Schwedens Mitte kriegt grad noch mal die Kurve gegen rechts

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Finale in Schweden

Bei der Regierungssuche zeichnet sich eine Lösung ab: Rot-Grün schmiedet ein Abkommen mit zwei Bürgerparteien.

12. Januar 2019
Stefan Löfven
Will in Stockholm weiter regieren: der Sozialdemokat Stefan Löfven. Foto: afp

Vier Monate nach der Wahl, aber ohne neue Regierung steht Schweden vor einer Weichenstellung. Dabei überschattet das Verhältnis der Parteien zu den massiv erstarkten Rechtspopulisten alles andere. Um zu verhindern, dass die aus Nazi-Gruppen entstandenen Schwedendemokraten (SD) als Mehrheitsbeschaffer für eine bürgerliche Minderheitsregierung salonfähig werden, haben sich am Freitag die Spitzen der bisher gemeinsamen regierenden Sozialdemokraten von Premier Stefan Löfven und die Umweltpartei mit dem Zentrum und den Liberalen aus dem Bürgerlager auf Grundsätze für eine Zusammenarbeit geeinigt.

Vor allem bei den Liberalen ist aber alles andere als sicher, ob der Parteirat am Sonntag dieser Linie folgt. Acht der 20 Abgeordneten haben sich bereits öffentlich für Löfvens konservativen Herausforderer Ulf Kristersson ausgesprochen. Dieser wäre – mit einem Mandat weniger im eigenen Lager als der Sozialdemokrat – in jedem Fall auch noch auf die Duldung durch die SD angewiesen. Kristersson will das Zentrum und die Liberalen von einem Lagerwechsel in letzter Minute durch eine „schriftliche Garantie“ abhalten, wonach es keine Absprachen mit den Populisten geben werde.

„Für uns zählt, dass wir denen um alles in der Welt keinen Einfluss verschaffen dürfen,“ hatte seit der Wahl immer wieder die Zentrumschefin Annie Lööf betont,  assistiert von ihrem liberalen Kollegen Jan Björklund. Beide waren zusammen mit den Konservativen und der kleinen christdemokratischen Partei nach acht gemeinsamen Regierungsjahren bis 2014 wieder als „Allianz“ in den Wahlkampf gezogen. Aber es reichte nicht – die SD als Wahlsieger legte vor allem auf Kosten der Konservativen von 13 auf 17,5 Prozent zu. Sie kann damit die bisher üblichen Regierungskonstellationen aus Sozialdemokraten, Umwelt- und Linkspartei einerseits sowie Konservativen und den vier Mitte-rechts-Parteien andererseits blockieren.

SD-Chef Jimmie Åkesson kommentierte Kristerssons Ausschluss jeder Gegenleistung für die parlamentarische Duldung betont milde: „Natürlich können wir keinen Premier durchwinken, der uns jeden Einfluss verweigert. Aber wir sind kompromissbereit.“

Bei seinem Bemühen um ein Ende der allseitigen Ächtung als nationalistische Rassistenpartei nennt Åkesson gern Dänemark als Vorbild. Bei den Nachbarn hat sich für die Rechtspopulisten die Rolle als Mehrheitsbeschafferin über zwei Jahrzehnte bezahlt gemacht: Ihre immer maximal harte und aggressiv herausposaunte Ausländerpolitik ist nach und nach von den traditionell führenden Parteien inzwischen als eine Art Staatsräson übernommen worden.

Mit dieser Möglichkeit vor Augen verweigerten beide Mitteparteien Kristersson bei einer Vertrauensabstimmung im neugewählten Reichstag ihre Stimmen. Aber auch Löfven scheiterte bei einer weiteren Abstimmung – vor allem wegen wirtschaftspolitischer Differenzen mit Zentrum und Liberalen.

Bei den zähen und für die Öffentlichkeit nur noch schwer nachvollziehbaren Geheimverhandlungen haben die Sozialdemokraten im zweiten Anlauf jetzt offenbar weitgehende Zugeständnisse gemacht. So sind sie bereit, wie von den Bürgerparteien gefordert den Kündigungsschutz aufzuweichen. Das allerdings lehnt die als Mehrheitsbeschafferin ebenfalls benötigte Linkspartei dies strikt ab.

Fast alle fürchten Neuwahlen

Löfvens Partei, die in Schweden im 20. Jahrhundert fast immer im Alleingang regieren konnte, hatte im September mit 28,3 Prozent das schlechteste Ergebnis seit 1911 eingefahren. Sie muss nach Umfragen vorzeitige Neuwahlen bei einem Scheitern der Regierungsbildung genauso fürchten wie alle anderen Parteien mit Ausnahme der Rechtspopulisten. Diese sind von 17,5 Prozent an den Urnen auf jetzt über 20 Prozent geklettert und haben die Konservativen als zweitstärkste Kraft überholt. Die Liberalen, die bei der Wahl 5,5 Prozent erreichten, hat das Hickhack um die Regierungsbildung bis an die Vier-Prozent-Sperrklausel gedrückt.

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