Wahlkampf: “Dänische Jobs&Löhne den Dänen” rufen alle im Chor
Der zweite Kommentar in “Jyllands-Posten” als “Wahlbeobachter” (auf Dänisch). Hier die deutsche Übersetzung:
Dieser nationalistische Wahlkampf ist zugeschnitten auf Leute wie mich. “Kommer du til Danmark, skal du arbejde” – Jeps, done, seit ich 1983 eingewandert bin. “Det skal betale sig at arbejde.” Jeps, das hat es. Als ausländische Arbeitskraft in Dänemark hab ich, auch mit Spitzensteuersatz, im Prinzip immer das Gefühl gehabt, dass die Gegenleistungen von ok waren. Herzlichen Dank vor allem, dass unsere drei Kinder hier unter so guten Bedingungen groß werden konnten.
Alles bestens, offenbar auch von der anderen Seite aus. Auf einer Venstre-Wahlannonce (Liberale Partei, stellt den Herausforderer der sozialdemokratischen Regierungschefin) lobt Lars Løkke Rasmussen den Einsatz von uns “Zuwanderern in Arbeit”: “Jedes mal, wenn ein Ausländer nach Dänemark kommt, um zu arbeiten, werden wir reicher.” Der Zugang zum Land soll uns “leicht integrierbaren Ausländern” leicht gemacht werden, findet er. Das leuchtet sofort ein, vermehren wir doch durch unsere Arbeit den Reichtum hier.
Umso überraschender kam dann die jetz von allen Seiten zu hörende Mitteilung, dass unser Einsatz leider doch nicht positiv zählen kann. Helle Torning-Schmidt (sozialdemokratische Regierungschefin) warf ihrem Konrahenten im zweiten TV-Duell vor, dass er sage und schreibde “die halbe Welt” eingeladen habe, oder alternativ, “600 Millionen, die für Niedriglöhne nach Dänemark kommen sollen.” Wow.
Løkke hatte diese WM in Zahlenakrobatik gegen Ausländer selbst in Gang gesetzt: Von den neu geschaffenen Jobs seit 2011, mit denen sich die Regierung brüste, seien nur 700 an Dänen gegangen.
20 000 von 20 717 im Privatsektor hätten wir Ausländer bekommen – und, so war es zu verstehen, den Dänen weggeschnappt. Das erhöht natürlich auch nicht unsere Popularität.
Thorning zerpflückte dieses Rechenkunststück und fügte hinzu: “Im Übrigen ist es wohl besser, wenn Ausländer Arbeit haben und Steuern zahlen, als wenn sie Sozialleistungen beziehen.” Wir nicken – von unserer Seite des Zaunes.
Lars gab nicht auf. Er schlug einen Spaziergang zum Metro-Bauplatz im Kopenhagener Untergrund und zu den Hotels mit den vielen ausländischen Arbeitskräften vor.
Er ist zusammen mit Helle sicher auch herzlich willkommen im Krankenhaus von Nykøbing auf Falster, wo meine Frau arbeitet (Provinkrankenhaus, das ohne ausländische Arbeitskraft ziemlich schnell zusammenbrechen würde).
Løkke legte eine Zahl nach: “Es sind 6500 weniger dänische Staatsbürger in Arbeit als 2011.” Jetzt sprach er plötzlich vom öffentlichen Dienst. In dem hart gespart wird. Dass ganz einfach weniger ethnische Dänen auf dem Arbeitsmarkt sind, ließ er auch unerwähnt. Das grundlegende Problem für ihn: “Es sind so viele Ausländer hereingekommen.”
Also was nun? Sollen wir Ausländer kommen, arbeiten und den dänischen Reichtum mehren? Oder doch lieber ganz wegbleiben. Løkke hat ja ein Ziel: “Wir wollen es so einreichten, dass mehr Dänen in Arbeit kommen.” Thorning legte noch einen Zahn zu: “Ich mache keinen Hehl daraus, dass nach meiner Überzeugung dänische Jbs in erster Linie an Dänen gehen sollen.”
Nach meiner Überzeugung wissen beide Spitzenkandidaten als intelligente, durchglobalisierte Technokraten und auch als nüchtern denkende EU-Anhänger ganz genau, dass ihre Parolen reiner Nonsense sind. Aber sie bringen Stimmen. Pia Kjœrsgaard (erfolgreiche Rechtspopulistin) glaubt daran und hat den (nicht nur in Dänemark) zunehmend nationalistischen Zeitgeist lange vor ihren Kollegen authentisch ausgedrückt.
Mit oder ohne Glauben, sie sagen nun alle dasselbe. So klar und einfach, dass auch wir Ausländer verstanden haben. Den Politikern helfen wir am besten, indem wir wegbleiben. Nein, nein, höre ich schon jetzt die Einwände: Sei nicht so empfindlich, du Luxus-Einwanderer und Besserwisser. Es geht ja nur um die billige osteuropäische Arbeitskraft
Vor der haben nicht so gut qualifizierte Dänen mit gutem Grund Angst. Um ihre Stimmen wird in diesem Wahlkampf besonders hart gekämpft. Deshalb hängen die Sozialdemokraten Plakate auf mit dem Slogan “Dänische Löhne für dänische Arbeit”. Die Verteidigung des relativ hohen Mindestlohnes hier im Land finde ich richtig. In meinem Geburtsland hat die drastische Senkung von Niedriglöhnen und von staatlichen Leistungen bei Arbeitslosigkeit die Gesellschaft extrem gespalten.
Das Plakat mit “danske lønninger til danske jobs” sah ich kurz nach der TV-Debatte mit dem Paarlauf von Løkke und Thorning um “dänische Jobs für Dänen”. Beides zusammen hat mich zusammenzucken lassen. Zu meiner eigenen Verwunderung. Ich dachte, ich wär abgehärteter.