Frankfurter Rundschau
Haft auf unbegrenzte Zeit und andere Härten
Von Thomas Borchert
So läuft es in einem traditionell liberalen Land, wenn rechte Populisten in der Asyl- und Terrordebatte die Macht erobert haben: Dänemarks Regierung jagt bis zum Wochenende 34 drastische Verschärfungen des Ausländerrechts im Eilverfahren durch das Kopenhagener Parlament. „Ausländer können jetzt auf unbestimmte Zeit inhaftiert bleiben“, titelte die nationale Nachrichtenagentur Ritzau zu einem der beschlossenen 13 Punkte. Danach können Asylbewerber künftig ohne den bisher nach 72 Stunden automatisch fälligen richterlichen Beschluss für eine nicht näher definierte Zeit festgehalten werden.
Ein besonders drastisches Beispiel für den Katalog der Asylrechtsverschärfungen regelt, dass Asylbewerber umfassend zahlungspflichtig werden sollen. Auszug aus dem amtlichen Text:
„Die Regierung will der Polizei ermöglichen, einen Asylbewerber sowie dessen Gepäck zu durchsuchen, um Geld und Wertgegenstände zur Sicherung des Unterhalts des Betreffenden zu sichern. (…) Bargeld und Wertgegenstände, die zur Sicherung eines bescheidenen Lebensstandards nötig sind, werden (von einer Beschlagnahme) ausgenommen.“ Nicht ausgenommen sind „Gegenstände von besonderer Bedeutung für den Asylbewerber, wenn sie einen solchen Wert haben, dass dies konkret nicht angemessen erscheint.“
Hinzukommen soll an diesem Freitag unter anderem die Bestimmung, dass Asylbewerber und deren Gepäck auf Wertgegenstände durchsucht werden.
können, damit die Betroffenen einen möglichst hohen Anteil der anfallenden Kosten für ihre Aufnahme selbst tragen. Zugleich werden die im Sommer schon halbierten Geldleistungen für Flüchtlinge weiter drastisch gekürzt. Das Strafmaß für Betteln wird verdoppelt, die Wartezeit für den Familiennachzug bei Syrern von einem auf drei Jahre verdreifacht. Und anderes mehr. Ausländerministerin Inger Støjberg sagte zu der ebenfalls im Eilverfahren verfügten Errichtung von Zeltdörfern für männliche Flüchtlinge im Winter, trotz bisher ausreichender Kapazitäten: „Wir tun das Maximale, damit wir nicht in eine Situation kommen, in der es attraktiver ist, nach Dänemark statt in eins unserer Nachbarländer zu kommen.“ Ein ehrlicher dänischer Minister-Gruß an die Kollegen in Berlin und Stockholm bei ihrem mitunter verzweifelten deutsch-schwedischen Ringen um eine humane und funktionierende Flüchtlingspolitik.
Dabei hatte der liberale Regierungschef Lars Løkke Rasmussen im Sommer im Berliner Kanzleramt der Gastgeberin noch ausdrücklich zugestimmt: „Das Flüchtlingsproblem können wir nur gemeinsam in Europa lösen.“ In der Praxis winkten dänische Zöllner und Polizisten auf Anordnung von oben fast alle der im Sommer aus Deutschland ankommenden Flüchtlinge durch nach Schweden.
Die bisher in Kopenhagen registrierte Zahl von 13 000 Asylbewerbern nimmt sich bescheiden aus gegenüber den in Deutschland für 2015 erwarteten mehr als einer Million sowie der schwedischen Zahl von bis zu 200 000. Nur dass eben auch hier die Regierungen zunehmend auf die Bremse treten, so dass die Zahlen der dänischen Ausländerbehörde mittlerweile nach oben gehen. „Das Bollwerk ist nicht mehr stark genug“, kommentierte der Regierungschef den Anstieg der Asylanträge von 1900 im August auf 3500 im Oktober.
Jetzt wird das „Bollwerk“ mit einem „wahren Maßnahmen-Tsunami“, so ein Kopenhagener Kommentator, aufgerüstet. Dabei ist die Aufnahme- und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung immens. Es gibt auch nur sehr begrenzte Kapazitätsprobleme. Aber Rasmussen hat Abstimmungstermine im Nacken. Im Juni kämpfte er um die Ablösung von Mitte-Links mit dem Wahlversprechen, unter allen Umständen die Zuwanderungszahlen zu senken. Sonst könne man ihn als „Fiasko“ einstufen. Für ein am 3. Dezember anstehendes Referendum über bisherige dänische EU-Rechtsvorbehalte hat Rasmussen hoch und heilig versprochen: Dänemark werde sich an einer gemeinsamen europäischen Flüchtlingspolitik nicht beteiligen, „bis die Sonne ausgebrannt ist“.
„Ein fantastisches Versprechen“, lobte ihn dafür Kristian Thulesen Dahl, Chef der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF). Ohne Dänemarks zweitstärkste Partei als Mehrheitsbeschafferin wäre Rasmussen nicht ins Amt gekommen. Wenn er deren Ausländer-Agenda nicht ausführt, ist er bald nicht mehr Premier. Die DF hat den dänischen Streit um das Verhältnis zu Zuwanderern in den letzten 15 Jahren so klar für sich entschieden, dass alle großen Parteien nicht nur die Politik der Populisten übernommen haben, sondern auch deren Sprache. Der erste und fast einzige Einwand der sozialdemokratischen Oppositionschefin Mette Frederiksen gegen die neuen Verschärfungen der Asylregeln ging so: Man müsse besser sicherstellen, dass etwaige Asyl-Mehrkosten auf keinen Fall zulasten der „Wohlfahrt für die Dänen“ gehe.