Es läuft alles wie von selbst für die Rechte in Schweden

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Schießerei in Malmö:

Noch mehr Gift für Schwedens Wahlkampf

Drei Tote in Malmö heizen die populistische Stimmung weiter an. Expertenvorschläge für Prävention werden ignoriert, die Politik setzt vor allem auf Härte.

21. Juni 2018
Schweden
Ermittler am Tatort in Malmö. Foto: afp

 

Es ist ein düsterer Auftakt für das nahende Mittsommer-Wochenende, wenn halb Schweden zum schönsten und hellsten Fest des Jahres aufs Land pilgert. Nach der Ermordung von drei jungen Männern in Malmö, vermutlich mit Maschinenpistole aus einem fahrenden Auto, kommentierte die liberale Zeitung „Dagens Nyheter“ mit hilflosem Unterton: „800 organisierte Kriminelle können doch nicht ein ganzes Land mit zehn Millionen Bürgern in Geiselhaft nehmen“. Doch genau danach sieht es aus.

Denn diese bisher folgenreichsten Schüsse in einer langen Kette von tödlichen Banden-Konflikten sind pünktlich zum Wahlkampfauftakt mit Zuwanderung und Kriminalität im Zentrum abgefeuert. Nach allen Erfahrungen seien Racheaktionen zu befürchten, verkündet die Polizei in Schwedens drittgrößter Stadt mit gut 300 000 Einwohnern. Seit 2016 sind hier bei Schießereien 22 Menschen ums Leben gekommen.

Alle Opfer waren männlich, fast alle jung sowie mit Migrationshintergrund als aktiv im Bandenmilieu polizeilich bekannt. Auf ganze 200 beziffert Experten die Gesamtzahl der Aktiven in Malmö sowie jeweils 300 in den beiden größten schwedischen Metropolen Stockholm und Göteborg. Alles in allem also 800, wobei die Gangs im Zentrum Südschwedens mit Abstand die erschreckendste Gewaltstatistisk produzieren: Drei bis vier konkurrieren hier um den Drogenmarkt und haben mit dem benachbarten Kopenhagen samt Anbindung an das europäische Festland leichter Zugang sowohl zu ihrem Rohstoff wie auch zu Waffen aller Art.

Ethnische Zugehörigkeit ist nicht prägend

Daniel Vesterhav, Experte vom staatlichen „Rat für Verbrechensvorbeugung“, muss immer wieder kommentieren, warum im sonst eher friedlichen und mit rückläufiger Kriminalität gesegneten Schweden Jugendliche aus zugewanderten Familien einander umzubringen versuchen. Nicht die ethnische Zugehörigkeit ist für ihn prägend, sondern die gemeinsame Verankerung in „Problemvororten“ mit hohem Migrantenanteil. Hier sei die kriminelle Aktivität für viele der Weg zu „einem Netzwerk, das bei Konflikten Schutz bietet und in dem man so etwas wie ein Schreckenskapital bei anderen aufbaut“, sagte Vesterhav im Fernsehen. Was tun? „Gegen die kriminellen Netzwerke muss man langfristig arbeiten. Die Polizei reicht da nicht, es bedarf auch sozialer Einsätze.“

Bei letzteren geht es oft um langfristige und in diesen Social-Media-Zeiten wenig schlagzeilenträchtige Fragen wie dem sozialen Wohnungsbau. Auch die massive Zentralisierung bei der Polizei mit weniger direktem Kontakt zu Bürgern kommt nur ganz unten bei den Erklärungsversuchen vor. Trotzdem war nach vielen Kraftanstrengungen in Malmö die Zahl der Bande-Schießereien 2017 deutlich zurückgegangen.

Wenn es jetzt wieder in die andere Richtung geht, hat niemand in der Stockholmer Politik mehr ein Ohr für komplexe Zusammenhänge und keine Zeit, sich dieser anzunehmen. Am 9. September wird der Reichstag neu gewählt. Auch schon vor dem dreifachen Mord in Malmö haben die rechtsextremen Schwedendemokraten in Umfragen die stetig nach unten sackenden Sozialdemokraten fast eingeholt.

Sie predigen seit vielen Jahren, dass die Zuwanderer Schweden in ein Paradies für Kriminelle verwandeln und verlangen den Einsatz der Militärs dagegen. Alle Experteneinwände gegen derlei Stammtischparolen haben den sozialdemokratischen Regierungschef Stefan Löfven nicht davon abgehalten, solche Militäreinsätze „nicht auszuschließen“.

Die schwedischen Sozialdemokraten haben sich entschieden, bei ihrem Wahlkampf selbst ganz oben mit Law&Order-Parolen für einen „stärkeren Staat und ein sichereres Schweden“ zu werben. Löfven konkurriert mit seinem konservativen Herausforderer Ulf Kristersson darum, wer die schärfsten Verschärfungen für Bandenkriminelle verlangt. Kristersson seinerseits wetteifert mit den Schwedendemokraten darum, wer das finsterste Bild von Schweden mit knackigen Vergleichen an die Wahlkampf-Wände malen kann: „Wir haben in unseren Städten zehnmal so viele Schießereien wie in Deutschland.“ Aber die Schwedendemokraten lassen sich nur schwer überholen und machen immer neue Fässer auf. Björn Söder, für die drittgrößte Partei auch Vize-Präsident im Reichstag, twitterte Anfang der Woche, Juden und Angehörige der samischen Urbevölkerung könnten keine Schweden sein.

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