Rechtsaußen beim Nobelfest unerwünscht

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Zwietracht am Nobelpreis-Bankett

09.12.2022

Von: Thomas Borchert

Der Russe Jan Ratschinskij (vorne) von Memorial und Oleksandra Matwijtschuk (Mitte) vom Institute for Civil Rights in Oslo.
Der Russe Jan Ratschinskij (vorne) von Memorial und Oleksandra Matwijtschuk (Mitte) vom Institute for Civil Rights in Oslo. © afp

Politische Streitfragen in Stockholm und Oslo: In Schweden erklärt die Nobel-Stiftung einen Nationalisten zur Persona non grata, in Norwegen verweigert die Ukrainerin Matwijtschuk ein Interview.

Der Nobelpreis basiert auf Respekt vor Wissenschaft, Kultur, Humanismus und Internationalismus.“ Mit diesem kristallklaren Satz einschließlich des ziemlich aus der Mode gekommenen Begriffs „Internationalismus“ hat die Nobelstiftung einen bekennenden Nationalisten zur persona non grata erklärt. Jimmie Åkesson von den rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) darf als einziger Parteichef seines Landes am Stockholmer Festbankett nach der Preisverleihung an diesem Samstag nicht teilnehmen.

Das war auch in den vergangenen Jahren immer so, als die SD vor allem wegen ihrer braunen Wurzeln allseits wie unberührbare Parias ins Abseits gestellt wurden. Der Ausschluss vom Nobel-Bankett wurde hierfür ein stark beachtetes Symbol, denn die pompöse Veranstaltung ist ganz einfach das gesellschaftliche Top-Ereignis in Schweden: Mit Frackzwang und Abendkleidern so extrem angesagt, dass das Fernsehen bei hohen Einschaltquoten vier Stunden live überträgt. Wer in Schweden „Rang und Namen“ hat, muss hier einfach dabei sein.

Nobelpreis: Ausgeladener bekennt sich zum Nationalismus

Die Wahlen im September haben die SD mit 20,5 Prozent zur zweitstärksten Kraft im Reichstag gemacht und vor allem das traditionelle bürgerliche Lager auf andere Gedanken gebracht. Åkesson ist jetzt für den neuen konservativen Premier Ulf Kristersson der unverzichtbare und hochrespektable Mehrheitsbeschaffer, dem er im Regierungsprogramm auch so gut wie alle Wünsche erfüllt hat – vor allem beim radikalen „Paradigmenwechsel“ in der Zuwanderungspolitik.

Åkesson und seine Parteifreunde bekennen sich stolz zum Nationalismus als Fundament ihrer Politik und donnern unentwegt gegen „den Islam“. Sie mahnen hin und wieder auch schon mal diskret zur Vorsicht gegenüber dem jüdischen Einfluss in Schweden. Eigentlich seien Juden wohl genauso wenig „richtige Schweden“ wie die samische Urbevölkerung, war etwa zu hören. Wonach dann jeweils eine „Richtigstellung“ kommt, dass die Medien wieder alles missverstanden hätten.

Nobelpreis: Bankett künftig nicht mehr im Rathaus?

Überraschend massiv hat sich die Partei auch nach ihrem Wechsel ins Regierungslager als klimaskeptisch oder auch -leugnend aus dem Fenster gehängt. „Ich hab noch keine wissenschaftlichen Beweise dafür gesehen, dass wir in einer akuten Klimakrise stecken,“ verkündet Åkesson und verlangt weniger ehrgeizige Klimaziele, damit etwa das Autofahren in Schweden endlich wieder billiger werden kann.

All dies hat offenbar die Nobelstiftung im Hinterkopf gehabt, als sie nun befand: „Unser Beirat sieht keinen Anlass, den früheren Beschluss zu ändern, wonach der SD-Vorsitzende nicht eingeladen wird.“ Kaum überraschend kam als Reaktion aus Åkessons Stockholmer SD-Gruppe die Ankündigung, man werde dafür sorgen, dass das Bankett künftig nicht mehr im Rathaus stattfinden darf.

Nobelpreis: Ukrainerin Oleksandra Matwijtschuk sagt Interview ab

Hohn schütteten die Rechten über die Stiftung aus, weil die den iranischen Botschafter im Gegensatz zu denen aus Russland und Belarus für Samstag nicht ausgeladen hatte. Was die Nobelstiftung nachholte. Auch sonst fiel die Verteidigungsstrategie von Stiftungschef Vikar Helgesen schon bemerkenswert defensiv aus: Wenn Åkesson irgendwann selbst Regierungschef werde, sei er natürlich willkommen beim Nobelbankett: „Parteichefs sind Chefs freiwilliger Zusammenschlüsse mit politischen Ansichten. Ein Regierungschef kommt in Staatsfunktion.“

Politischen Streit rund um die diesjährigen Verleihungen gibt es auch beim Friedensnobelpreis in Oslo. Hier hat die Ukrainerin Oleksandra Matwijtschuk vom Institute for Civil Rights das traditionell gemeinsame Preisträger-Interview mit dem russischen Vetreter der ebenfalls ausgezeichneten Menschenrechtsorganisation Memorial, Jan Ratschinskij, abgesagt. „Unser Land ist im Krieg mit Russland,“ sagte sie im norwegischen TV-Sender NRK, äußerte sich aber auch ausdrücklich positiv über die Arbeit vom Memorial. Als dritter Preisträger wird der in seiner Heimat inhaftierte Menschenrechtsanwalt Ales Blaljazki aus Belarus von seiner Ehefrau Natallia Pintsjuk in Oslo vertreten.

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