Finnland wählt
Die Stimmung steht auf Wechsel
Finnlands Sozialdemokraten, Grüne und Linke stehen vor einem Erfolg bei der Wahl am Sonntag.
Die Finnen, auf der jährlichen UN-Rangliste gerade erst wieder zum „glücklichsten Volk der Welt“ gekürt, wollen ihr Land am Sonntag den Umfragen zufolge ein Stück nach links rücken. Wenn die Demoskopen recht behalten, können Sozialdemokraten, Grüne und die Linken bei der Reichstagswahl allesamt mit beachtlichen Zugewinnen rechnen. Ob und wie das aber auch für einen Linksruck bei der anschließenden Regierungsbildung reicht, ist vor allem wegen der im Endspurt stark zulegenden Rechtspopulisten unsicher.
Als ausgemacht gilt in Helsinki, dass die Wähler den bisherigen Regierungschef Juha Sipilä vom Zentrum für die harte Sparpolitik seiner Mitte-Rechts-Koalition abstrafen werden. Der betont bullig auftretende Unternehmer Sipilä liegt in den Umfragen aussichtslos hinten. Er ist nur noch geschäftsführend im Amt, seit er nach dem Scheitern seiner Gesundheitsreform im Reichstag Anfang März das Handtuch geworfen hat – für die Regierung aus Konservativen und Rechtspopulisten bedeutete dies das Ende.
Das war ungefähr zur gleichen Zeit, als Finnland zum zweiten Mal in Folge mit dem ersten Platz auf der Glücksrangliste der Vereinten Nationen international in den Schlagzeilen war. Sie misst die Zufriedenheit von Menschen mit dem Leben im eigenen Land und kombiniert das mit Statistik zu Lebenserwartung, Wohlstand, sozialer Sicherheit und anderem mehr. Garniert wurde die gelassen selbstironische Aufnahme dieses Weltmeistertitels im Land selbst mit der Ablehnung von Sipiläs Gesundheitsreform als schlecht kaschiertem Kostensenkungsprogramm.
Der Wahlkampf – im durchaus noch frostkalten Norden wie immer ausgesprochen leidenschaftslos – wird denn auch von der Gesundheitspolitik und damit eng zusammenhängenden Themen wie der Seniorenpolitik und einer Gebietsreform dominiert. Außenpolitik findet nicht statt, Klimapolitik immerhin in etwa gleichauf mit Zuwanderung. Finnlands Bevölkerung altert schnell, während die Geburtenrate nach acht Jahren im stetigen Sinkflug mit 1,4 Kindern so niedrig liegt wie nie zuvor. Zum Vergleich: In Deutschland (17. Platz auf der aktuellen Glücksrangliste) ist die Geburtenrate im selben Zeitraum von 1,39 auf 1,57 gestiegen.
Finnen brauchen dringend Zuwanderung
Zuwanderung also brauchen die 5,5 Millionen Finnen dringend; sie sind bei gerade mal sieben Prozent der Bevölkerung mit Migrationshintergrund alles andere als „überrannt“. Das ändert nichts daran, dass die rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ sich anschicken, als wahrscheinlich erneut drittgrößte Kraft mit mehr als 15 Prozent in den neuen Reichstag einzuziehen. Parteichef Jussi Halla-aho, rechtskräftig verurteilt für islamophobe Hetze, ist aus einer Parteispaltung 2017 als Sieger hervorgegangen und hat die seit 2015 mitregierenden „Wahren Finnen“ kräftig radikalisiert. Sein Vorgänger Timo Soini konnte beim Parteiaustritt zwar noch die Hälfte der alten Parlamentsfraktion mitnehmen und ist als Außenminister bis jetzt in der Koalition mit dem Zentrum und den Konservativen geblieben. Bei der Wahl am Sonntag ist seine „Blaue Zukunft“ chancenlos.
Der sozialdemokratische Ex-Gewerkschaftschef Antti Rinne liegt in den Umfragen stabil mit gut 20 Prozent (2015: 16,5) vor den Konservativen mit 15 bis 17 Prozent. Diese beiden Parteien und das von 21 auf unter 15 Prozent gerutschte Zentrum kämpfen in Finnland stets um den Spitzenplatz in der Wählergunst, der das erste Anrecht auf die Regierungsbildung bringt. Ist dieses Rennen entschieden, wollen die anderen gerne mitregieren. Je zwei der bisher dominierenden Parteien haben im steten Wechsel Koalitionen miteinander gebildet und noch eine oder zwei der kleineren Fraktionen mit ins Boot geholt.
Diese eingespielten und für das heimische Wählervolk wahrlich nicht aufregenden Rituale sind durch die Rechtsaußen von den „Wahren Finnen“ viel komplizierter geworden. „Im Schlussspurt kann diese Partei jetzt offenbar viele mobilisieren, die sonst gar nicht wählen würden“, sagt die Populismusexpertin Ann-Cathrine Jungar.
Für sie ist sicher, dass neben Grünen und Linken auch die Sozialdemokraten auf gar keinen Fall mit den „Wahren Finnen“ zusammengehen werden. „Bei den vorhergehenden Wahlen waren sie nicht so weit davon entfernt.“ Auch die beiden bisher mit Populisten regierenden Bürgerparteien haben im Wahlkampf angekündigt, dass sie mit der radikaleren Neuauflage der Partei wohl nicht regieren wollen. Aber so richtig überzeugend klang das nicht.