Schwedens Polizei in großer Not

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Stalking, Eifersucht und ein toter Polizeichef: Polizeiskandal erschüttert Schweden

24.02.2023

Von: Thomas Borchert

Nach Enthüllungen über eine umstrittene Liaison mit einer Kollegin wurde Vizepolizeichef Löfving tot aufgefunden. Seine Entlassung hätte wohl bevorgestanden.

Stockholm – Die ersten schnellen TV-Kommentare über die nun unausweichliche Entlassung von Schwedens langjährigem Vize-Polizeichef waren gerade gesendet, da wurde die Hauptperson um 19 Uhr tot im eigenen Haus aufgefunden. Mats Löfving wird am Mittwochnachmittag in den Medien verfolgt haben, wie die amtliche Untersuchung ihm „grobe Dienstverletzungen“ wegen der Liaison mit Linda Staaf, der von ihm 2015 ernannten Leiterin einer polizeilichen Ermittlungseinheit, bescheinigte: Er habe trotz „Befangenheit“ für eine Gehaltserhöhung gesorgt, die Genehmigung für eine Dienstpistole ausgestellt, Staafs Chefposition verlängert und grünes Licht für eine Nebenbeschäftigung gegeben.

Dass diese Nebenbeschäftigung im Abfassen eines Schwedenkrimis bestand, der seit letztem Jahr unter dem (übersetzten) Titel „Wolf im Schafspelz“ zu kaufen ist, gehört zu den vielen fast unglaublichen Details dieser Geschichte mit tragischem Ausgang. Auch am Tag danach gab es zunächst keine offizielle Angabe, ob Suizid die Todesursache war.

Schweden: Verstorbener Vizepolizeipräsident Löfving bestritt Affäre mit seiner Kollegin

Seit Monaten füllt die Beziehung zwischen Staaf und Löfving die Stockholmer Schlagzeilen – auch, weil beide öffentlich entgegengesetzte Erklärungen abgaben: Laut der 47-jährigen Staaf gab es eine Beziehung, aber nur vorübergehend und „oberflächlich“, was der 14 Jahre ältere Löfving bis zuletzt kategorisch zurückgewiesen hat: Da sei überhaupt nichts gewesen.

Bei der Präsentation der amtlichen Untersuchung am Mittwoch musste er aus dem Mund des Ermittlers Runa Viksten hören: „Es gibt keinen Zweifel, dass die beiden Polizeispitzen eine intime Beziehung hatten.“ Er werde Löfvings Dienstchef Anders Thornberg die Entlassung seines Stellvertreters nahelegen. Linda Staaf trat sofort nach dieser Bekanntmachung vor die Kameras. Für sie sei wichtig, dass abgesehen von der Befangenheit des Entscheiders alle Entscheidungen zu ihrer Karriere als inhaltlich korrekt eingestuft worden seien: „Die Untersuchung hat gezeigt, dass ich für den Dienst qualifiziert war.“

Schwedische Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Vizepolizeichef Löfving wegen Stalking

Sie sei Opfer einer Schmutzkampagne in den Medien gewesen, habe sich „einsam“ selbst dagegen verteidigen müssen und sei von der obersten Polizeiführung im Stich gelassen worden. Die Zeitung „Dagens Nyheter“ zitiert Staaf weiter: „Jetzt ist alles gut durchleuchtet, und ich hoffe, dass wir das Ganze ein für alle Mal hinter uns lassen können.“ Das erwies sich nur wenige Stunden danach als Irrtum.

Kurz vor Weihnachten hatte Staaf bei einer Tagung des deutschen Bundeskriminalamts als Expertin zum Thema „Schwere und Organisierte Kriminalität: Innovative Vorgehensweisen zur Ermittlungsoptimierung“ referiert. Etwa zur gleichen Zeit teilte sie mit, sie sei nun mit dem Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Michael Bydén, liiert, während gleichzeitig immer neue höchst überraschende Skandal-Details aus der Polizeispitze ans Licht kamen. So hatte sich Staaf Ende 2021 hilfesuchend an den internen Sicherheitschef der Polizei gewandt, weil sie sich offenbar von Löfving bedroht fühlte. Der Sicherheitschef zeigte diesen an, die Staatsanwaltschaft wurde wegen Verdachts auf diverse Vergehen aktiv, die sich als Stalking zusammenfassen lassen.

Polizei in Schweden gibt durch Skandal ein niederschmetterndes Bild ab

Die Ermittlungen waren relativ schnell und geräuschlos eingestellt worden. Staaf erklärte später, sie habe nur ihre „Unsicherheit“ wegen „Respektlosigkeit“ Löfvings zum Ausdruck bringen wollen. Ehe sie zum Jahreswechsel aus der Polizeizentrale ins Justizministerium wechselte, bezog sie in „Dagens Nyheter“ noch mal offensiv Stellung: „Es ist jetzt klar, dass viele Männer nicht klarkommen mit einer Frau, die Macht und Einfluss bekommt.“ Damit meinte Staaf, so ist zu vermuten, noch nicht mal in erster Linie Löfving, sondern andere hochrangige Kollegen, denen sie vorwarf, ohne ihr Einverständnis oder auch nur Wissen die Stalking-Anklage betrieben zu haben. Eingestellt wurden sie vom zuständigen Staatsanwalt, weil es „wohl nur um „Eifersuchtsgeschichten“ gehe.

Für Schwedens Bevölkerung muss dies als Bild der Polizeispitze umso niederschmetternder wirken, als ihr Land von einer hohen Zahl tödlicher Schießereien und Bombenanschläge in der organisierten Kriminalität heimgesucht wird. 2022 starben dabei 63 Menschen. Seit dem Jahreswechsel zeigt die Statistik weiter eine steigende Tendenz.

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