Mehr arbeiten für die Rüstung: Dänische Regierung streicht Feiertag

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Arbeiten statt beten

13.01.2023

Von: Thomas Borchert

Auch der Rat der Wirtschaftsweisen widerspricht den Plänen von Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen.
Auch der Rat der Wirtschaftsweisen widerspricht den Plänen von Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen. © afp

Die Regierung in Kopenhagen will einen Feiertag zur Finanzierung der Militärausgaben streichen. Doch es hagelt Kritik.

Nie blüht die „Hygge“ prächtiger als im Frühling mit all den in Dänemark üppig gestreuten Feiertagen. Jetzt wollen die Sozialdemokratin Mette Frederiksen und ihre neue Koalition den „Großen Bettag“, stets ein Freitag kurz vor Himmelfahrt, ersatzlos streichen. Arbeiten statt beten also: „Mit Putins Angriff auf die Ukraine gibt es Krieg in Europa. Die Bedrohung rückt näher. Um die vermehrten Ausgaben für die Verteidigung in den kommenden Jahren zu finanzieren, schlägt die Regierung die Abschaffung eines Feiertags ab 2024 vor.“

Seit der Ankündigung sind vier Wochen vergangen, in denen aus der simpel und für manche auch einleuchtend klingenden Idee ein heilloses Chaos mit bedrohlichen Konsequenzen für die neue große Koalition gewachsen ist. Das Thema beherrscht die Schlagzeilen, es hagelt nur so Kritik von allen Seiten: Humbug sei das, Etikettenschwindel, sozial total ungerecht und reines Gift für die gerade beginnenden Tarifrunden, als bettele die Regierung um eine landesweite Streikwelle.

Überraschend stimmt auch der Chef des von der Regierung selbst bestellten Rates der Wirtschaftsweisen, Carl-Johan Dalgaard, in diesen Chor ein: Die Abschaffung des Großen Bettages werde langfristig überhaupt keine Steigerung des Steueraufkommens bringen. „Die Leute passen sich an und werden ihre Arbeitszeit anderweitig reduzieren, zum Beispiel mit weniger Überstunden.“ So sei es nun mal in einer modernen Volkswirtschaft.

Der zusätzliche Arbeitstag soll umgerechnet 430 Millionen Euro pro Jahr in Dänemarks Staatskasse spülen

Das Finanzministerium sieht das anders: Der zusätzliche Arbeitstag soll umgerechnet 430 Millionen Euro pro Jahr in die Staatskasse spülen. Flugs ergänzte TV2, dafür könne man fast ein Drittel der 27 bestellten F-35-Kampflugzeuge bezahlen.

Aber gerade die Verknüpfung der Feiertagsstreichung mit den Militärausgaben hat die Kritikerinnen und Kritiker so richtig auf die Palme getrieben. Das zusätzliche Geld, wenn es denn wirklich kommt, wandert in den ganz großen Steuertopf, dessen Verteilung erst in einem komplexen politischen Prozess entschieden wird.

„Wie ein Dieb in der Nacht“ stehle die Regierung von den Lohnabhängigen, donnerten die tonangebenden Chefs aller großen Gewerkschaften im Chor und kanzelten die Verknüpfung mit dem Verteidigungsausgaben als „so künstlich und falsch, dass man sie kaum ernst nehmen kann“. „Das ist eine Bombe für die ohnehin schwerste Tarifrunde seit vielen Jahren“, schrieben die Gewerkschafter in der Zeitung „Politiken“ mit Hinweis auf hohe Reallohnverluste durch Inflation.

Nicht leichter machte sich die immer mehr in die Defensive gedrängte Regierung das Leben mit der Ankündigung, die Streichung des Feiertags sei natürlich mit „vollem Lohnausgleich“ gedacht. Zuerst hatte das ganz anders geklungen. Was das nun für Pflegekräfte oder andere auch am Großen Bettag Arbeitende mit ihren bisherigen Feiertagszuschlägen bedeutet, blieb im Dunkeln. Sonnenklar dagegen ist, dass es sich Frederiksen gewaltig mit den ihr sonst wohlgesonnenen Gewerkschaften schwer verdorben hatte.

Spitzensteuersatz und Erbschaftssteuern werden gesenkt

Frederiksen hat nach der November-Wahl von Mittelinks auf Mitterechts umgesattelt. Als Morgengabe für den Machterhalt stimmte sie den von rechts verlangten Senkung des Spitzensteuersatzes und noch milderen Erbschaftssteuern zu. Hier wäre eigentlich durchaus einiges für den Verteidigungshaushalt zu holen. Dänemarks Mittelklasse hat seit zwei Jahrzehnten enorme Vermögen durch die komplett steuerfreien Wertsteigerungen ihrer Immobilien angehäuft. Davon soll nichts für die Verteidigung angerührt werden.

Diese Wählerschaft mit ihren besseren Jobs trifft auch die Abschaffung des Großen Bettages weit weniger hart als etwa Busfahrer:innen, Beschäftigte in den vielen dänischen Schweineschlachtereien oder in Supermärkten mit Anwesenheitspflicht. „Flexzeit“ heißt das Zauberwort in so gut wie allen Büros, mit dem die Menschen dort wohl auch in Zukunft den gewohnten und extrem beliebten Feiertag für ein langes Frühjahrs-Wochenende bei Bedarf locker freischaufeln könnten.

Als Christian V. 1686 den Bettag eingeführte, war auch das schon eine Rationalisierungmaßnahme, um das einfache Volk zu mehr Arbeit zu zwingen. Dem König war das mal wöchentliche, mal monatliche Beten und Büßen seiner Untertanen fern der Arbeit zu viel. Wie hart auch die heute in Kopenhagen Regierenden einen Feldzug gegen arbeitsfreie Zeitgestaltung durchziehen können, hat die Rentenreform gezeigt. Wer in Dänemark 1979 oder später zur Welt gekommen ist, muss sich auf Lohnarbeit bis zum 72. Lebensjahr einrichten.

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