Schwedendemokraten: Populisten mit Nazi-Wurzeln
Nett und fanatisch
Wie der Chef der rechten Schwedendemokraten, Jimmie Åkesson, Stimmen fängt. Ein Porträt.
8. September 2018

So ein netter Mann! Jimmie Åkesson, adrett, zivilisiert und augenscheinlich mit sich im Reinen, hat eindeutig die Sympathien der erstaunlich zahlreichen Zuhörerschaft, wenn er vier Mal in acht Stunden für seine Schwedendemokraten (SD) auf den Marktplätzen wirbt. Schon morgens um zehn im kleinen Landskrona hören ihm nicht nur Rentner oder Arbeitslose zu. Auch viele Jugendliche im Alternativ-Look und Frauen mittleren Alters klatschen begeistert, aber nicht fanatisch oder hasserfüllt.
Der 39-Jährige mit sorgsam gegelten schwarzen Haaren behält einen angenehm weichen Grundton bei, wenn er ihnen ausmalt, wie seine rechtspopulistische Partei das durch angeblich ungebremste Asylzuwanderung ruinierte Schweden in ein schönes „Volksheim“ zurückverwandeln kann: Sind die Grenzen wieder dicht, ist genug Geld da, um die endlos langen Wartezeiten auf Krankenbehandlungen zu verkürzen und das Recht auf Vollzeitbeschäftigung für Frauen im öffentlichen Dienst mit „humanen und würdigen Arbeitszeiten“ durchzusetzen. Postwendend werde die Partei auch die ungerecht hohe Rentenbesteuerung und den Benzinpreis kräftig senken.
Jimmie Åkesson will SD von Nazi-Stallgeruch säubern
Er will das gute, alte „Folkhem“ der Sozialdemokraten wiedererrichten, das Volksheim mit sozialer und auch sonstiger Sicherheit für alle, verkündet Åkesson. Dafür hat auch mal Willy Brandt geschwärmt. Kaputt ist es, erklärt der Schwedendemokrat, weil die jetzigen Sozialdemokraten das Erbe vergessen, wenn sie Milliarden in das Asylsystem kanalisieren.
Die Reizbegriffe Islam und Muslime hört man an diesem Tag kein einziges Mal. Alle wissen auch so, wer gemeint ist. SD-Generalsekretär Richard Jomshof erklärt es auf Facebook so: „Da wir in Schweden, nicht in Ungarn und (noch) nicht an der Regierung sind, und die Medien hier auch nicht wie in Ungarn funktionieren, müssen wir uns der Wirklichkeit anpassen.“ Der Parteichef hatte das wohl kurz vergessen, als ihn Interviewer des öffentlich-rechtlichen Radiokanals P3 mit frechen Fragen nervten: „Wenn ich das Sagen hätte, würde ich diese Linken-Schmiede sofort dichtmachen.“
Der Beifall brandet am stärksten auf, wenn Åkesson erklärt, Zuwanderer hätten sich Schweden anzupassen und nicht umgekehrt. Der Anspruch auf „gigantische Moscheen mit turmhohen Minaretten“ sei fehl am Platz. In lockerem Ton empfiehlt er die Anmietung von Haftzellen in Rumänien und Bulgarien für ausländische Kriminelle, weil das „billig im Unterhalt ist“. Allgemeine Heiterkeit. Er streicht den Gag auch nicht an dem Tag, als die Nachricht kommt, dass die Polizei nach der Ermordung eines rumänischen Bettlers in der Kleinstadt Huskvarna zwei Jugendliche für die Täter hält.
Dass die SD von Neonazis gestartet und bei Åkessons Beitritt 1995 auch noch braun eingefärbt waren, ist genauso unstrittig wie das Bemühen des seit 2005 amtierenden Parteichefs, den Stallgeruch wegzusäubern. Vor ein paar Wochen aber enthüllten Medien wieder Verbindungen von 14 SD-Kandidaten für die Kommunalwahlen mit Neonazigruppen wie der „Nordischen Widerstandsbewegung“ und dem „Weißen Arischen Widerstand“. Parteikollege und Parlaments-Vizepräsident Björn Söder sagte im Sommer, Juden sowie Angehörige der sämischen Urbevölkerung seien „keine Schweden“.