Dass tatsächlich russische Einheiten als Teil eines bewaffneten Angriffs auf Gotland landen könnten, wird in Stockholmer Regierungskreisen eingestuft unter „nicht auszuschließen“. Nicht unbedingt in einem bilateralen Konflikt, sondern eher als Teil „regionaler Auseinandersetzungen“. Im Klartext heißt das, wenn Moskau und Nato-Staaten militärisch gegeneinander losziehen würden.
Schwedische Aufrüstung: Bei einem Angriff Russlands gibt es keine Hilfsgarantien der Nato
Das jetzt neue definierte Ziel des allianzfreien Schweden mit den massiv erhöhten Militärausgaben lautet: Das Land soll in die Lage versetzt werden, einem Angriff drei Monate standzuhalten, „bis Hilfe von außen kommt“. Als eine Art Game Changer ins kollektive schwedische Gedächtnis eingegraben hat sich die 2012 gefallene Bemerkung des damaligen Armeechefs Sverker Göranson: „Wir können uns gegen einen Angriff ungefähr eine Woche aus eigener Kraft behaupten. Dann muss Hilfe von anderen Ländern kommen.“
Von wem? Schon lange gilt Schweden in Washington wie auch in Moskau als heimlicher Nato-Partner. Offizielle Sicherheitsgarantien aus Brüssel aber gibt es nicht, die militärische Zusammenarbeit innerhalb der EU entwickelt sich nur langsam. Enge sicherheitspolitische Beziehungen zu den USA seien für Schweden von herausragender Bedeutung, heißt es denn auch im neuen Verteidigungsplan. Weiter kann sich der Sozialdemokrat Hultqvist als Verteidigungsminister nicht vorwagen, denn der von bürgerlichen Parteien verlangte Nato-Beitritt ist für seine Partei weiter ein Tabu. Die rot-grüne Koalition setzt betont stark auf regionale militärische Kooperation mit den nordischen Nachbarländern.
Auch nach Steigerung der Militärausgaben: Schweden verpasst zwei Prozent Ziel der Nato
Im Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri ordnet Lucie Béraud-Sudreau die schwedischen Ausgabensteigerungen als „Fortsetzung einer schon 2014 eingeschlagenen Linie auf deutlich höherem Niveau“ ein. Sie sagte der FR weiter: „Auch der Wille zu kräftigen staatlichen Investitionen gegen den Abschwung infolge der Corona-Pandemie spielt hier sicher eine Rolle.“ Eine Sipri-Berechnung habe ergeben, dass Schweden nach Wirksamwerden der Steigerungen mit einem Anteil der Militärausgaben von 1,5 Prozent am BNP immer noch deutlich unter dem Nato-Ziel von zwei Prozent und in etwa gleichauf mit Ländern wie Deutschland liege. (Thomas Borchert)