Month: November 2021

Anderssons zweiter Anlauf in Schweden

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Neue Regierungschefin

Magdalena Andersson in Schweden: Wahl, Rücktritt, Wiederwahl

  • Von Thomas Borchert 30.11.21

Magdalena Andersson will Schwedens Sozialdemokratie wieder glaubwürdig machen. Innerhalb kurzer Zeit wird sie zweimal zur Ministerpräsidentin gewählt.

Stockholm – Sich zweimal innerhalb einer Woche als erste Frau im eigenen Land an die Regierungsspitze wählen zu lassen, ist unbedingt rekordverdächtig. Dasselbe gilt für einen Rücktritt nach siebeneinhalb Stunden Amtszeit, der erst wie heillose Panik daherkommt und beim zweiten Anlauf als kluger Schachzug verkauft werden kann. Die schwedische Sozialdemokratin Magdalena Andersson, am Montag vom Reichstag in Stockholm endgültig zur Ministerpräsidentin gekürt, hat einen bizarren Start hingelegt und bis zu den turnusmäßigen Neuwahlen im September noch nicht mal zehn Monate Zeit, ihr Wählervolk von dessen Sinnhaftigkeit zu überzeugen.

Die 54-jährige Ökonomin und bisherige Finanzministerin vergoss beim ersten Anlauf am Mittwoch ein paar Tränen vor den Kameras. Aber nicht, weil sie da wusste, dass die Mehrheit für die Haushaltsabstimmung ein paar Stunden später außer Reichweite war und deshalb die Umweltpartei ihren sofortigen Abschied aus der Koalition verkündete. Was wiederum ihren sofortigen Rücktritt und eine zweite Wahl wegen der veränderten parlamentarischen Grundlage unausweichlich machte.

Mittelinks in Schweden krachend gescheitert

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Erste Frau an der Regierung

Regierungskrise in Schweden: Neue Regierungschefin tritt nach wenigen Stunden zurück

  • Von Thomas Borchert 25.11.2021

Schwedens neue Regierungschefin Andersson reicht kurz nach Wahl als Ministerpräsidentin ihren Rücktritt ein.

Stockholm – Schwedens Reichstag hat die Wahl von Magdalena Andersson als erster Frau an der Regierungsspitze zu einer schwarzen Stunde für die Demokratie gemacht. Als die Sozialdemokratin am Mittwoch (24.11.2021) gerührt Glückwünsche zum „historischen Ereignis nach 100 Jahren Wahlrecht für Frauen“ entgegennahm, wusste sie, dass das Parlament ihr ein paar Stunden später die Zustimmung zum Haushalt verweigern und damit das wichtigste Machtinstrument aus der Hand schlagen würde. Als die Umweltpartei (MP) deshalb umgehend aus der Koalition austrat, reichte die davon offenbar überraschte 54- Jährige nach acht Stunden im Amt ihren Rücktritt ein. Es dürfte nun zu einer neuen Abstimmung über das Ministerpräsidentenamt kommen.

Kommunalwahl in Dänemark: Sozialdemokratischer Absturz

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Kommunalwahl 16.11.21

Dänemark: Regierung abgestraft – rechts kostet Stimmen

  • Von Thomas Borchert

Dänemarks sozialdemokratische Partei fährt bei den Kommunalwahlen ein historisch schlechtes Ergebnis ein. Linke und Konservative feiern hingegen Erfolge.

Kopenhagen – Dänemarks regierende sozialdemokratische Partei hat trotz ihres erfolgreichen Corona-Managements die Kommunalwahlen klar verloren und ist nach 120 Jahren Dominanz in der Hauptstadt Kopenhagen von der linken Einheitsliste (EL) als stärkste Kraft abgehängt worden. Vor allem in Großstädten hat die junge Wählerschaft der Partei von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen den Rücken gekehrt, weil ihr deren Klimapolitik zu zaghaft und Frederiksens stramm rechtspopulistische Zuwanderungspolitik zu rückwärtsgewandt ist.

Noch bis in den frühen Herbst galt als sicher, dass die 43-Jährige den Sozialdemokraten mit ihrer auch international hochgelobten Pandemiepolitik einen souveränen Wahlsieg bescheren würde. Sie hob als Erste in Europa im September sämtliche Corona-Restriktionen auf. Auch zum Wahltermin am Dienstag war die Stimmung unter den 4,5 Millionen Stimmberechtigten wesentlich weniger von düsteren Corona-Perspektiven oder Streit über den jetzt einzuschlagenden Weg geprägt als etwa in Deutschland – trotz ebenfalls wieder hochschnellender Infektionszahlen.

Im weltoffenen Kopenhagen stürzen die Sozialdemokraten besonders stark ab

Trotzdem fuhren die Sozialdemokraten mit einem Rückgang von 32,4 auf 28,5 Prozent das schlechteste kommunale Wahlergebnis im Land seit Menschengedenken ein. Sie sind zwar weiter stärkste Partei im Land, sackten aber in der Hauptstadt Kopenhagen um 10,3 Prozentpunkte auf 17,3 Prozent der Stimmen ab. Die linke EL kam in der Stadt auf 24,6 Prozent (bei 7,3 Prozent landesweit).

Frederiksen gab zu, dass die Verluste ihrer Partei auch mit Vorwürfen wegen Machtmissbrauchs der Regierung während einer akuten Corona-Phase zu erklären seien. Als Ende 2020 der Verdacht aufgekommen war, dass sich aus Dänemark mit der intensivsten Nerzpelztierzucht der Welt eine gefährliche Virusvariante ausbreiten könnte, ordnete die Regierung ohne gesetzliche Grundlage die sofortige Tötung aller fast 20 Millionen Zuchttiere an. Dass amtlicher SMS-Verkehr zu dieser Entscheidung unter dubiosen Umständen gelöscht wurde, hat Frederiksen in den vergangenen Wochen massiv negative Schlagzeilen eingebracht.

27 lange Stunden im Nachtzug Kopenhagen-Berlin

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Klischees

Hygge im Nachtzug

  • Von Thomas Borchert
  • 15.11.2021

Klarer Fall: Der neue Nachtzug von Kopenhagen nach Berlin ist allein aus Klimagründen dem Billig-Flieger vorzuziehen. Ganz unbeschwert verlief die Reise unseres Autors aber nicht

Eile mit Weile - nächtliche Zugreisen sparen zumindest CO2. Symbolbild: imago images

Munter dänisch schwatzend warteten Ellen und ihre Schwester Gretelise auf den Nachtzug nach Kopenhagen. Das war hygge auf dem Berliner Hauptbahnhof. Während ich in stiller Wut sowie meiner deutschen Muttersprache vor mich hinbrütete: Wer war schuld? Alle sind an allem schuld, sagt Dostojekwsi vollkommen richtig. Hier ging es mir um die Schuld an die Aussicht auf eine zweite endlos lange Nachtzugnacht ohne Schlaf.

Als die inneren Dämme gebrochen waren, fragte ich die Mutter meiner Kinder, seit wann sie als Reiseplanerin von den vor uns liegenden fünf Stunden Verspätung auf dem Heimweg gewusst habe. Nach den zweieinhalb Stunden Verspätung auf dem Hinweg. Ellen antwortete beunruhigend leise: „Deine Aggressionen will ich nicht.“

Schwedens Sozialdemokraten wechseln die Spitze aus

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4.11.21

Schweden: Wechsel an der Spitze

Von Thomas Borchert

Die Arbeiterpartei eine neue Vorsitzende. Alle Indizien sprechen dafür, dass sie ihrer Partei einen Rechtsschwenk verordnen wird.

Immer neue deprimierende Schlagzeilen über das Scheitern des „liberalen“ Corona-Sonderwegs und die ausufernde Bandenkriminalität mit tödlichen Schießereien bescheren Schweden einen Wechsel an der Spitze. Zehn Monate vor den Wahlen küren die Sozialdemokraten beim Kongress in Göteborg am heutigen Donnerstag Finanzministerin Magdalena Andersson (54) zur neuen Parteichefin. Sie soll so schnell wie möglich auch die Nachfolge des glücklosen sowie amtsmüden Stefan Löfven (64) an der Regierungsspitze antreten.

Dass damit in Schweden zum ersten Mal eine Frau die Regierung führen wird, interessiert zwischen Malmö im Süden und Kiruna nördlich des Polarkreises erst in zweiter Linie. Es ist einfach überfällig hier im Norden Europas, wo dann vier der fünf Länder von weiblichen Regierungschefs geführt werden.

Als spannend, weil mit offenem Ausgang, wird in den Medien debattiert, unter welchen Bedingungen Andersson sich ausreichende Unterstützung im Parlament sichern kann und ob sie ihre Partei mit einem scharfen Richtungswechsel in den Wahlkampf führen wird.

Wechsel bei den Sozialdemokraten in Schweden: Strategiewechsel in der Opposition

Stefan Löfven kämpft seit seinem Antritt 2014 damit, dass es durch den Aufstieg der aus Nazi-Wurzeln entstandenen Schwedendemokraten (SD) auf zuletzt 17,5 Prozent keine stabilen Mehrheiten für die traditionellen Mitte-Links- und Mitte-Rechts-Lager mehr gibt. Als größte Leistung des honorig biederen, als Erklärer seiner Politik wenig begabten Gewerkschafters Löfven gilt, dass er sich und seine Minderheitsregierung mit den Grünen sieben Jahre über Wasser gehalten hat.