Dänische Regierung will Neugeborene ausbürgern
Sippenhaft für Babys von IS-Kämpfern
Dänemark will im Ausland geborenen Kindern von IS-Kämpfern die Staatsbürgerschaft verweigern. Das Land verabschiedet sich so von Menschenrechtskonventionen.
Neugeborene für die Sünden ihrer Eltern bestrafen: Diese Idee wie aus dem Mittelalter hat die dänische Regierung einem Gesetzentwurf zugrunde gelegt, mit dem sie erneut maximale Härte gegenüber dänischen IS-Kämpfern demonstrieren will. Geht der Entwurf des sozialdemokratischen Ausländerministers Matthias Tesfaye durchs Parlament, bekommen Kinder nach der Geburt in einem für Dänen verbotenen Kampfgebiet – im Klartext Syrien und Irak – nicht wie bisher die Staatsbürgerschaft ihrer Eltern zuerkannt. Sie werden staatenlos gemacht und damit aller Schutzrechte für dänische Staatsbürger beraubt.
Was dahintersteht, zeigte vor einem halben Jahr der Kampf eines schwedischen Großvaters, seine sieben kranken, unterernährten und elternlosen Enkel aus der Hölle des Lagers Al-Hol für IS-Kämpfer und deren Familien in Syrien heimzuholen. Erfolgreich war er nur, weil die Regierung in Stockholm nach langem Zögern die Verantwortung des eigenen Landes für diese Kinder anerkannte.
Kriminell qua Herkunft
Kopenhagen hat bisher die Rückholung solcher Kinder rigoros abgelehnt. Und jetzt geht die Regierung noch einen Schritt weiter, wohl wissend, dass die Mehrheit der Wählerschaft maximale Härte gegenüber IS-Kämpfern der Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonventionen vorzieht. Im dänischen Gesetzentwurf schlägt sich das unübersehbar nieder, wenn etwa mehrfach von „kriminellen Kindern“ qua Herkunft die Rede ist.
Die Begründung kommt nationalistisch wabernd daher: „Diese Kinder werden von Eltern zur Welt gebracht, die Dänemark und dänischen Werten den Rücken zugekehrt haben. Sie wachsen unter Verhältnissen auf, bei denen nicht zu erwarten ist, dass eine Zugehörigkeit zu Dänemark und den dänischen Werten geschaffen wird.“ Auf den einhelligen Aufschrei aller rechtspolitisch wichtigen Stimmen in Kopenhagen hat Minister Tesfaye, gerade selbst wieder Vater geworden, nachdenklich reagiert: „Ich muss zugeben, dass es mich auch bekümmert, ob Kinder möglicherweise ohne Eltern und Staatsbürgerschaft in Kriegszonen stranden.“ Das werde auch die endgültige Vorlage des Gesetzestextes widerspiegeln.
Rechtsstaat gegen Regierung
Dass mögliche Änderungen der Vorlage aber nichts an der grundlegenden Kopenhagener Linie ändern, hat Premier Mette Frederiksen in dieser Woche demonstriert: Als Dänemark aus der Türkei einen heimischen IS-Kämpfer per Flugzeug „zugeschickt“ bekam, donnerte sie: „Es ist doch vollkommen verrückt, dass wir solche Menschen entgegennehmen müssen.“ Die internationalen Konventionen würden den IS-Kämpfer stärker schützen als Dänemark.
Die Faktenlage: Der 28- Jährige, ausschließlich dänischer Staatsbürger, wurde sofort bei der Ankunft auf dem Flugplatz Kastrup festgenommen und am Tag danach dem Haftrichter vorgeführt. Dänemarks Justiz hatte zuvor mehrfach seine Auslieferung von der Türkei verlangt, wo er bereits wegen der IS-Aktivitäten verurteilt worden ist. In Kopenhagen steht ihm nun ein Prozess bevor, weil er andere zum Djihad aufgefordert sowie in einem Video mit Maschinenpistole auf Fotos bekannter dänischer Politiker gefeuert hat.
Der dänische Rechtsstaat geht seinen Gang, aber das reicht der Regierung längst nicht. Seit kurzem kann der Ausländerminister IS-Kämpfern mit doppelter Staatsbürgerschaft die dänische ohne Gerichtsverfahren aberkennen. Frederiksen legt jetzt einen drauf: „Ich habe den Justizminister angewiesen, die Möglichkeit weiterer Verschärfungen zu prüfen.“ Dänemarks Regierung ist offenbar ernsthaft dabei, sich aus dem System internationaler Menschenrechtskonventionen zu verabschieden.