Island wählt schon wieder: “Oh, wie schön ist Panama”
Mitte-Links-Regierung im Norden Europas möglich
Auf der Vulkaninsel wird an diesem Samstag schon wieder ein neues Parlament gewählt. Der bürgerliche Ex-Premier tritt trotz Skandalen wieder an.

Schon wieder eine rechte Panama-Regierung in Island? Das ist nicht ausgeschlossen, wenn die Bürger des Inselstaates an diesem Samstag eine neue Führung bestimmen. Als wahrscheinlicher kann nach den Umfragen aber ein Linksrutsch auf der Atlantikinsel gelten – an der Spitze eine Ministerpräsidentin der Linksgrünen, dabei aus Ruinen auferstandene Sozialdemokraten sowie erstmals mitregierende Piraten.
Zum zweiten Mal in einem Jahr sind die Isländer jetzt vorzeitig an die Wahlurnen gerufen. Das letzte Mal, nach der Enthüllung der „Panama Papers“, kochten die Menschen in dem 330 000-Einwohner-Land zwar vor Wut – sie wählten dann aber doch wieder fast die gleiche Machtelite. Und das, obwohl sich der bürgerliche Regierungschef als mutmaßlicher Steuerflüchtlinge entpuppte.
Auch jetzt ist ein Machtwechsel keineswegs sicher: Die Partei des erneut als Spitzenkandidat angetretenen konservativen Ministerpräsidenten Bjarni Benediktsson liegt in den letzten Umfragen mit 23 Prozent doch wieder knapp vor den Rotgrünen mit 21 Prozent. Der Politiker aus einer der reichsten und mächtigsten Familie Islands hatte als Regierungschef zu vertuschen versucht, dass sein Vater einem pädophilen Bekannten nach dessen Haftentlassung per „Ehrenerklärung“ an die Behörden unter die Arme griff.
Das kostete den Sohn einen Koalitionspartner und die Mehrheit im „Althing“. Nach der Ausschreibung der Neuwahl wurde ruchbar, dass Benediktsson Stunden vor dem Bankencrash 2008 wohl Aktien bei der Glitnirbank verkauft hatte. Er bestreitet alle Vorwürfe zu Insiderwissen als Parlamentarier und konnte im Wahlkampf das Verbot jeder Berichterstattung über den Fall gerichtlich durchsetzen.
Steuerflüchtling kandidiert
Schon vor den vorzeitigen Wahlen vor genau einem Jahr stand der damalige Finanzminister Benediktsson als Steuerflüchtling auf den Listen der Panama-Papers, wie sein damaliger Regierungschef Sigmundur Davíd Gunnlaugsson von den Rechtsliberalen. Der verlor das Amt, die Wahl und dann den Parteivorsitz, kann jetzt aber mit neuer eigener Partei wieder auf zehn Prozent der Stimmen hoffen.
Für eine eigene Mehrheit dieser beiden Sprösslinge aus der oligarchisch herrschenden Oberklasse, die Island beim Bankenkollaps an die Wand gefahren hat, wird es nicht reichen. Aber bei wackligen Mehrheitsverhältnissen mit acht im neuen Parlament erwarteten Parteien bieten sich ja vielleicht andere Möglichkeiten.
„Nichts brauchen wir dringender als die Einheit der Linken. Deshalb helfe ich den Sozialdemokraten,“ verkündet deshalb der Komiker Jon Gnarr, wichtige Stimme auf der Vulkaninsel. 2010 wurde er als „Spaßpolitiker“ aus Protest gegen Filz und Korruption zum Bürgermeister Reykjaviks gewählt und trat vier Jahre später respektiert wieder ab.
Auch prominente Schriftsteller haben geholfen, dass die Sozialdemokraten nach ihrem Absturz bei den letzten Wahlen auf fünf Prozent jetzt mit 15 Prozent laut Umfragen wieder da sind. „Sie haben sich nach der Unterwerfung unter die Neoliberalen auf klassische sozialdemokratische Werte besonnen“, so Publizistin Steinunn Stefánsdóttir.
Zusammen mit der enormen Popularität der rotgrünen Spitzenkandidatin Katrín Jakobsdóttir und den vielleicht etwa zehn Prozent für die Piratenpartei könnte es nach dem Wahlgang der 250 000 Stimmberechtigten vielleicht für Mitte-Links reichen. Aber es bleibt spannend.