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Dänischer “Paradigmenwechsel” ist Schande und Etikettenschwindel zugleich

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Dänemark will nur noch abschieben
Obwohl 2018 nur wenige Asylbewerber ankamen, will Dänemark härter durchgreifen.

Flüchtlinge

Dänemark will nur noch abschieben

  • vonThomas Borchert
    21.2.21019

Keine Integration, stattdessen schnellere Abschiebungen: Das dänische Parlament verschärft erneut die Ausländerpolitik.

Dänemark schafft die Integration von Flüchtlingen als staatliches Handlungsziel ab und will nur noch auf schnelle und umfassende Rückführungen setzen. Am Donnerstag steht bei der geplanten Verabschiedung eines Katalogs mit massiven Verschärfungen im Ausländerrecht eine breite Mehrheit im Kopenhagener Parlament hinter dem „Paradigmenwechsel“.

Unter diesem Sammelbegriff für eine grundsätzliche Richtungsänderung hat sich die Mitterechts-Minderheitsregierung mit den Rechtspopulisten der Dänischen Volkspartei unter anderem darauf geeinigt, den Begriff Integrationsprogramm im Gesetz komplett durch „Selbstversorgungs- und Rückführungsprogramm“ zu ersetzen. Die bisherige staatliche „Integrationsleistung“ wird nicht nur in „Selbstversorgungs- und Heimreiseleistung oder Übergangsleistung“ umbenannt, sondern für einen großen Kreis auch erneut massiv gekürzt.

Ausländerministerin Inger Støjberg hat angegeben, dass die Regierung 25.500 in den vergangenen fünf Jahren eingereiste Flüchtlinge einschließlich Familiennachzug auf Listen für umgehende Abschiebungen führe, „sobald wieder Frieden in ihrem Land herrscht“. 8700 der Betroffenen sind so gut integriert, dass sie einen dänischen Arbeitsplatz haben. Dies soll nach den neuen Vorschriften künftig keine Rolle mehr spielen und genauso wenig vor der Abschiebung schützen wie die Bindung an die dänische Gesellschaft durch hier geborene Kinder, Sprachkenntnisse oder auch die Beteiligung am Vereinsleben.

Scharfe Kritik an dänischer Ausländerpolitik

Organisationen wie die Dänische Flüchtlingshilfe, Amnesty International und das UN-Flüchtlingswerk UNHCR haben die neue Verschärfung der dänischen Ausländerpolitik als Katastrophe für Flüchtlinge kritisiert, die unter schwierigsten Bedingungen um ein menschenwürdiges Dasein kämpften. „Hier wird gewaltig viel Furcht und Unsicherheit erzeugt“, sagt Josephine Fock von der Flüchtlingshilfe. Dies dürfte vor allem auch für syrische Bürgerkriegsflüchtlinge gelten.

Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften protestieren gegen den „Paradigmenwechsel“, weil er die Chancen auf einen Arbeitsplatz für Flüchtlinge mit zeitlich begrenzten Aufenthaltsgenehmigungen drastisch verschlechtere. „Vollkommen grotesk“ nannte dies die Gewerkschaftschefin Mona Striib, deren Organisation FOA Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitssektor mit akutem Arbeitskräftemangel vertritt. Sowohl hier wie auch in der Hotelbranche läuft ohne Flüchtlinge schon jetzt nichts mehr. Die Arbeitgeberorganisation DA sprach von einer „sicher geringeren Bereitschaft“ zur Einstellung von Flüchtlingen, wenn diese jederzeit auch direkt von ihrem Arbeitsplatz abgeschoben werden könnten.

Die Organisationen kritisierten auch das jetzt vor dem Abschluss stehende Eilverfahren, obwohl die Zahl der ankommenden Asylbewerber 2018 mit 3500 extrem niedrig blieb und die Integration von Flüchtlingen auf dem Arbeitsmarkt so erfolgreich war wie nie zuvor. 57 Prozent der vor drei Jahren eingereisten männlichen Flüchtlinge hatten vergangenes Jahr einen Job.

Sozialdemokraten streben Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten an

Als Grund für die Eile gilt in Kopenhagen die bis spätestens Juni anstehende Parlamentswahl, bei der nicht nur die Rechte wieder mit „dem Ausländerthema“ antreten und wie bei vier der vorausgegangenen fünf Parlamentswahlen gewinnen will. Die oppositionellen Sozialdemokraten stimmen am Donnerstag für die Verschärfungen und streben nach ihrem als wahrscheinlich geltenden Wahlsieg eine enge Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen DF an. Vor diesem Hintergrund konkurrieren sie mit den Rechtsliberalen von Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen um die Gunst der DF. Sie wollen die in Westeuropa seit fast 20 Jahren beispiellos harte dänische Ausländerpolitik weiterführen.

Kommentatoren haben darauf verwiesen, dass der „Paradigmenwechsel“ eigentlich ein Etikettenschwindel sei: Dänemark ist bei Abschiebungen nach wie vor an internationale Konventionen gebunden. Auch bleibt die Möglichkeit für permanente Aufenthaltsgenehmigungen nach acht Jahren weiter bestehen. Dem hält Ausländerministerin Støjberg entgegen, dass sie den Regierungsapparat darauf ausrichtet, bei Abschiebungen „bis an die menschenrechtlichen Grenzen zu gehen“.

Dazu gehört für sie auch, die Lebensbedingungen für abgewiesene Asylbewerber in Abschiebelagern „so unerträglich wie möglich“ zu gestalten. Dass die Folgen auch deren teilweise jahrelang hier lebenden Kinder treffen, sei nicht vom Staat zu verantworten. Straffällig gewordene abgelehnte Asylbewerber will sie nach einer Vereinbarung mit DF auf einer verlassenen Insel isolieren, die früher als Forschungsstation für Tierseuchen genutzt wurde.

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