Dänischer Geheimdienst-Skandal: Wirr, grotesk und spannend

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Lars Findsen: Landesverräter oder doch nur Fahrraddieb?

31.10.2022

Von: Thomas Borchert

Sein Buch „Der Spionchef - Erinnerungen aus Zelle 18“ hat Lars Findsen wohl nicht aus Zufall kurz vor den dänischen Parlamentswahlen veröffentlicht. AFP
Sein Buch „Der Spionchef – Erinnerungen aus Zelle 18“ hat Lars Findsen wohl nicht aus Zufall kurz vor den dänischen Parlamentswahlen veröffentlicht. © afp

Dänemarks Ex-Spionchef Lars Findsen sitzt wegen angeblichen Verrats auf der Anklagebank. Mitten im Wahlkampf schlägt er mit eigenen Vorwürfen zurück. Ein verblüffender Spionagekrimi aus dem Land der Hygge

Drei Dosen Lakritz für die Kinder hat Lars Findsen noch schnell auf dem Kopenhagener Flugplatz erstanden. Besser als mit leeren Händen von der Dienstreise heimkommen, auch wenn man Spionchef ist. Vor dem Ausgang bittet ihn ein Mann bestimmt in einen Nebenraum. „Blitzschnell ist mir klar, dass ich hier der polizeilichen Spezialeinheit AKS gegenüberstehe,“ erinnert sich Findsen später. Die Elitetruppe, wie immer bewaffnet, habe er als Chef des dänischen Inlandsgeheimdienstes PET bei Geiselnahmen oder Terrorbedrohung oft genug selbst eingesetzt und „deshalb bestens gekannt“.

Das ist schon ein bisschen her. Die letzten Jahre hat Findsen Dänemarks Auslandsgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) geführt und hört an diesem 8. Dezember 2021 aus dem Mund des irgendwie bekannten Antiterror-Spezialisten: „Es ist 9.51 und du bist wegen Vergehens gegen Paragraf 109 Strafgesetzbuch festgenommen.“ Darin geht es um „Landesverrat im Verhältnis zu fremden Staaten“. Das Duzen normal im Land der Hygge, wo Gemütlichkeit als Urzustand gilt. Doch der äußerst ungemütliche Paragraf 109 mit bis zu 12 Jahren Haft ist zuletzt 1979 zur Anwendung gekommen: Gegen einen DDR-Spion der Stasi-Hauptabteilung Aufklärung.

Die Behörden verfügen komplette Geheimhaltung. Wochenlang steht jede öffentliche Namensnennung des Untersuchungshäftlings unter Strafe. Was Findsen verraten haben soll, bleibt erst recht geheim. Noch neun Monate später darf der mutmaßliche Landesverräter die Anklageschrift gegen sich nur einsehen, muss sie anschließend zurückgeben. Die Vorwürfe seien „vollkommen wahnsinnig“, meint er.

71 Tage sitzt Findsen in U-Haft und findet, so ist in seinem gerade erschienenen Buch „Der Spionchef – Erinnerungen aus Zelle 18“ zu lesen, Trost in Sudokus. Ein krasser Abstieg. Vorher hatte der 58-Jährige zwei Jahrzehnte im „Sicherheitsausschuss“ der Regierung gesessen und hielt unangefochten den dänischen Rekord für das Sammeln von Staatsgeheimnissen. Zunächst als Chef des Inlandsgeheimdienstes PET (2002-07), danach acht Jahre als Staatssekretär im Verteidigungsministerium und seit 2015 an der Spitze des Auslandsgeheimdienstes FE.

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One thought on “Dänischer Geheimdienst-Skandal: Wirr, grotesk und spannend

    Dubbel said:
    November 1, 2022 at 9:58 am

    Sehr interessanter Artikel! Super verwirrende Geschichte, gut, dass mal so zusammengefasst zu lesen.

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