Dänischer Wahlkampf: Faschistenpartei tritt an

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Islamfeindlichkeit

Zündstoff für Dänemarks Gesellschaft

  • vonThomas Borchert

Die Rechtsaußenbewegung „Strammer Kurs“ gewinnt unter Islamfeinden rasend schnell an Zuspruch.

Straßenkrawalle in Kopenhagen waren im April die Folge öffentlicher Koranverbrennungen.

 

Straßenkrawalle in Kopenhagen waren im April die Folge öffentlicher Koranverbrennungen.

 

Dänemarks Regierungschef Lars Løkke Rasmussen hat am Dienstag Neuwahlen für den 5. Juni ausgeschrieben. Dabei darf eine neue Partei antreten mit der Forderung nach „ethnischer Säuberung“ bezogen auf alle Muslime und der Parole, das „Blut der fremden Feinde“ solle „in die Kloaken fließen, wo es hingehört“. Die Partei „Strammer Kurs“ kann nach Umfragen auf Parlamentssitze hoffen.

Die in Umfragen klar vorn liegenden Sozialdemokraten distanzieren sich zwar eindeutig von solchen Positionen, wollen aber zur Frage einer möglichen Zusammenarbeit vor der Wahl nichts sagen. Ein Sprecher der mitregierenden Konservativen sagte im Rundfunk: „Wir müssen einfach abwarten, für welchen Block diese Partei ihre Stimmen einsetzen will.“

Für die Zulassung zur Wahl, die das Kopenhagener Innenministerium erteilt hat, konnte die Gruppe in Windeseile die nötigen 20 000 Stützunterschriften sammeln. Die nötige Publicity dafür verschafften ihrem Chef Rasmus Paludan extrem provokante und als Video millionenfach auf Youtube verbreitete Koranverbrennungen überall da, wo viele Muslime leben. Das löste im Kopenhagener Szeneviertel Nørrebro, der von Zuwanderern geprägt ist, Straßenkrawalle aus, was wiederum die Präsenz des wegen rassistischer Hetze (noch nicht rechtskräftig) verurteilten Paludan in allen Medien extrem erhöhte.

Der junge Anwalt konnte in Nachrichtensendungen im Fernsehen bereits detailliert darlegen, wie er sich die Deportation von „so um die 300 000“, also praktisch allen in Dänemark lebenden Muslimen, vorstellt. Die konservative Wochenzeitung „Weekendavisen“ stuft den „Strammen Kurs“ als erste Nazipartei seit 1939 bei einer Wahl in Dänemark ein. Ihr Chef sei „eindeutig vertraut mit den Nürnberger Gesetzen und der Rassenlehre der Nazis“. Trotz diverser juristischer Expertisen über die Verfassungswidrigkeit von Paludans ungeheuerlichen Aussagen gibt es in Kopenhagen aber keine nennenswerten Verbotsforderungen.

Spätestens seit den Mohammed-Karikaturen in der Zeitung „Jyllands-Posten“, die 2006 zu gewalttätigen Protesten in der islamischen Welt führten, gilt die bedingungslose Meinungsfreiheit gegenüber dieser Religion und Kultur für dänische Politiker als unantastbar. Die Verbrennungen von in Schweinefleisch eingerollten Koranen sind – auch wegen der Abschaffung des Blasphemieverbots in Dänemark 2017 – kein Grund zum Einschreiten der Polizei gewesen. Sie musste immer nur massive Kräfte zum Schutz des Provokateurs aufbringen. Zündstoff ist das auch für den bevorstehenden Wahlkampf, in dem der Hetzer mit demselben Anspruch auf TV-Sendezeit auftreten kann wie alle anderen.

Welche Dynamik entwickelt sich hier in Dänemark, nachdem anderswo gerade Komiker wie der Ukrainer Wolodymir Selenskij und Immobilienspekulanten wie Donald Trump gewohnte politische Konstellationen über den Haufen geworfen haben? Und wie wollen die sozialdemokratischen oder bürgerlichen Spitzenkandidaten Paludan entgegentreten, die miteinander offen um die Gunst der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei konkurrieren? Deren Urheberschaft für Dänemarks beispiellos harte Zuwanderungspolitik seit zwei Jahrzehnten erkennen der ziemlich aussichtslos hinten liegende Amtsinhaber Rasmussen und seine sozialdemokratische Herausforderin Mette Frederiksen schon uneingeschränkt an und haben sie übernommen.

Alte Populisten verlieren

Allerdings stürzt beider Wunschpartner in den Umfragen gerade kräftig ab, unter anderem weil Paludans eigentlich winzig kleiner Trupp und eine weitere neue Rechtspartei den alten Populisten mühelos Stimmen abjagen – als angeblich viel zu schlapp gegenüber den unerwünschten Muslimen. Die Sozialdemokraten treten in der Ausländerpolitik inzwischen genauso hart auf wie die Dänische Volkspartei. Wie gern sie mit dieser zusammenarbeiten, illustriert die Sozialdemokratin Frederiksen auch an ihrem persönlichem Verhältnis zu Populistenchef Kristian Thulesen Dahl: Eine so „tief empfundene Beziehung“ gebe es ganz selten, und diese sei „gut für unsere Parteien und für Dänemark“.

Dahls Populisten haben schon mal angekündigt, „natürlich“ mit Paludan zusammenzuarbeiten, wenn er denn den Sprung über die in Dänemark geltende Zweiprozentklausel schaffen sollte. Überraschend klar setzte sich der rechtsliberale Premier Rasmussen ab: „Das letzte Mal haben wir so was wie von dieser Partei in den 30er Jahren gehört. Plötzlich sind solche extremen und fremdenfeindlichen Töne Teil der Debatte und man kann damit für das Folketing kandidieren.“

 

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