„Isländische Macron“: Katrín Jakobsdóttir von ganz links koaliert mit ganz rechts
Politiklabor Island
Neue Regierungschefin von ganz Links koaliert mit ganz Rechts.
3. Dezember 2017

Isländische Macron“ als Etikett für die neue Regierungschefin in Reykjavik klingt erst mal gut. Zur Kabinettspremiere am Freitag hat Katrín Jakobsdóttir von den Links-Grünen auf der Atlantikinsel mit 350 000 Bürgern nicht ganz das politische Gewicht des Pariser Hoffnungsträgers für Verzagte in ganz Europa mitbringen können. Dafür teilt die 41-Jährige neben Jugendflair, Ehrgeiz und auch zierlichem Wuchs mit dem Franzosen überragende Popularität beim Amtsantritt dank eines etwas anderen Charisma.
Den Wählern gefällt an der bescheiden, nie laut und doch entschieden auftretenden Co-Autorin eines Buches über „nachhaltige Kinderererziehung“ vor allem auch der Kontrast zum männlichen Politikertyp „kühner Wikinger“. Der hat die Insel mit viel Testosteron und noch mehr neoliberalem Größenwahn vor einem Jahrzehnt in den faktischen Staatsbankrott getrieben.
Den eigenen Mix aus Glaubwürdigkeit, Selbstbewusstsein, und Überzeugungskraft wird die Literaturwissenschaftlerin, Fachgebiet Krimis, jetzt in rauen Mengen benötigen. Denn sie hat ihre linke Flügelpartei in eine Koalition mit den Speerspitzen der Rechten gelotst, noch dazu als nur zweite Kraft.
Minister mit Macken
Die fast zehn Prozentpunkte stärkeren Konservativen und die rechtsliberale Fortschrittspartei stehen für alles, was die Links-Grünen in den letzten Jahrzehnten als Grundübel für ihr Land ausgemacht hatten: Ungezügelter Casino-Kapitalismus bis zum Bankencrash 2008 und danach vor allem die immer weitergehende Privatisierung des vorher kaputtgesparten Gesundheitswesen.
Für viele Isländer steht dahinter als Symbolfigur einer korrupten Oligarchenherrschaft der bisherige Regierungschef Bjarni Benediktsson. Ausgerechnet das Finanzministerium kann der Chef der Unabhängigkeitspartei jetzt übernehmen. Als Sprössling einer steinreichen Familie hat er mit Skandalgeschichten über Insidergeschäfte und Geldanlagen in Steueroasen mehrfach Schlagzeilen gemacht.
Nach Benediktssons erstem Jahr an der Regierungsspitze gab es Neuwahlen, weil er die männerbündelnde „Ehrenerklärung“ seines prominenten Vaters für einen aus der Haft entlassenen Pädophilen vertuscht hatte. Der Amtsvorgänger aus der Fortschrittspartei hatte kurz vorher das Handtuch als dank Panamapapers entlarvter „Steuerflüchtling Gunnlaugsson“ werfen müssen. Zwei der elf Links-Grünen verweigern Jakobsdóttir ihre Stimmen im „Althing“ für die neue Koalition mit den alten Gegnern. Sie hat nun 33 von 63 Mandaten. Ihre Partei stellt im Kabinett zwar die Chefin, bildet aber mit zwei Fachministern gegenüber fünf Konservativen und drei Liberalen eine recht kleine Minderheit. Ob das gutgehen kann?
„Wir haben bemerkenswerte Zugeständnisse durchgedrückt“, meint die neue Ministerpräsidentin zum Start und kann auf die Anhebung der Kapitalertragssteuer und andere in linken Ohren gut klingende Regierungsprojekte verweisen. Der populäre Musiker und junge Links-Grünen-Wähler Símon Vestarr meint trotzdem: „Sie haben ihre Seele verkauft.“