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14. März 2016

Dänemark: Freundliche Revoluzzer

 Von Thomas Borchert

Hat gut lachen: Der Chef von Alternativet, Uffe Elbaek, bekommt wohlwollende Aufmerksamkeit.  Foto: dpa

In Dänemarks Parlament begehrt eine Partei gegen Populisten auf.

Kopenhagen –  Dass prominente Künstler Scham über ihr Land Dänemark bekunden, weil hier Bürgerkriegsflüchtlinge auf Schmuck und anderes von Wert gefilzt werden, versteht Uffe Elbaek „nur zu gut“. Der immer freundliche Chef von „Alternativet“, der jüngsten Parlamentspartei im Kopenhagener Folketing, hat es selbst auch so gesagt, dann aber bereut: „Ich hätte genauer sein müssen. Peinlich sind ja nicht mein Land oder meine Landsleute, sondern die Politik der dänischen Regierung.“

So hätten es bestimmt auch der Regisseur Thomas Vinterberg („Die Kommune“) bei der Berlinale und die Schauspielerin Sofie Grabol („Kommissarin Lund – das Verbrechen“) im Londoner „Guardian“ gemeint.

Der Aufstieg von Elbaeks Partei selbst zeigt, dass sich zunehmend mehr Bürger mit solchen Gefühlsäußerungen nicht mehr zufrieden geben. Bei der Gründung vor zwei Jahren als gutmenschelndes Spinnerprojekt verlacht, schaffte Alternativet im Sommer den Sprung ins Parlament mit sechs „Grundwerten“: „Mut, Großzügigkeit, Transparenz, Bescheidenheit, Humor, Empathie“. Das brachte 4,8 Prozent und zog als Kontrast zur primitiven Schlacht aller großen Parteien um die härtesten Parolen gegen Zuwanderer bis hin zu „Wenn du nach Dänemark kommst, sollst du arbeiten“ auf den Plakaten der Sozialdemokraten.

In den aktuellen Umfragen liegt Alternativet bei sieben Prozent, freut sich über enormen Mitgliederzulauf und ist parlamentarisch als ernstzunehmender Machtfaktor etabliert. Für weiteren Zulauf sorgt unfreiwillig der rechtsliberale Premier Lars Lokke Rasmussen. Obwohl seine kleine Einparteien-Regierung auf ganz wackeligen Beinen steht, boxt er fortlaufende Verschärfungen der ohnehin extrem harten Ausländerpolitik in Bulldozer-Manier durch. Gerade hat Rasmussen ein Misstrauensvotum gegen seine Landwirtschaftsministerin wegen manipulierter Zahlen tagelang demonstrativ und in so aggressiver Manier missachtet, dass auch ihm wohlgesonnene Kommentatoren fragen, was parlamentarische Regeln eigentlich noch wert sind.

Parteigründer Elbaek, 2011-12 auch mal Kulturminister für die Sozialliberalen, meint: „Die Leute haben diese politische Kultur satt.“ Hinter der Verrohung der dänischen Politik steht für ihn „15 Jahre massiver Einfluss“ der Rechtspopulisten von der Dänischen Volkspartei, die mit ihrer Ausländerpolitik Mainstream geworden sei. Statt dessen wünschten Bürger intelligente Alternativen zum Wachstumsfetisch, zur Verwandlung des Gemeinwesens in einen Konkurrenzstaat, gegen die Plünderung des Planeten und das „Einzwängen der Menschen in Hamsterräder“.

Bei der Vermittlung der alternativen Ideen wichtiger als das Programm und die grüne Parteifarbe ist der Gründer. Wenn der kleine grauhaarige Elbaek, Jahrgang 1954, auch gegenüber pöbelnden Kontrahenten bei TV-Debatten seine Sicht ruhig und freundlich vorträgt, hat er immer schon einen Punktsieg in der Tasche. Gibt er einem Kontrahenten mal recht, ist das Echo besonders groß: „Das nehmen die Menschen sehr genau wahr. Es gibt viele Arten, sich Gehör zu verschaffen.“

Die Kopenhagener Kommentatoren schütten keine Häme mehr aus über Alternativet als Haufen nett harmloser Spinner. Der Grundton ist jetzt Anerkennung für die gelungene Aktivierung von Bürgern für eine neue politische Kraft gegen die lange lähmende Dominanz der Rechtspopulisten.

In einem Zeitungsbeitrag bekannte Elbæk seine „tiefen Zweifel und Unsicherheit darüber, was gerade mit Dänemark und Europa geschieht“, in einer Zeit, in der die großen Krisen „sich gegenseitig verstärken“. Den eigenen Erfolg versteht er als Beginn einer „freundlichen Revolution“.
„Wir sehen Podemos in Spanien, die Fünf-Sterne-Bewegung in Italien, Syriza in Griechenland, Labour mit Jeremy Corbyn in England, die schottische Unabhängigkeitsbewegung, die Piratenpartei in Island und, in aller Bescheidenheit, uns in Dänemark“, sagt Elbaek. Bei Deutschland sei er „nicht so dran“, es gebe aber Berührungspunkte mit Grünen und Linken.

Optimistisch ist Elbæk über die Chancen einer Transformation der repräsentativen Demokratie in eine „viel stärker involvierende Demokratie“ durch Bürgerbeteiligung. Das beste Beispiel hätten Dänen mit ihrem entschlossenen Handeln in der akuten Flüchtlingskrise des Spätsommers gegeben, als Syrer und andere auf Autobahnen Richtung Norden marschierten: „Da waren wir hier im Parlament gelähmt. Es gab nicht die geringste Kommunikation der politischen Führung mit unseren Nachbarn Schweden und Deutschland. Da haben Bürger die Sache selbst in die Hand genommen. Sie nannten und nennen sich ‚Freundlichbürger‘, vielleicht sogar 100 000, die über Nacht praktische Hilfe auf die Beine gestellt haben und das weiter tun. Das ist ja auch Dänemark.“

 

 

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