Wenn die Angehörigen eines Mordopfers ihre eigene Sprache finden
Mord an Kim Wall: Rückhalt für die Mutigen
Die Eltern der ermordeten Kim Wall vergeben Stipendien an Autorinnen.
26. März 2018

Die Eltern der in einem U-Boot ermordeten und zerstückelten Journalistin Kim Wall haben ihre ganz eigene Antwort auf das Verbrechen und dessen sensationslüsterne Ausschlachtung gegeben. Während vor einem Kopenhagener Gericht gegen den Besitzer des U-Bootes am vierten Verhandlungstag wieder grausamste Details verhandelt und sofort durch Live-Blogs von Medien verbreitet wurden, überreichten Ingrid und Joachim Wall in New York ein Stipendium über 5000 Dollar (4000 Euro) an eine Kollegin ihrer toten Tochter. Kim Wall wäre an diesem Freitag
31 Jahre alt geworden.
Die zwei Jahre ältere Dänin Anne Kirstine Hermann kann mit dem Geld ein Buchprojekt zur Zwangsassimilierung von Grönländern durch Dänemark als Kolonialmacht verwirklichen. Auch ihre Tochter habe als Freelance-Journalistin am liebsten Projekte mit „rebellischen Untertönen“ angepackt und denen eine Stimme gegeben, die man sonst nicht höre, sagte Ingrid Wall im Schwedischen Rundfunk. Sie ist selbst Journalistin, ihr Mann Pressefotograf. Mit den Spenden über bisher 200 000 Dollar für den „Kim Wall Memorial Fund“ soll, so die Mutter, Journalistinnen ohne Festanstellung ermöglicht werden, „anständig zu reisen, zu übernachten und, am allerwichtigsten, eine gute Versicherung abzuschließen.“
Die Tochter hatte im August von Kopenhagen aus den als „Erfinder“ in Dänemark bekannten Betreiber des kleinen U-Boots bei einer Ausfahrt für eine Reportage begleitet. Sie verschwand danach. Ihr Leichnam wurde als Torso an die Küste vor der dänischen Hauptstadt angeschwemmt sowie die restlichen Körperteile nach aufwändigen Suchaktionen im Wasser gefunden.
Seitdem hat der jetzt vor Gericht wegen Mord angeklagte U-Boot-Besitzer mit wechselnden, wirren Erklärungen zu Walls Tod und der Zerstückelung der Leiche in den Medien dankbare Abnehmer für fette Schlagzeilen mit seinem ständig herausgehobenen Namen gefunden. Er gibt die Zerteilung der Leiche im U-Boot samt Versenkung im Meer zu – aber bestreitet den Mord.
Die Stiftung finanziert sich auch durch eingeklagtes Geld
Aus dem Promi hat das einen Superpromi gemacht, von dem jedes Wort genauso schnell und unter scheinheiliger Berufung auf die „Chronistenpflicht“ weiterverbreitet wird wie grauseligste Details über den Zustand des Opfers und die aktuelle Kleidung des Mannes auf der Anklagebank. Immer gern unterlegt mit TV-Bildern beim Herumstolzieren nach der katastrophalen Ausfahrt im August 2017, als er der Polizei munter berichtete, er habe Kim Wall zwischendurch abgesetzt.
Kim Walls Eltern haben das Spektakel mit dem mutmaßlichen Täter in der Hauptrolle nicht mitgemacht. Als ein dänischer Reporter sie bei der Überreichung des Stipendiums in New York fragte, ob sie dem Mörder ihrer Tochter „jemals verzeihen könnten“, schüttelten beide stumm den Kopf. Wie der Frager vom Boulevard-Blatt „B.T.“ selbst berichtete, nicht als Antwort, sondern als Verweigerung derselben. Ihre Begeisterung über das Leben und die Arbeit der Tochter dagegen machen sie bereitwillig öffentlich und sagten vor den in New York versammelten US-Freunden und Kollegen Kim Walls, dieser Geburtstag sei auch ein Grund zum Feiern.
Der Vater hatte zum Gedächtnisfonds unter anderem beigetragen, indem er von Medien Geld eintreiben ließ, die seine auf einer eigenen Internetseite ausgelegten Kindheitsvideos der Tochter unter Verletzung des Copyrights übernommen hatten: „Wie rücksichtslos, aus diesem tragischen Ereignis Kapital schlagen. Sie stehlen damit auch Kim.“ Die Mutter sagte über die Verleihung des Stipendiums zusammen mit Freunden ihrer Tochter: „Wir sind einander näher gekommen. Das ist ein Trost in diesem Elend.“ Das Stipendium soll von jetzt an jährlich über die „Internation Women’s Media Foundation“ (IWMF) vergeben werden.