“Im dänischen Wahlkampf wäre Merkel blitzschnell aussortiert.”

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Mein Kommentar in “Jyllands-Posten” als deutscher “valgobservatør” = “Wahlbeobachter”

auf Deutsch:

Wahlkampf in Dänemark ist für ausländische Journalisten leichte Arbeit geworden: Wer glaubwürdig die härteste Ausländerpolitik verspricht, gewinnt. Die Heimatredaktion nimmt Berichte darüber gerne. Simple Problemstellung mit Zündstoff. Klare Fronten, aggressive und einprägsame Zitate wie Sand am Meer. „Kommer du til Danmark, skal du arbejde.“ = “Kommst du nach Dänemark, musst du arbeiten,” Ah, die Rechtspopulisten! Nein? Die sozialdemokratische Regierungschefin meint, sie muss auf Stimmenfang gehen mit der Botschaft, zu viele Zuwanderer wollten sich lieber durch ihr dänisches Leben nassauern als arbeiten?

Das macht neugierig, auch als Kontrast zum eigenen Land. Sie warnt vor “Kälte, ja sogar Hass” in den Herzen  ausländerfeindlicher Rechtspopulisten. Für den dänischen Wahlkampf mit den kalten Herzen als Rollenmodell ist Merkel komplett ungeeignet.

Aber Vorsicht! Als deutscher Korrespondent in Kopenhagen muss man die heimische Begeisterung für das Nachbarland mit dem “glücklichsten  Volk der Welt” im Hinterkopf haben. „Das passt gar nicht zu meinem eigenen Eindruck,“ murmelte in Berlin ein Bundestagsabgeordneter von der Linkspartei, als ich ihm bei einer Zufallsbegegnung die dänische Lage erklärte: Bis auf eine haben alle Parteien die Ausländerpolitik von Dansk Folkeparti im Prinzip übernommen. Die Meinungsforscher sagen ihnen, dass ein harter Rambo-Ton gegenüber Muslimen am sichersten Stimmen bringt. Also macht man es. Auch die sozialdemokratische Regierungschefin. Damit ist Dänemark wirklich etwas Besonderes.

Als ich in der schönen Nordischen Botschaft am Berliner Tiergarten mit dem Abgeordneten sprach, ließen die Konservativen in Kopenhagen gerade ihre Plakate mit „Stop Nazi-Islam-isme“ drucken. Er konnte das gar nicht glauben und zweifelte hörbar an meinen Worten: Vielleicht war ich ein Querulant und Dänemark-Hasser? Es gibt solche Korrespondenten, ich kenne selbst ein paar. Mein Zufalls-Bekannter hielt mit Eindrücken von eigenen Besuchen dagegen. Überall in Dänemark habe er eine freundliche, pragmatische und optimistische Grundstimmung erlebt: “Das ist beneidenswert.“ So höre ich es immer wieder von Deutschen, egal wo sie politisch stehen. Selbst empfinde ich es auch so.

Umso mehr staunen deutsche Zeitungsleser über einen Wahlkampf mit Zuwanderern in der Sündenbockrolle und einem primitiven Wettlauf um das Prädikat “härteste Ausländerpolitik”. Wie passt das zusammen? Als Chronist muss man ein bisschen ausholen und zum Beispiel erklären, wann und wie der Wahlkampf ja schon vor langem begonnen hat: Als Venstre sich schon im letzten Sommer nach dem Studium von Umfragen entschied, mit dem Ausländerthema die Regierungsmacht zurückzuerobern.

Dafür musste das Thema nur erstmal wieder ins Zentrum gerückt worden. Venstres Fraktionschefin Inger Støjberg legte einen Kickstart. Sie sortierte Zuwanderr nach Religion und Herkunftsland. Beides ist ihr zufolge ausschlaggebend für “Willen und Fähigkeit” zu Integration. Ihr Artikel in “Berlingske” ist längst vergessen, aber das Signal kam an. Uffe Tang, DRs TV-Chefkommentator, schrieb ein paar Monate später: “…können die Bürgerlichen hoffen, dass die gute alte Ausländerkarte wieder als Trumpfas gegen eine Mittelinksregierung stechen wird. Deshalb ihre knallharten Attacken gegen die Regierung, dass sie hier butterweich sei. Das hat schon früher gut funktioniert.”  Tang meinte die drei Wahlen 2001, 2004 und 2007.

Die “Ausländerkarte” gehört seitdem zum politischen Alltagsgeschäft. Das werden die zweieinhalb Wochen bis zum Wahltag wieder zeigen. Schon dass der Begriff “Ausländerkarte ziehen” so normal geworden ist, zeigt, wie populistisch heruntergewirtschaftet die dänische Mainstream-Politik ist.

Als Beobachter von zehn Wahlkämpfen seit 1984 habe ich saftige Überraschungen erlebt. Vielleicht bringt dieser wieder welche. Vielleicht fordern dänische Wähler von ihren Politikern ein höheres Niveau als “Stoppt Islam-isme” und mehr Moral als “Kommst du nach Dänemark, musst die arbeiten”? Das würde die Berichterstattung ein bisschen komplizierter machen. Mehr Arbeit. Aber das wär dann mal egal.

One thought on ““Im dänischen Wahlkampf wäre Merkel blitzschnell aussortiert.”

    Helle Degnbol said:
    May 31, 2015 at 1:43 pm

    Tak, Thomas –

    Jeg har i de sidste par døgn kæmpet med de såkaldte udfordringer – leveret mig af min lille/store telefon og/eller mit store/lille dumme hoved (tildels overvundet, jubi).

    Troede i tlf.perspektiv, at din gode JP-sag var ca. 15 sider lang! og har ikke printerblæk nok… nu har jeg læst den macken, tak! jeg ser, at du får modspil (men hovedsagelig ikke aggressivt) i kommentarerne.

    Vi ses. Godt. h.

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