Das Bauklötzewunder ist erstmal vorbei
Gar nicht mehr alles super bei Lego
Der dänische Klötzchenhersteller muss erstmals seit vielen Jahren Umsatzeinbußen verkraften – jetzt sind neue Spielideen gefragt.

Lego-Händler Thomas Panke haben all die Geburtsfehler am aktuellen Flaggschiff der Technic-Serie, dem gewaltigen Allrad-Abschleppwagen 42070, so erbost, dass er ihn seinen Kunden nicht zumuten mag: „Ich war fassungslos. Dieser merkwürdige blaue Laster ist einfach viel zu schlecht und mit 250 Euro auch zu teuer.“ In seinem kleinen Laden „Held der Steine“ in Frankfurt-Sachsenhausen, wo es alles für Lego-Nerds und sonst nichts zu kaufen gibt, ist der Bausatz aus dem Sortiment gestrichen. Der 37-jährige Inhaber und begeisterte Klötzebauer findet das Modellprogramm aus dem vergangenen Jahr insgesamt enttäuschend. Wenn er hinzufügt, das sei „hoffentlich ein Weckruf“, meint er das in ganz anderen Dimensionen. Um acht Prozent auf umgerechnet 4,8 Milliarden Euro ist 2017 weltweit der Verkauf von Bausätzen mit den dänischen Plastikklötzen gesunken, wie Legos neuer Konzernchef Niels Christiansen am Dienstag
nicht ganz unerwartet in der Konzernzentrale in Billund bekanntgeben musste.
Der Nettogewinn fiel um 17 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro – für andere vielleicht immer noch ein satter Profit. Aber schon im September hatte die überraschende Ankündigung von 1400 Stellenstreichungen, fast zehn Prozent der Gesamtbelegschaft, brutal klargemacht, dass das Geschäft mit dem beliebtesten und einträglichsten Markenspielzeug der Welt ins Trudeln geraten ist. Jedenfalls nach Lego-Maßstäben. Ausgerechnet zum 60. Gründungsjubiläum, ausgerechnet auf den Stammmärkten in Nordamerika sowie Europa und ausgerechnet jetzt in der Hochkonjunktur.
Vorher hatte man aus dem kleinen Billund im Herzen Jütlands über ein ganzes Jahrzehnt wie am Fließband zweistellige Wachstumsraten und Rekordgewinne in die Welt posaunen können. Noch 2015 fiel das so überwältigend aus, dass Christiansen-Vorgänger und jetziger Aufsichtsratschef Knud Knudstorp bei der Bilanzvorstellung plötzlich zu tanzen und zu singen anfing: „Hier ist alles super.“ Ein Lied aus dem gerade überall auf der Welt überwältigend erfolgreichen „Lego-Movie“.
Beim jetzigen Knick nach unten greift die Lego-Spitze dankbar zu der von Politikern für den Fall schrecklicher Wahlniederlagen entwickelten Formel, man habe sich eventuell zu Tode gesiegt. „Wenn eine Organisation so schnell wächst, werden die Entscheidungswege mitunter zu kompliziert und zu lang“, meint der im Oktober ins Amt gekommene Christiansen. Da habe man schnell gehandelt. Von einem mauen Modellprogramm könne nicht die Rede sein: „Wir wollen uns in diesem Jahr mit weiteren Investitionen in großartige Produkte stabilisieren.“
Aber welche und wo? Beobachter sind sich einig, dass Legos Erfolgsjahre mit den Lizenzprodukten aus den Star-Wars-Filmen als Geldmaschine wohl vorbei sind. „Star Wars läuft bei mir nur noch zu einem Drittel im Vergleich zu vor drei oder vier Jahren. Die Kinder interessieren sich nicht mehr dafür“, erzählt Thomas Panke. Legos Deutschland-Chef Frederic Lehmann nannte das Geschäft in Interviews 2017 mit Blick auf Star Wars auch „unter den Erwartungen“, hoffte aber doch auf neuen Schub. Insgesamt hat Lego auf dem deutschen Spielzeugmarkt, seinem zweitgrößten nach den USA, nach Erhebungen der Marktforscher der NPD-Group im vergangenen Jahr mit minus 2,6 Prozent beim Umsatz noch relativ milde verloren. Der Marktanteil ging auch 0,4 Prozentpunkte auf jetzt 16,8 Prozent herunter.
2004 war Lego noch ganz anders abgerutscht und stand nach lebensbedrohlichen Verlusten kurz vor dem Verkauf an einen US-Konzern. Rettung brachte in der Stunde höchster Not die Entscheidung von Kjeld Kristiansen, Oberhaupt der Eignerfamilie, den damals blutjungen McKinsey-Manager Knudstorp statt sich selbst an die Konzernspitze zu setzen. Der neue Mann verordnete eine Rückbesinnung aufs Kerngeschäft mit den Klötzen. Lego hatte sich vorher im Kampf mit den neuen digitalen Spielzeug-Konkurrenten heillos verzettelt. Den Kristiansens bescherte ihr erfolgreicher Topmanager nicht zuletzt auch durch den Erfolg mit Star Wars eine Vervielfachung ihres Vermögens auf geschätzt 150 bis 200 Milliarden Kronen – umgerechnet 20 bis 26 Milliarden Euro.
„Lego-Gold“ hat denn auch der Journalist Søren Jakobsen sein neues Buch über die reichste Familie Dänemarks betitelt. Sie ist aufs Engste mit dem Königshaus verbandelt und stellt den Royals bei Bedarf gerne mal einen der Firmenjets für Urlaubsflüge zur Verfügung. Im Gegenzug können die Spender immer mit Einladungen zu den prestigeträchtigen Festen am Hof rechnen. Auch zögern Kronprinz Frederik und Prinzessin Mary nicht, ihre vierköpfige Kinderschar im schönsten Lego-Alter werbeträchtig vor Kameras mit Bauklötzen spielen zu lassen.
Jakobsen meint, das Unternehmen stehe absolut nicht vor so bedrohlichen Herausforderungen wie 2004. Der Gewinn ist weiter hoch und die Kapitalstärke hoch solide. „Deshalb war die Ankündigung von Massenentlassungen im Herbst auch eine überraschende und rohe Reaktion. Sie hätten ohne Weiteres noch ein, zwei oder drei Quartale damit warten können“, findet der Buchautor. Aber Knudstorp, als Belohnung für seinen Erfolg Mitte 2017 zum Aufsichtsratschef befördert und damit der Wachhund der Eignerfamilie, wollte wohl ganz schnell „Entschlossenheit“ demonstrieren. Da machen sich Entlassungen durch die Kapitalbrille ja oft sehr gut.
Viel komplexer dürfte es für die Lego-Strategen bei ihren Weichenstellungen für das Modellprogramm werden. Was kann Star Wars ersetzen? Lego hat auf seinen Stammmärkten mit dem immer früheren Debüt der Kinder als Smartphone-Nutzer zu kämpfen. Auch muss der Geschmack der heftig umworbenen Lego-Fans auf dem Wachstumsmarkt China mit dem westlichen zusammengebracht werden. Dass das alles nicht so einfach ist, deutete auch Konzernchef Christiansen in Billund an: „Es gibt keine schnelle Lösung, und es wird seine Zeit dauern, um längerfristiges Wachstum zu erreichen.“
Panke, der „Held der Steine“ aus Frankfurt, drückt sich unverblümter aus: „Viel spannender werden die Zahlen für 2018, wenn die Bestellungen der Händler nicht mehr kommen. Die werden noch katastrophaler, glaube ich.“ Aber er sagt auch: „Man muss die Kirche im Dorf lassen, Lego ist immer noch dramatisch erfolgreich und unangefochtener Marktführer. Wir meckern auf ziemlich hohem Niveau.“
March 7, 2018 at 8:36 am
Nur noch teure Lizenzthemen… Kein Wunder, dass der Umsatz zurück ging. Vieles ist für Erwachsene ausgelegt (von den Preisen mal abgesehen) und irgendwie geraten die Kinder so langsam ins Abseits.
Back to the Roots ist das Thema.
Das es funktioniert zeigt ja Playmobil mit seiner History – Reihe.
Warum macht Lego so etwas nicht? Von mir aus als Halbjahresthemen.
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