Interview
„Viele werden ihre Militärhaushalte kürzen“
Sipri-Forscher Pieter Wezeman zu den Folgen der Pandemie für die globalen Rüstungsausgaben.
Herr Wezemann, wird die Corona-Pandemie den Anstieg der Militärhaushalte fast überall auf der Welt stoppen?
Natürlich werden die Länder weniger zum Ausgeben haben und viele ihre Militärhaushalte kürzen. Aber es gibt auch gegenläufige Tendenzen. In Frankreich zum Beispiel sagte das Verteidigungsministerium, nein, man müsse jetzt im Gegenteil mehr Geld vor allem für die militärische Ausrüstung bereitstellen. Denn Hilfe für die Rüstungsindustrie bedeute Hilfe für die Wirtschaft insgesamt. In Deutschland könnte ich mir vorstellen, dass man sagt: Wie können wir Airbus, zusammen mit Frankreich, am Leben erhalten? Eine Möglichkeit wäre, die Bestellung der geplanten 90 Eurofighter vorzuziehen. Norwegen hat gerade erst, obwohl schon die Corona-Krise ausgebrochen war und noch der extreme Einbruch des Ölpreises dazukam, eine Steigerung der Militärausgaben für die kommenden Jahre angekündigt.
Lässt sich da etwas aus der Entwicklung nach der letzten globalen Finanz- und Wirtschaftskrise lernen?
Es wird natürlich scharfe Konflikte geben. Nach 2010 haben viele europäische Staaten ihre Militärausgaben drastisch gekürzt, zum Beispiel im Baltikum, obwohl sie auch damals schon eine zunehmende Bedrohung durch Russland annahmen. Sie hatten einfach keine Ressourcen mehr für mehr Militär. Jetzt dürften diverse Staaten extrem unterschiedliche Konsequenzen ziehen, die abhängig sind von jeweiligen Bedrohungsszenarien und der Bedeutung der Rüstung für die eigene Wirtschaft.
Deutschland hat 2019 die Rüstungsausgaben am kräftigsten unter den weltweit führenden Staaten angehoben. Wird Berlin jetzt zur führenden Militärmacht in Europa?
Ja, wenn die Regierung weiter die von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer anvisierte 2-Prozent-Marke beim Bruttoinlandsprodukt erreichen will. Aber das ist ja stark umstritten und durch die Pandemie zusätzlich infrage gestellt. Man kann im Moment beim besten Willen keine Vorhersagen machen. Zu beachten ist auch, dass sich Frankreich und Großbritannien nach wie vor stärker als global agierende Militärmächte verstehen.
Interview: Thomas Borchert