Frühstart für den gigantischen Fehmarnbelt-Tunnel

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Molenbau für die Fehmarnbeltquerung: Vor der Insel Lolland sollen rund 2,3 Millionen Tonnen Granit das Fundament für einen Arbeitshafen legen.

Fehmarnbelt-Querung

Die Dänen baggern schon

  • von Thomas Borchert

Noch vor einem Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts gibt Kopenhagen den Startschuss für den Bau des Fehmarnbelt-Tunnels. Die Kritiker könnten am Ende in die Röhre schauen.

Die Ostsee trennt Deutschland und Dänemark am Fehmarnbelt nur über 18 Kilometer. Aber wenn es um das gigantische Tunnelprojekt unter dieser Meeresenge geht, liegen Welten zwischen beiden Ländern. Während ab Ende September vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erst noch über deutsche Klagen gegen den Bau verhandelt und entschieden werden muss, sind auf dänischer Seite schon die Bagger munter in Aktion.

Vor Rødbyhavn schaufeln sie seit ein paar Wochen 2,3 Millionen Tonnen Granit als Mole für einen Arbeitshafen ins Wasser. Von hier aus sollen die 200 Meter langen, 70 000 Tonnen schweren Tunnelelemente zu ihrem Bestimmungsort geschleppt und am Meeresgrund zum längsten Senktunnel der Welt zusammengefügt werden.

Kurz vor den Sommerferien hat die Kopenhagener Regierung mit breiter Unterstützung im Parlament den Baubeginn für die Tunnelelementefabrik und das dänische Zufahrtsportal auf den 1. Januar 2021 festgesetzt. Dänemarks Verkehrsminister Benny Engelbrecht freute sich über den Schub für die von Corona bedrohte Bauindustrie und verkündete forsch, Leipzig werde allenfalls zu „ein paar Änderungen bei den deutschen Anbindungsarbeiten“, aber kaum zu einer Totalblockade des gewaltigen Bauprojektes führen.

Dänemark will die 7,1 Milliarden Euro für den Tunnelbau allein aufbringen. Auf die deutsche Seite kommen noch mal bis zu 3,5 Milliarden Euro für den Ausbau von Straßen- und Schienennetz quer durch Schleswig-Holstein hinzu. Wenn es nach Plan läuft, soll sich ab 2029 die Fahrzeit zwischen Kopenhagen und Hamburg von fünf auf vier Stunden für Autofahrer und von „rund fünf auf deutlich unter drei Stunden“ (so das Werbematerial der Tunnelbauer) mit der Bahn verkürzen.

Dass ganz und gar nicht alles nach Plan läuft, zeigt für Tunnelgegner der Beschluss zum Baubeginn noch vor dem Leipziger Gerichtsentscheid. Malte Siegert vom Naturschutzbund Deutschland (Nabu) nennt ihn „überraschend und skandalös“. Man müsse „schon fragen, ob hier Fakten geschaffen werden, um das Gerichtsverfahren zu beeinflussen“. Eine Sprecherin der staatlichen dänischen Bau- und Betreibergesellschaft Femern A/S antwortet: „Wir haben größten Respekt vor dem Bundesverwaltungsgericht und werden die Entscheidung selbstverständlich akzeptieren.“ Aber ein endgültiger Baustopp gehöre nicht zu den denkbaren Szenarien, und schon immer sei ein früherer Baubeginn in Dänemark geplant gewesen.

Als „reine Panik“ kommentierte dagegen der Kopenhagener Ex-Verkehrsamtschef Knud Erik Andersen den schnellen heimischen Startschuss. Er sieht als Auslöser die Entscheidung der EU-Kommission vom März, wonach die bisher unbegrenzten und fast gebührenfreien Kopenhagener Staatsgarantien für die Kreditfinanzierung der 7,1 Milliarden Euro auf 16 Jahre befristet werden müssen. Das könnte bisher sicher geglaubte private Investoren abspringen lassen, meint Andersen und kommt zum selben Schluss wie auf der anderen Seite der Ostsee Nabu-Sprecher Siegert: „Das Projekt soll um jeden Preis unumkehrbar gemacht werden, und sei es um den Preis, dass am Ende die Steuerzahler zur Kasse gebeten werden.“

Riffe bedroht

Zu den Klägern gegen den Tunnel gehört auch der Naturschutzbund Deutschland. Der Nabu befürchtet schwere Schäden in der Natur und verweist auf Fischlaichgebiete und artenreiche Sandbänke in dem Gebiet. In Gefahr seien auch Riffe in der Meerenge zwischen Fehmarn und Lolland, die sich laut Nabu über mehrere Quadratkilometer erstrecken. Riffe seien sehr artenreiche, mittlerweile seltene und deshalb streng geschützte Strukturen. In den finalen Planungsunterlagen der Tunnelbauer seien diese Riffe aber gar nicht verzeichnet, kritisiert der Nabu. 

 

Denen ist eigentlich ein Bau ganz ohne Belastung der Staatskasse versprochen. Wie schon bei der 1998 eröffneten innerdänischen Großen-Belt-Brücke und zwei Jahre später bei der dänisch-schwedischen Øresund-Querung sollen die rein privaten Baukredite durch Mauteinnahmen abgetragen werden.

Als zwei Monate vor Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 der damalige SPD-Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee in Kopenhagen den Staatsvertrag zur Fehmarnbelt-Querung unterschrieb, staunte Deutschland über die lässige Ankündigung aus dem kleinen Dänemark, die Baukosten der Querung allein zu wuppen. Nach dem Motto: Kein Problem, wir haben ja das größere Interesse an der Verbindung, sind die besseren Brückenbauer und mit unserer Kaufmannsschläue ganz schön reich geworden.

Nicht auf dem Schirm hatten die skandinavischen Optimisten, dass in Deutschland bei gigantischen Bauprojekten sowohl die Stimmungs- wie auch die Rechtslage eine ganz andere ist. Das war auch schon vor Stuttgart 21, der Kostenexplosion bei der Hamburger Elbphilharmonie sowie dem Berliner Flughafendesaster so. Seitdem erst recht. 2008 formierte sich auf dem direkt betroffenen Fehmarn sofort massiver Widerstand gegen die Aussicht auf donnernde Hochgeschwindigkeitszüge und dichten Autobahnverkehr quer über die stille Ferieninsel.

Dass aus dem ursprünglich vereinbarten Eröffnungsjahr 2018 für die Ostseeverbindung inzwischen 2029 geworden ist, führen dänische Projektbeteiligte (seufzend) auf die viel umständlicheren deutschen Genehmigungsverfahren sowie extensiv genutzte Einspruchs- und Klagemöglichkeiten vor Gericht zurück.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht klagt neben der Stadt Fehmarn und den Umweltschützern auch die Scandlines-Reederei, auf deren Schiffen man bisher in 45 Minuten zwischen Rødby und Puttgarden hin- oder herschippern kann. Sie sieht die freie Konkurrenz durch den staatlich subventionierten Tunnelbau außer Kraft gesetzt. Bad Schwartau klagt mit, weil die geplante Hochgeschwindigkeitstrasse der Bahn mitten durch ihr Zentrum eine Menge Lärm mit sich bringt.

Außerhalb des Gerichtssaals wird auch vor allem in Deutschland gestritten, ob es überhaupt einen Bedarf an diesem gigantischen Ausbau der Infrastruktur gibt. Femern A/S geht in einer seit 2014 unveränderten Verkehrsprognose davon aus, dass 2030 jeden Tag 12 000 Pkw und Lkw den Tunnel gebührenpflichtig nutzen werden. Das wären dreimal so viele, wie Scandlines 2019 auf Fähren beförderte. In den vergangenen zwölf Jahren ist aber das Verkehrsaufkommen hier so gut wie ununterbrochen zurückgegangen.

Politisch kann das Mammutprojekt in Dänemark nur mit der Aussicht auf massiv mehr Individual-Straßenverkehr als Einnahmequelle für die Finanzierung gerechtfertigt werden. Kopenhagener Politiker kommen damit trotz „Fridays for Future“-Bewegung und Corona-Pandemie nach wie vor recht unangefochten durch.

In den Chor der Kritiker hat 2019 auch der Bundesrechnungshof eingestimmt, als er die ursprünglich auf 800 Millionen Euro veranschlagten Anbindungskosten für Deutschland auf 3,5 Milliarden Euro hochrechnete und zu dem Schluss kam: „Angesichts der aktuellen Verkehrsprognosen ist es fraglich, ob der Nutzen des Projekts so steigt, dass die zu erwartenden Kosten unter wirtschaftlichen Aspekten gerechtfertigt sind.“

 

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