Schweden

Sex in Schweden nur noch mit ausdrücklichem Einverständnis erlaubt

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#metoo: Schwedens neues Sex-Gesetz

Ein Erfolg für die #metoo-Bewegung: „Nur Ja heißt Ja“ löst „Nein heißt Nein“ ab. Schweden finden Schutz vor sexueller Gewalt gut, auch wenn sie das Gesetz verwirrt.

Ein klarer Punktsieg für die #metoo-Bewegung, leere Symbolpolitik oder staatliche Kontrollmanie bis unter die Bettdecke? Dass Schweden als erstes Land der Welt für Sex gesetzlich ausdrückliches Einverständnis aller Beteiligten vorschreibt, löst bei den Skandinaviern gemischte, aber fast durchweg sachliche, wenig polemische Reaktionen aus. „In der Theorie ganz ausgezeichnet, aber bei der praktischen Anwendung wohl ziemlich problematisch und kompliziert“, sagt die Publizistin MarieLouise Samuelsson und bringt damit die noch unsichere Reaktion vieler Schweden beiderlei Geschlechts auf den Punkt.Die Schwedinnen protestieren seit Oktober so massenhaft und unüberhörbar wie nirgends sonst mit berufsbezogenen #metoo-Berichten und -Aufrufen aus allen Branchen gegen sexualisierte männliche Gewalt – darunter Schauspielerinnen, Bauarbeiterinnen und Juristinnen. Dieser Sturm in Tsunamistärke hat alle überrascht und der rot-grünen Regierung eine perfekte Plattform für ihre ohnehin geplante Verschärfung des Sexualstrafrechts geliefert. In seiner Weihnachtsansprache konnte Ministerpräsident Stefan Löfven mit dem Segen aller Parlamentsfraktionen ankündigen, dass am 1. Juli 2018 ein „Einverständnisgesetz“ in Kraft trete. Sein unfreiwillig komischer Kernsatz vor einem rot geschmückten Christbaum: „Sex soll immer freiwillig sein – und ist er nicht freiwillig, ist er gesetzwidrig.“

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Dahinter steht als absolut seriöses Problem die Beweislast im Konfliktfall. Wer in Schweden sexuell loslegen will, muss künftig das aktive Einverständnis von Partnern durch deren Worte oder Handeln eingeholt haben. Liegt das nicht vor, kann der trotzdem aktive Teil nach den neuen Straftatbeständen „fahrlässige Vergewaltigung“ oder „fahrlässiger sexueller Übergriff“ zu bis zu vier Jahren Haft verurteilt werden.

Damit soll die Beweislast zugunsten der in der Regel weiblichen Opfer von männlichen Sexualstraftätern umgekehrt werden: Nun müssen letztere das Einverständnis nachweisen und nicht mehr die Opfer, dass sie gegen ihren Willen sexuell belästigt wurden.

„Es ist höchste Zeit, die Schuld da anzusiedeln, wo sie wirklich liegt: beim Täter“, sagt Vizepremier Isabella Lövin von den Grünen. Wie ihr sozialdemokratischer Chef Löfven gehört sie einer ausdrücklich „feministischen Regierung“ an. Schweden verbot 1999 als erstes Land der Welt den Kauf sexueller Dienste und kriminalisierte damit die Freier – nicht mehr die Prostituierten. Auch jetzt setzen die Politiker nicht zuletzt auf die „normative“ Kraft der Regelverschärfungen – unter dem Beifall von #metoo-Initiatorinnen.

Nur bleibt auch jetzt der messbare Erfolg der neuen Regeln umstritten. Nach wie vor stünde im Ernstfall Aussage gegen Aussage, meinen Juristen. Manche fügen sarkastisch hinzu: Es sei denn, man tauscht auch noch vor jedem Stellungswechsel schriftliche Einverständniserklärungen aus. Anne Ramberg, Vorsitzende der Anwaltsvereinigung, warnte: „Wir werden genau dieselben Probleme haben wie jetzt, um einen Übergriff zu beweisen.“

#metoo-Aufruf von 6000 Frauen in der schwedischen PR-Branche

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Im Krautreporter-Artikel “Schwedische Frauen zeigen gerade, wie #metoo ein ganzes Land verändern kann” hab ich aus dem #metoo-Aufruf der schwedischen PR-Frauen zitiert. Jenny Burman, schickte mir jetzt auch die englische Übersetzung und schrieb: “Das ist eine unglaubliche Bewegung, Thomas! Früher hat es sicher Rivalität zwischen den Frauen gegeben. Jetzt sind wir alle Schwestern. Der helle Wahnsinn.” 

Hier der Aufruf in Englisch mit Forderungen an Arbeitgeber, männliche Kollegen und auch die PR-Kunden:

#SISTABRIEFEN
Current state
Last year, Swedish companies, government agencies and organizations bought communications services for billions of SEK. The culture and view on women in our workplaces affect us who work here, but also have an impact on all of society. The norms and values which are formed and maintained here are reproduced in the communication we sell and which society consumes. For us who work in the industry, this can mean a toxic and harmful work environment
where we are sexualized, marginalized, undervalued and exploited. At worst, we are also exposed to criminal acts. Read the rest of this entry »

Militarisierung der Politik

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Rüstungskonzerne verdienen prächtig

Eine neue Erhebung der Stockholmer Friedensforscher zeigt, wie Unternehmen von der Militarisierung der Politik profitieren.

10.12.2017 21:37 Uhr

Rüstung
Ein Bundeswehr-Aufklärungsflugzeug vom Typ Tornado rollt auf der Startbahn des Fliegerhorsts Büchel (Kreis Cochem-Zell) in der Eifel. (Archivbild) Foto: Harald Tittel (dpa)

Kaum hat die Antiatomwaffenkampagne Ican den Friedensnobelpreis in Empfang genommen, belegen frische Zahlen, dass das weltweite Waffengeschäft blüht und gedeiht. Die großen Rüstungskonzerne wachsen dank zunehmender Militarisierung der Politik immer weiter, und deutsche Unternehmen haben die Nase mit vorn, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ermittelt hat: Die Waffenverkäufe der 100 Branchenführer sind 2016 nach einer Delle in den vergangenen fünf Jahren um 1,9 Prozent gegenüber 2015 auf 374,8 Milliarden Dollar (318,4 Milliarden Euro) gestiegen. Seit 2002 macht das unter dem Strich ein Plus von 38 Prozent.

#Metoo-Tsunami auf Schwedisch: #derletztenagelzumsarg

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 Bei krautreporter.de
jenny Burman_Foto cred_Johan Lygrell

Schwedische Frauen zeigen gerade, wie #metoo ein ganzes Land verändern kann

, etwa 10 Minuten Lesedauer

Auch im Land von Pippi Langstrumpf kennen das alle: Bauarbeiter pfeifen einer Frau hinterher und kommentieren feixend ihren Körper. Als 19- Jährige hat die Klempnerin Paulina Johansson aus Örebro auf einer staubigen Baustelle mit einem Kollegen dasselbe erlebt wie Schauspielerinnen in feinen Hollywood-Hotels mit einem Filmmogul.

„Wir hocken im Kriechkeller und sägen ein Rohr zurecht, als er sich plötzlich auf mich wirft und runterdrückt. Als mir klar wird, was abläuft, bekomme ich Todesangst und werde zu Eis. Mein Körper ist starr wie ein Stift und gehorcht mir nicht.“ Sie glaubt sich und den Vergewaltiger allein auf der Baustelle. Der lässt von ihr ab, als Schritte zu hören sind.

Das Opfer flüchtet in den Baubus. Sechs Stunden später sitzt beim Heimtransport darin auch der Täter, schweigend wie sie selbst. Paulina Johansson wird über Jahre zu niemandem ein Wort sagen.

Die Schwedinnen gehen hart mit dem Sexismus ins Gericht

Das hat der Ausbruch des schwedischen #metoo-Tsunamis radikal geändert. Die mittlerweile 24-jährige Johansson und Frauen überall im Land brechen in diesen Wochen so stimmgewaltig mit Schweigekultur und Opferrolle, dass, um im Bild zu bleiben, das Schild „Einsturzgefahr“ am absonderlichen Gerüst sexueller Gewalt gar nicht groß genug gemalt werden kann. Eine riesige Welle aus persönlichen Zeugnissen und gemeinsamem Protest mit handfesten Forderungen aus allen Winkeln des schwedischen Alltags bringt es ins Wanken. Read the rest of this entry »

Interview zur #metoo-Revolution in Schweden

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 krautreporter.de:
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Warum hat #metoo ausgerechnet in Schweden so gezündet, wo doch die Frauen eigentlich schon viel mehr erreicht haben als fast überall sonst auf der Welt?

Mich hat das auch überrascht. Aber auch das schwedische Rechtswesen beschützt ja nicht ausreichend gegen sexuelle Übergriffe. Wir haben hier im Alltag genau wie Frauen überall unsere individuellen Strategien, um zurechtzukommen. Man sagt sich gegenseitig, setz dich bloß nicht neben den und den beim Betriebsfest. Pass auf, dass du nicht mit dem und dem spät abends irgendwo allein bist. Du weißt, wie man jemandem abwehrend die Hand gibt, der einen Ruf als Grapscher hat. Read the rest of this entry »

Die Nobelpreise sind ein Schmuddelgeschäft

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Außen hui, innen pfui

Es ist, als blicke man in einem Edelrestaurant plötzlich in die schmuddelige Küche: Der Nobelpreis, der am Sonntag wieder verliehen wird, steht für Pracht, Pomp und Prestige. Hinter den Kulissen sieht es ganz anders aus.

Bankett
Den großen Auftritt haben sie drauf: 2014 werden die Desserts beim Bankett in akkurater Choreographie serviert. Foto: rtr

Das Menü beim Festbankett verkündet die Nobelstiftung genauso stolz wie die Sitzordnung und Designer, Stoffart samt der Beschmückung von Königin Silvias Abendrobe. Jedes Jahr am 10. Dezember prägen Pomp und Pracht die Verleihung der Mutter aller Auszeichnungen. Wer würde sich nicht gerne Nobelpreisträger nennen? Am Sonntag wieder mal ohne die Endung „-in“. In Stockholm nehmen acht befrackte, weil durchweg männliche Nobelpreisträger ihr Diplom mit Diener vor König Carl XVI. Gustaf in Empfang. Hinter dieser Festkulisse stecken die Juroren knietief in weniger präsentablen Skandalen: Sexismus-Anklagen im engsten Umfeld, bei trüben Aktiengeschäften erwischt, auf einen Scharlatan hereingefallen und auch noch als kommerzwütige Baulöwen verschrien. Deshalb jetzt statt allen Details zum Elchfilet und den Kronjuwelen an Tisch eins mal ein Blick in die Kochtöpfe. Read the rest of this entry »

Alternative Nobelpreise 2017

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Alternativer Nobelpreis für Journalistin und Anwälte

Auszeichnung für Weltverbesserer: Der Alternative Nobelpreis wird an die Journalistin Khadija Ismayilova und die beiden Menschenrechtsanwälte Colin Gonsalves und Yetnebersh Nigussie vergeben.

27.9.2017

https://i0.wp.com/static3.fr.de/storage/image/8/0/1/5/1005108_928x522_1pOCkI_9KHVHh.jpgAusgezeichnet: die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova. Foto: Aziz Karimli

Die Journalistin Khadija Ismayilova erhält für die mutige und ausdauernde Enthüllung von Korruption an der Staatsspitze ihres Heimatlands Aserbaidschan den Alternativen Nobelpreis 2017. Wie die Stiftung „Right Livelihood Award“ in Stockholm mitteilte, teilt sich die 41-Jährige die Auszeichnung mit drei Juristen: Der indische Anwalt Colin Gonsalves und seine Kollegin Yetnebersh Nigussie aus Äthiopien werden für ihren Einsatz als Menschenrechtler sowie der US-Amerikaner Robert Bilott als Umweltanwalt ausgezeichnet. Read the rest of this entry »

Auch an der Ostsee: Immer mehr Militärlogik

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Militärmanöver in der Ostsee:

Schweden übt den Krieg

Die Friedensbewegung sieht in einem Militärmanöver mit der NATO eine gefährliche Provokation Russlands.

08.09.2017 15:26 Uhr

Von Montag an üben 19 500 Soldaten im allianzfreien Schweden zusammen mit Einheiten aus den USA, vier weiteren Nato-Ländern sowie dem Nachbarn Finnland die Abwehr einer Invasion. Als angenommener Aggressor bei „Aurora 17“, dem größten und umfassendsten Manöver seit Ende des Kalten Krieges, kommt nur Russland in Frage. Dessen Streitkräfte halten zeitgleich in Weißrussland das Manöver „Zapad 2017“ ab. – nach offiziellen Angaben mit 13 000 Soldaten aus beiden Ländern für die Abwehr „extremistischer Eindringlinge“.

Voneinander getrennt sind die Kriegsspiele nur noch durch die drei baltischen Staaten, alle zum großen Ärger Moskaus in der Nato und mit kleineren Kontingenten aus Estland und Litauen auch am Manöver in Schweden beteiligt. Die Regierung in Stockholm setzt damit ihren Kurs beschleunigter Aufrüstung und möglichst enger Kooperation mit Nato-Ländern fort: ohne Beitritt als „Signal“ an Präsident Wladimir Putin.

Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist weist Kritik wegen der stetig zunehmenden Anlehnung an das westliche Militärbündnis zurück: „Wir bleiben allianzfrei und haben kein Interesse daran, Aggressivität zu zeigen. Aber unsere militärischen Möglichkeiten wollen wir schon verstärken.“

Dafür hat seine Regierung unter anderem die 2009 „für Friedenszeiten“ ausgesetzte Wehrpflicht wieder eingeführt. Seit 2016 erleichtern neue verpflichtende Vereinbarungen mit Brüssel gemeinsame Militäraktionen. Die Insel Gotland, mitten in der Ostsee und deshalb strategisch besonders wichtig, wird wieder mit Militär bestückt. Der Bezirksrat musste die lukrative Zusage, ein Zwischenlager für Bauteile für die russische Gasleitung Nordstream 2 einzurichten, aus sicherheitspolitischen Gründen zurückziehen.

Gotland im Fokus der Aktion

„Gefährlichen Aberglauben an militärische Mittel“ nennt „Svenska Freds“, Sprachrohr der auch bei den Skandinaviern geschrumpften Friedensbewegung, diese Linie einschließlich des Manövers. Wie viele andere sei man von der „autoritären und aggressiven Politik Russlands unter Putin“ im Inneren und nach außen beunruhigt. Aber „Svenska Freds“ sieht Aurora wie Zapad als „äußerst beunruhigende Eskalation“. Für das schwedische Manöver wird angenommen, dass ein „größerer und stärker ausgerüsteter Opponent“ im Rahmen eines anderen Konfliktes Gotland und ein Gebiet nördlich von Stockholm angreift.

Bei Zapad geht es nach Meinung westlicher Beobachter in Wirklichkeit nicht nur darum, eine permanente russische Militärpräsenz in Weißrussland vorzubereiten, sondern auch um ein „Signal“ Moskaus, wie schnell der Suwalki-Korridor an der polnisch-litauischen Grenze militärisch abgeschnitten werden kann. Er ist die einzige direkte Landverbindung zwischen dem Baltikum und einem anderen Nato-Land. tbo

Roma-Bettlerin: Terropfer und unerwünscht

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Stockholm Das Opfer muss weiter betteln

Die alte Roma Papusa Ciuraru hat den Terroranschlag in Stockholm überlebt und sitzt nun wieder auf der Straße.

Vor 23 Stunden

Papusa Ciuraru.
Papusa Ciuraru. Foto: svt

 

Die 83 Jahre alte Papusa Ciuraru aus Rumänien kauert seit einigen Tagen wieder mit ausgestreckter Hand in der Stockholmer Fußgängerzone. Dort hatte sie am 7. April ein Massenmörder in seinem gestohlenen Lastwagen nur um Zentimeter verfehlt. Der steinerne Löwe, hinter dem sie saß, rettete ihr das Leben. Ciuraru trug bei dem Anschlag nur Knochenbrüche am rechten Fuß davon. Fünf Passanten waren der Amokfahrt zum Opfer gefallen, die ein abgewiesener Asylbewerber aus Usbekistan bei seiner Festnahme einen „Terrorakt für den ‚Islamischen Staat’“ genannt hatte. Read the rest of this entry »

Schweden: Profit mit Privatschulen

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Schweden: Klassenzimmer als Profitmaschine

Schweden streitet über seine Privatschulen, die, finanziert aus Steuergeld, Investoren die Taschen füllen.

27. Februar 2017

Mehr als ein Viertel der Gymnasiasten in Schweden geht auf eine nichtstaatliche Schule. Foto: Getty Images
Wissbegierige Pennäler haben Schwedens größtem Schulkonzern Academedia 2016 eine Gewinnverdoppelung eingebracht. Der Anlageberater von „Privata Affärer“ („Privatgeschäfte“) schrieb nach dem dritten Quartal begeistert, diese Aktie sei dank anhaltend kräftigen Wachstums bei derzeit 140 000 Schülern eine super Anlage: „Denn das System mit Schulgeld in Schweden macht im Prinzip jeden zusätzlichen Schüler profitabel.“ Nichts spreche gegen die Fortsetzung der bisherigen Expansion. Außer vielleicht der Gefahr einer gesetzlichen Profitgrenze als „dunkler Wolke“ über dem boomenden Privatschulsektor. Academedias Konzernchef Marcus Strömberg beruhigte im Wirtschaftsblatt „Dagens Industri“: „Im Reichstag steht weiter eine Mehrheit dagegen. Deshalb ist diese Drohung wirklichkeitsfremd.“ Balsam für Academedias Haupteigner, die heimische Risikokapitalgesellschaft EQT, der Industrielle Rune Andersson und ausländische Investoren. Read the rest of this entry »