Finnland
Unaufgeregt überzeugt
Die Finnin Sanna Marin wird mit 34 Jahren jüngste Regierungschefin der Welt – ein Porträt.
Finnlands Sozialdemokraten wollen mit einem radikalen Generationswechsel und klassisch linker Politik die Wählerflucht stoppen. Die 34-jährige Sanna Marin, seit einem halben Jahr Verkehrs- und Kommunikationsministerin, hat in Helsinki eine Kampfabstimmung in der SDP um die Nachfolge des 25 Jahre älteren Antti Rinne an der Spitze der Regierung knapp gewonnen.
Der Ex-Sägewerksarbeiter und Jurist mit langer Gewerkschaftskarriere war letzte Woche im Streit mit einem Koalitionspartner abgetreten. Auf ihn folgt nun die, so haben die heimischen Medien ermittelt, jüngste Regierungschefin der Welt – einschließlich der weiter überwältigenden Mehrheit männlicher Kollegen. Auch der familiäre Hintergrund der neuen Frau an der Spitze schickt ganz andere Signale als bisher an die Wählerschaft, die sich seit Rinnes Antritt nach den Wahlen im April kräftig von der SDP abgewandt hat.
Sanna Marin: Tochter von zwei Müttern
Marin ist in einer Regenbogenfamilie mit zwei Müttern aufgewachsen. Sie erwähnt, macht aber nicht groß Aufhebens darum, dass ihr Lebensgefährte daheim in Tampere die Hauptverantwortung für die gemeinsame zweijährige Tochter Emma übernommen hat. Politisch sieht sich Marin als „klassische Sozialdemokratin“ mit den Schwerpunkten Bildung, Arbeitsbedingungen und Sozial- sowie Gesundheitspolitik.
Und natürlich: „Die Klimaveränderungen sind die wohl größte Herausforderung unserer Zeit.“ Die SDP kämpft wie Parteifreunde fast überall in Europa mit dem immer akuteren Problem, dass sie sowohl Wähler an die Rechtspopulisten wie an die Grünen verliert. Rinne personifizierte die Schwierigkeiten dabei unverschuldet mit einer schweren Erkrankung bei einem Spanien-Urlaub, in dem er eigentlich Kraft für den bevorstehenden Wahlkampf tanken wollte.
Erst musste er monatelang ganz passen, um sich dann auf Krücken zurückzumelden und beim Kampf um die Wählerstimmen als Erfolg mitzuteilen, dass er schon wieder 150 Meter gehen könne, ohne zu verschnaufen.
Weil zu allem Überfluss auch noch die damalige Vizechefin mit einer Krebserkrankung ausfiel, musste die nur kommunalpolitisch erfahrene Marin als „Gesicht der Partei“ ins kalte Wasser der Landespolitik springen. Sie machte ihre Sache so gut, dass die Umfragewerte für die SDP kletterten. Mit Rinne an der Spitze fielen sie wieder, so dass es bei den Wahlen im April nur mit Ach und Krach zu einem hauchdünnen Vorsprung vor den Rechtspopulisten reichte.
Sanna Marin: Sie ist nicht „Rinnes Mädel“
Auch der abgetretene Premier gehört eher zum linken Parteiflügel und hat für Marin als Nachfolgerin gestimmt. Auf herablassende Kommentare, sie sei ja doch nur „Rinnes Mädel“ reagiert die neue Frau an der Spitze bestimmt: „Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht von außen zu lenken bin.“ Sie wird nach der für heute anstehenden Ernennung durch Präsident Saulii Niinistö die dritte Finnin an der Regierungsspitze.
„Für mich spielt in der Politik weder mein Alter noch mein Geschlecht eine Rolle,“ sagt Marin. Es gilt auch ihren Kolleginnen: Die vier anderen Koalitionsfraktionen werden ausnahmslos von Frauen geführt. Drei von ihnen sind im Alter zwischen 32 und 34 Jahren.
Von den fünf Ländern Nordeuropas hat danach nur noch Schweden einen männlichen Premier mit dem Sozialdemokraten Stefan Löfven (62). In Island führt die Linksgrüne Katrín Jakobsdóttir (43) die Regierung, in Kopenhagen die Sozialdemokratin Mette Frederiksen (42) und in Norwegen die Konservative Erna Solberg (56