Kopenhagener Wahrzeichen niedergebrannt

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Entsetzen in Kopenhagen nach Brand der Alten Börse

Stand: 16.04.2024, 16:52 Uhr

Von: Thomas Borchert

Ein Feuer zerstört die Alte Börse – das 399 Jahre alte Wahrzeichen der dänischen Hauptstadt Kopenhagen stürzt teilweise ein

Das historisch beneidenswert erhaltene Zentrum von Kopenhagen hat sein vielleicht schönstes und knapp 400 Jahre altes Wahrzeichen verloren. Kurz vor dem Jahrhundert-Geburtstag der 1625 fertiggestellten Alten Börse im Herzen von Dänemarks Hauptstadt brach das Feuer während Renovierungsarbeiten unter dem Dachstuhl aus. Als am Dienstagvormittag live im Fernsehen mit anzusehen war, wie Flammen die Turmspitze mit vier ineinander verschlungenen Drachen aus 72 Meter Höhe zum Einsturz brachten, haben viele Menschen gedacht (und sogleich massenhaft gepostet); „Das ist wie Notre Dame,“ oder „Unser Notre Dame.“

Sie hatten frisch vom Vortag die Berichte zum fünften Jahrestag der Brandkatastrophe im Dachstuhl der weltberühmten Pariser Kathedrale in Erinnerung. Genau wie dort kam auch in Kopenhagen kein Mensch zu Schaden, und dass Frankreich jetzt den erfolgreichen Abschluss des Wiederaufbaus feiern kann, dürfte ebenso Trost vermitteln.

Ansonsten aber herrschte blankes Entsetzen. Sofort nach dem ersten Brandalarm bei strahlendem Sonnenschein rannten Beschäftigte von Dänemarks in der Börse untergebrachten Gewerbeverband durch das Gebäude, um möglichst viele Gemälde und andere historische Kostbarkeiten zu retten. Das scheint in hohem Maß gelungen zu sein, da die Flammen zunächst nur direkt unter dem Dach wüteten. Allerdings lieferten ihnen nach Aussage der Feuerwehr unendlich viel Holz in der Konstruktion und viele Hohlräume beste Bedingungen, um sich nach unten durchzufressen. Auch das Kupferdach, das jede Abkühlung der Brandhitze nach oben verhinderte, und die Ummantelung des Gebäudes durch ein Baugerüst mit Plastikabdeckung erschwerten die Löscharbeiten enorm.

Ein Teil dänischer Geschichte

„400 Jahre Kulturerbe stehen in Flammen,“ kommentierte der dänische Kulturminister Jakob Schmidt Engel. Die Börse, ein elegant längliches Gebäude im niederländischen Renaissance-Stil mit seiner seit 1625 weithin sichtbaren Turmspitze, ist Kopenhagens vermutlich meistfotografiertes Wahrzeichen nach der Kleinen Meerjungfrau. Sie hat fast 300 Jahre mehr geschichtliches Patina als die kleine Figur aus Hans Christian Andersens Märchenwelt am Hafenkai Langelinie, ein bisschen außerhalb.

Die Börse, direkt neben dem Parlamentssitz Schloss Christiansborg („Borgen“), steht viel stärker auch als Symbol für einen Teil der dänischen Geschichte, auf den man im Königreich gemeinhin stolz ist. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen formulierte, beim Einsturz der Turmspitze habe es ein landesweites „Aufstöhnen“ gegeben: „Das tat der dänischen Volksseele weh, weil es um hunderte Jahre unserer Geschichte geht.“

König Christian IV. (1577-1648) hatte Großmachtambitionen nach außen und wollte dazu passend seine Hauptstadt gestalten. Während er als Kriegsherr unter anderem im Dreißigjährigen Krieg wenig erfolgreich war, gilt dieser König seinen Landsleuten bis heute als wagemutiger und vielleicht erfolgreichster Baumeister aller Zeiten in Kopenhagen. Die Börse ließ er buchstäblich auf Wasser bauen. Ihr Fundament ist, wie später auch diverse benachbarte Ministerien im Regierungsviertel Slotsholmen, dem Meer abgerungen. Den Namen verdankt sie nicht Aktiengeschäften, sondern der ursprünglich hier betriebenen Lagerung und dem Handel mit Korn.

Paradoxerweise gehört zu den Besonderheiten des Baus, dass er bis jetzt von Feuer verschont geblieben war. Andernorts gab es davon reichlich in Kopenhagens Mitte. Das Gebäude mit seiner roten Ziegelfassade hat nicht nur die umfassenden Stadtbrände 1728 und 1795 unbeschadet überstanden, sondern auch verheerende Feuer nebenan auf Schloss Christiansborg 1794 und 1884. Noch in den 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts brannten gleich nebenan ein historisches, jetzt für das Parlament genutztes Lagergebäude und die Schlosskirche auf der anderen Seite von Christiansborg.

Als fast sicher darf angenommen werden, dass Kopenhagen – wie Paris bei Notre Dame – mit dem Wiederaufbau der Alten Börse rechnen kann. Oberbürgermeisterin Sophie Hæstorp Andersen wie auch Kulturminister Engel versprachen sofort, „alles in ihrer Macht Stehende“ dafür zu tun. Außenminister Lars Løkke Rasmussen fand schon die Frage danach „überraschend“. Er sei zwar nicht zuständig, aber: „Natürlich werden die Menschen in Kopenhagen die ikonische Turmspitze wiedersehen.“

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