steht aber in krassem Kontrast zu allen Zielen im globalen Kampf gegen den Klimawandel.

Mit der Kommunalwahl in Norwegen setzt sich ein klarer Trend in ganz Skandinavien fort, wo die Sozialdemokraten das 20. Jahrhundert so souverän geprägt haben wie nirgends sonst auf der Welt. Sie verlieren nicht durchgehend so an Zustimmung wie die SPD in Deutschland, sind aber nur noch mit immer stärker werdenden Partnern aus klarer links oder grün orientierten Parteien regierungsfähig. Dies gilt sowohl für die als Regierungschefin neu angetretene dänische Sozialdemokratin Mette Frederiksen als auch für ihren Kollegen Antti Rinne in Finnland und den schwedischen Premier Stefan Löfven.

 

Das dänische Einbürgerungsrecht ist Monty Python und jede Menge Kafka

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Politiken 11.8.2019

Das dänische Einbürgerungsrecht ist lupenreines Monty Python

 (Übersetzung eines Beitrags in der Kopenhagener Zeitung Politiken)

Der Versuch, dänischer Staatsbürger zu werden, ist zu einem absurden Unterfangen geworden. Man muss über Jahrzehnte zurück jeden Auslandsaufenthalt angeben und selbst der geringste Gesetzesbruch muss über ein halbes Jahrhundert zurück untersucht werden.

 

Von Thomas Borchert

 

Thomas Borchert ist gebürtiger Deutscher, Journalist und Bewerber um die dänische Staatsbürgerschaft seit dem 30. Dezember 2018

 

Die neue (sozialdemokratische) Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat eine weiter harte Ausländerpolitik angekündigt, aber von nun an geleitet von „gesundem Menschenverstand, ohne verrückt zu sein“. Schon dieses doch recht bescheidene Versprechen verlangt nach markanten Veränderungen.

 

Das bezeugt die Geschichte von Dennis Speaker. Nach 47 Jahren als Tierarzt in Dänemark ist sein Antrag auf die hiesige Staatsbürgerschaft abgelehnt worden. Seine Sprachkenntnisse seien nicht ausreichend bewiesen, meinte das Einbürgerungsamt im Ausländer- und Integrationsministerium ein paar Wochen, bevor die neue Regierung angetreten ist.

 

Soll man lachen, weinen oder in Wut ausbrechen?

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Neue dänische Regierung: Interessanter Start

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Die Sozialdemokratin Mette Frederiksen kommt den Forderungen ihrer kleineren Partner entgegen.

Dänemark als Klimaretter

  • von Thomas Borchert

Ministerpräsidentin Frederiksen will CO2-Emissionen in elf Jahren um 70 Prozent verringern

Mit sehr ehrgeizigen Zielen in der Klimapolitik hat Dänemarks neue sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen die Regierungsmacht übernommen. Drei Wochen nach dem klaren Wahlsieg des Mitte-links-Lagers über die bisher regierende Rechte präsentierte sie am Mittwoch eine „politische Verständigung“ mit drei kleineren Parteien. Sie ist deutlich von den massiven Klimaaktionen junger Menschen in Kopenhagen und anderen dänischen Städten geprägt, die alle anderen Themen im Wahlkampf zur Überraschung der Politiker in den Schatten gestellt haben. Jetzt verpflichtet sich Frederiksens Minderheitsregierung zur Reduzierung der heimischen CO2-Emissionen um 70 Prozent bis zum Jahr 2030. Read the rest of this entry »

Wahlanalyse in der Frankfurter Rundschau

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Alle Blicke richten sich nur noch auf Mette Frederiksen.  

Dänemark

Sanfte Populisten statt rabiater Populisten

  • von Thomas Borchert

Der „rote“ Wahlerfolg in Dänemark soll nichts an der als „vollkommen inhuman“ verschrienen Migrationspolitik ändern.

Zwanzig Jahre war unser Land im Würgegriff der Rechtspopulisten. Damit ist jetzt Schluss“, rief Morten Østergaard von den Linksliberalen in dieser hellen Wahlnacht fast ekstatisch hinauf zu Kopenhagens Sommerhimmel. Dänemarks nächste Regierungschefin Mette Frederiksen von den Sozialdemokraten legte im Saal nebenan dagegen einen seltsam gedämpften Ton an, als sie ankündigte, nach diesem „historischen Sieg für die roten Parteien“ werde der Ausbau des Wohlfahrtsstaates „mit einer neuen Richtung“ im Zentrum stehen.

Eher artig als begeistert klang ihr Dank an eine zuletzt bei Streiks und Demos hochaktive Gruppe unter den 5,8 Millionen Bürgern des Landes: „Liebe junge Dänen, ihr habt das hier zu unserer ersten Klimawahl gemacht.“ Read the rest of this entry »

Wahlvorschau in der Frankfurter Rundschau: Dänemark vor Linksrutsch

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Dänemark-Wahl

Vom Thema Klimawandel profitieren die kleinen Linksparteien

  • vonThomas Borchert
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Mit dem Thema Zuwanderung dringen Rechte im dänischen Wahlkampf nicht mehr richtig durch.

Der Wahltag am Mittwoch könnte das politische System in Dänemark kräftig ins Rutschen bringen – und zwar nach links. Erkauft wurde der Machtwechsel dann allerdings auch damit, rechtspopulistische Zuwanderungspolitik zu übernehmen. Alle Umfragen sagen dem Mitte-links-Lager mit der bisherigen Oppositionschefin Mette Frederiksen an der Spitze einen haushohen Sieg über die regierende Rechte voraus. Niemand in Kopenhagen zweifelt daran, dass die 41-jährige Sozialdemokratin als Regierungschefin den Liberalen Lars Løkke Rasmussen (55) ablösen wird. Unterstützt wird er von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF), die mit der Halbierung ihres Stimmenanteils rechnen muss. Der hatte bei der letzten Wahl noch gut 21 Prozent betragen. Read the rest of this entry »

“Wahlbeobachter” in Jyllands-Posten: Das populistische DF-Doping wirkt nicht mehr

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[object Object]Nytter det noget ikke at tale om det forkerte partnervalg herhjemme?Arkivtegning: Rasmus Sand Høyer
23.5.2019
Deutsche Übersetzung:

Frederiksen sollte ihren Wählern schleunigst erklären, wie sie ohne DF-Doping klarkommen will

Beim freundlichen TV2-Pingpong zwischen Mette Frederiksen und Lars Løkke Rassmusen am Sonntag hab ich hin und wieder rübergezappt zu den News in meiner  Muttersprache. Es kam dauernd Neues aus Wien über die Videos mit dem österreichischen Vizekanzler Strache, wie er kurz vor Wahlen blau sowie verschwitzt  Gangstergeschäfte mit einer jungen Russin anbahnt. Sein halbeses Land einschließlich Pressefreiheit will er zum eigenen Vorteil verhökern. Aber seltsam: Lars Løkke blieb für mich mit im Bild, obwohl ich doch von ihm weggeschaltet hatte. Und als die Hamburger „Tagesschau“, eine altmodische Nachrichtensendung ohne schreiende Moderatoren, Bilder von der Mailänder EU-Wahlkundgebung mit den den supernationalistischen Stimmenfängern Salvini, Le Pen, Wilders und dem deutschen AfD-Chef Meuthen zeigte, stand vor meinem inneren Auge Mette Frederiksen neben ihnen. 
 
Die Erklärung können wir kurz halten: Vis mig dine venner og jeg skal sige dig hvem du er. Lars Løkke und seine Ausländerministerin schwärmen von ihrer Zusammenarbeit mit der österreichischen Regierung, seit Strache 2016 zu Ministerehren kam. Støjberg hat in Wien eine gemeinsame „Vision für ein besseres Asylsystem““ mit Straches Parteifreund Herbert Kickl als Innenminister präsentiert. Ein ausgeprägter Putin-Fan, der gern vor den ganz harten Rechtsradikalen aufgetreten und nun nach dem Ibiza-Video als Sicherheitsrisiko für sein Land auch gefeuert ist. 

Kommentar als “Wahlbeobachter” in Jyllands-Posten: Die nackten Sozialdemokraten

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Mette Frederiksens neue Kleider

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von Thomas Borchert, 16.5. 2019

Als nicht-dänischer Wahlbeobachter geht mir jedesmal das dänische Märchen vom Kaiser in den neuen Kleidern durch den Kopf, wenn ich an Mette Frederiksen denke – auch als der Berliner Chefredakteur ein Porträt von Dänemarks wahrscheinlich kommender Regierungschefin bestellte. „Hat sie vielleicht ein Rezept für die deutsche Sozialdemokratie, die lebensgefährlich darniederliegt?“ fragte der. Mithilfe von Hans-Christian Andersen will ich jetzt erzählen, warum die Antwort Nein lautet.

 

Gemessen am kümmerlichen Ergebnis der letzten Folketingswahl hat Frederiksen ihre sozialdemokratische Partei keinen nennenswerten Zuwachs gebracht. Die Wähler wählen einfach nur eine schwache, total verschlissene Regierung ab. Dass der „rote Block“ so einen gewaltigen Vorsprung hat, muss den anderen Parteien dieses Lagers, Volkssozialisten, den sozialliberalen und der Einheitsliste zugeschrieben werden. Und die hat Frederiksen mit kaiserlicher Selbstsicherheit von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen. Read the rest of this entry »

Finnland wählt: Sozialdemokraten, Grüne und Linke im Aufwind

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Auf Abschiedstour in Brüssel? Finnlands Premier Juha Sipilä.

Finnland wählt

Die Stimmung steht auf Wechsel

  • vonThomas Borchert

Finnlands Sozialdemokraten, Grüne und Linke stehen vor einem Erfolg bei der Wahl am Sonntag.

Die Finnen, auf der jährlichen UN-Rangliste gerade erst wieder zum „glücklichsten Volk der Welt“ gekürt, wollen ihr Land am Sonntag den Umfragen zufolge ein Stück nach links rücken. Wenn die Demoskopen recht behalten, können Sozialdemokraten, Grüne und die Linken bei der Reichstagswahl allesamt mit beachtlichen Zugewinnen rechnen. Ob und wie das aber auch für einen Linksruck bei der anschließenden Regierungsbildung reicht, ist vor allem wegen der im Endspurt stark zulegenden Rechtspopulisten unsicher.

Als ausgemacht gilt in Helsinki, dass die Wähler den bisherigen Regierungschef Juha Sipilä vom Zentrum für die harte Sparpolitik seiner Mitte-Rechts-Koalition abstrafen werden. Der betont bullig auftretende Unternehmer Sipilä liegt in den Umfragen aussichtslos hinten. Er ist nur noch geschäftsführend im Amt, seit er nach dem Scheitern seiner Gesundheitsreform im Reichstag Anfang März das Handtuch geworfen hat – für die Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten bedeutete dies das Ende.

Das war ungefähr zur gleichen Zeit, als Finnland zum zweiten Mal in Folge mit dem ersten Platz auf der Glücksrangliste der Vereinten Nationen international in den Schlagzeilen war. Sie misst die Zufriedenheit von Menschen mit dem Leben im eigenen Land und kombiniert das mit Statistik zu Lebenserwartung, Wohlstand, sozialer Sicherheit und anderem mehr. Garniert wurde die gelassen selbstironische Aufnahme dieses Weltmeistertitels im Land selbst mit der Ablehnung von Sipiläs Gesundheitsreform als schlecht kaschiertem Kostensenkungsprogramm. Read the rest of this entry »

Gut, dass die Rechte in Schweden weiter geblockt ist

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Spagat in Stockholm

Der Sozialdemokrat Stefan Löfven regiert Schweden auch mit Hilfe von zwei Bürgerparteien weiter – und will so den Einfluss der Rechtspopulisten begrenzen.

Regierungssuche in Schweden
Ministerpräsident Löfven.
Foto: Jessica Gow (TT NEWS AGENCY)

Vier Monate haben die Schweden auf eine neue Regierung warten müssen, weil durch den Wahlsieg der Rechtspopulisten alle gewohnten Konstellationen matt gesetzt wurden. Jetzt sind die Meinungen in Stockholm geteilt, ob der Sozialdemokrat Stefan Löfven in dieser Zeit voller Hinterzimmer-Verhandlungen seinen noch aus Gewerkschaftstagen stammenden Ruf als Verhandlungsgenie endgültig zementiert hat. Oder ob er für seine zweite Amtszeit an der Spitze einer Minderheitsregierung mit der Umweltpartei ganz einfach die Seele der eigenen Partei verkauft hat.

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