Kopenhagen contra Menschenrechte

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Abschiebung „Rumoren im Volk“

Wie Dänemarks Regierung gegen die Menschenrechtskonvention agitiert.

Lars Løkke Rasmussen
Schreitet zur Tat gegen die Menschenrechte: Lars Løkke Rasmussen Foto: afp

Der liberale Ministerpräsident in Kopenhagen berichtet, dass er „vor Wut zittert“, wenn Menschenrechtsbestimmungen mal wieder die Abschiebung eines kriminellen Ausländers blockieren. Seine rechtsnationalistischen Mehrheitsbeschaffer finden ganz grundsätzlich, dass Menschenrechte „ein Parasit im Rechtsstaat sind“. Man ist sich einig: Nach Übernahme der halbjährigen Präsidentschaft im Europarat Mitte November will Dänemarks Regierungschef Lars Løkke Rasmussen zur Tat schreiten.

Ein „recht offensiver Plan“ mit der eigens gebildeten Task Force für Überzeugungsarbeit in anderen Mitgliedsländern soll dafür sorgen, dass die Europäische Menschenrechtskonvention und vor allem auch der Straßburger Gerichtshof für Menschenrechte weniger Anlass zu negativen Gefühlsausbrüchen geben können. Mit großen Schlagzeilen und inszenierten TV-Dokusoaps über „Zigeunerboss Levakovic“ hatte der Fall eines vielfach vorbestraften Rom Aufsehen erregt, dessen Abschiebung nach Rumänien wegen minderjähriger Kinder nicht möglich ist: Artikel 8 der Menschenrechtskonvention schützt das Recht auf Familienleben. Bei vier anderen Rumänen blockierte das Gericht in Straßburg die von dänischen Richtern verfügte Abschiebung, weil die Haftbedingungen im Herkunftsland mit dem Anspruch auf zwei Quadratmeter je Gefangenem statt drei menschenunwürdig seien.

In Kopenhagen, wo seit anderthalb Jahrzehnten die Populisten der Dänischen Volkspartei (DF) die Ausländerpolitik diktieren, sind sich alle großen Parteien einig: Mit ihrer „dynamischen Interpretation“ der 1950 in Kraft getretenen Menschenrechtskonvention würden sich die Juristen im fernen Straßburg zu politisierenden Oberrichtern über eigentlich souveräne nationale Entscheidungsrechte aufschwingen. Rasmussen berichtete von ähnlicher „Frustration sowie Apathie“ unter seinen EU-Kollegen. Frustriert sei er ja auch, aber seine Regierung findet er alles andere als apathisch, wie schon das gerade durchs Parlament gebrachte Bettelverbot mit vielen daraus folgenden Festnahmen sowie Abschiebungen zeige. Dann sind da ja noch die taufrische Mehrheit für ein Burkaverbot und der jüngst ins Werk gesetzte Einsatz von Militär bei den Grenzkontrollen nach Deutschland.

Flüchtlinge bleiben aus

Dass es dafür wegen inzwischen ausbleibender Flüchtlinge eigentlich keine Geschäftsgrundlage gibt, ficht die Regierung nicht an. Ihr Chef führt gegen „reine Juristerei“ das „Verständnis beim Volk“ ins Feld. Dieses Muster passt jetzt auch für die Menschenrechte. Bei einer Umfrage im September war eine klare Mehrheit von 48 gegen 34 Prozent der befragten Dänen für einen kompletten Austritt ihres Landes aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, wenn die Bedingungen zur Ausweisung krimineller Ausländer nicht erweitert werden.

„Es rumort im Innersten des Volkes. Widerstand erhebt sich. Ein Freiheitskampf“, kommentierte Morten Messerschmidt, Europaabgeordneter für die Rechtspopulisten. Seine DF hat unbestritten das Patentrecht auf den heimischen Kampf gegen die Menschenrechte. Unmittelbar vor der Aufnahme in den politischen Mainstream als Mehrheitsbeschaffer (wie jetzt) für eine bürgerliche Minderheitsregierung schrieb Parteiveteran Søren Krarup im Jahr 2000 die Kampfschrift „Der Tanz um die Menschenrechte“. Sie seien die „moderne Macht des Verderbens“: „Es sind die Menschenrechte und damit die Vereinten Nationen sowie die EU, die dem einzelnen Staat die Behauptung des eigenen Rechts verbieten und damit auch den Schutz vor Gewalt und Terror, die über die niedergelegte Grenze hereinbrechen.“

„Angriff auf die Demokratie“

17 Jahre später weiß die Partei des Autors damit die Mehrheit der Bevölkerung sowie im Parlament hinter sich und hat die Regierung sicher im Griff: Rasmussen muss als Gegenleistung für die DF-Stimmen deren niemals leeren Wunschzettel zur Ausländerpolitik abarbeiten. Der dänische Ex-Botschafter beim Europarat, Claus von Barnekow, beklagte, dass seine Regierung die Präsidentschaft im Europarat „für ein paar zusätzliche Abschiebungen“ zu innenpolitischen Zwecken missbrauche. Er vermisse in der Debatte vollkommen den internationalen Hintergrund für die Menschenrechte: „Das kann die Büchse der Pandora öffnen.“

Dagegen haben maßgebliche Politiker in Kopenhagen nicht das Geringste. Mortenschmidt, erfolgreichster dänischer Parlamentskandidat aller Zeiten mit 465 000 persönlichen und 20 Prozent der abgegebenen Stimmen bei den Europawahlen 2014, wies schon mal ganz generell den Weg, wie es weitergehen soll beim Kampf gegen das „Menschenrechtsdenken“, für ihn dasselbe wie die Rassegesetze der Nazis und die Enteignungsgesetze der Kommunisten: „Es ist nicht über die Zeit erhoben.“ Im Innersten des Volkes, wie gesagt, rumore es kräftig: „Egal mit welchen parfümierten Parolen sie sich schmücken, der Gestank lässt sich nicht verbergen. Die Menschenrechte sind ein Angriff auf die Demokratie.“

 

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