Røkke: Milliardär und “Wohltäter”

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Philantropie: Ein Schiff wird kommen

Der norwegische Industrielle Kjell Inge Røkke will sein Vermögen der Gesellschaft zurückgeben. Die erste Wohltat: das Forschungsschiff REV.

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7. Juni 2017

 

Wenn doch nur alle Milliardäre so edle Vorsätze hätten. „Ich will der Gesellschaft den Löwenanteil von dem zurückgeben, was ich verdient habe“, verkündet der norwegische Großindustrielle, der ein geschätztes Vermögen von umgerechnet 1,8 Milliarden Euro (17 Milliarden Kronen) sein Eigen nennt. Wie viel davon der 58-Jährige für das gewaltige neue Forschungsschiff „REV“ (Research Expedition Vessel) voller Technik vom Feinsten als Geschenk an die Gesellschaft abzweigt, behält Røkke aber lieber für sich: Das Schiff sei ein Teil vom Löwenanteil. Nach dem Stapellauf 2020 sollen an Bord hochkomplexe Forschungsprojekte bis zu einer Tiefe von 6000 Meter möglich sein – der WWF hat sich bereits eine Kooperation gesichert. Nebenbei kann das Schiff pro Tag bis zu fünf Tonnen Plastikmüll vom Meeresboden einsammeln und CO2-neutral verbrennen.

Røkke begleicht neben den Baukosten auch den Unterhalt des Schiffes mit seinen 30 Besatzungsmitgliedern. Er wird die „REV“ samt Familie auch als „Ort für Erholung und Inspiration“ nutzen, dafür aber wie andere erhoffte und notwendigerweise superreiche Chartergäste zahlen. Wohl nicht ganz zufällig ist sein knapp 182 Meter langes Schiff einen Hauch größer als die „Azzam“ im Besitz von Scheich Khalifa bin Zayed Al Nahyan aus Abu Dhabi, derzeit noch die größte Luxusjacht der Welt. Schon vor zwei Jahrzehnten schrieb der Biograf Torgeir Anda über den erfolgreichsten Selfmademan aller Zeiten im Land der Fjorde: „Der Sieg ist ihm alles, egal in welcher Dimension. Er will Norwegens reichster Mann sein, der erfolgreichste Fischer und schnellste Rennbootfahrer der Welt, der eingeschworenste Antialkoholiker und der pompöseste Jachtbesitzer.“

Wenn dieser Skandinavier beim Zurückgeben seiner Milliarden genauso konsequent zur Sache geht wie bei den früheren Vorsätzen, ist Großes zu erwarten. Die Eltern, kleine Leute aus dem Küstenstädtchen Molde, hatten den Sohn nach beunruhigendem Misserfolg in der Schule zur Arbeit auf einem Kutter genötigt. Das lief gut, konnte der junge Fischer doch bei einem Job in den USA sein erstes eigenes Boot kaufen. Aus dem Boot wurde ein stattlicher Trawler, daraus eine Trawlerflotte. Der reich heimgekehrte Jungmillionär bekam Appetit auch auf den Bau von Schiffen. Røkke brachte den Kvaerner-Konzern, zeitweise europäischer Branchenführer mit Werften auch in Wismar und Warnemünde, unter seine Kontrolle. Er spielt heute mit Aker ASA im Offshore-Geschäft ganz oben mit. Originalton Røkke: „In ein paar Jahren haben wir es von der Kreisliga der Zwerge in die Champions League beim Erdöl geschafft.“

Hier will er bei aller Sorge um das globale Klima durch Öl und die Verschmutzung der Meere durch das Ölprodukt Plastik bleiben. Da war sich Aker-Konzernchef Øyvind Eriksen zehn Tage nach Røkkes Mitteilung über seine gemeinnützige Umweltinvestition in das Forschungsschiff „REV“ völlig sicher: „Der Blutkreislauf unseres Haupteigners wird mit fossilem Öl in Gang gehalten.“

Dass es ein Kreislauf auf Hochtouren sein muss, führte immer wieder zu Schlagzeilen auch außerhalb der Wirtschaftsnachrichten: Røkkes Drang zur Champions League ließ ihn schon in den 90er Jahren den Londoner Erstligaclub FC Wimbledon kaufen. Seinem Heimatort Molde mit 23 000 Einwohnern schenkte er ein Fußballstadion mit 12 000 Plätzen. Den angestrebten Weltmeistertitel in einem Hochgeschwindigkeitsboot schaffte Røkke zwar nicht, dafür konnte er einen schwedischen Beamten 2001 mit umgerechnet 11 000 Euro zur Ausstellung eines Führerscheins für supergroße Boote bewegen.

Als er mit so einem Gefährt dann vor Strömstad auf Grund lief, flog die Bestechung auf. Røkke kam als damals reichster Norweger vor Gericht und saß 30 Tage hinter Gittern ab. Er entzückte die Boulevardpresse mit immer neuen Geschichten über grenzenlosen Luxus: mit Privatjet und Landebahn hinter Norwegens schickster Wohnanlage, schnell wechselnden schönen Freundinnen, immer größeren Privatjachten und immer neuen Sportwagen.

Inzwischen ist Røkke deutlich ruhiger geworden. Dem neuen Ford GT 40 mit über 600 PS konnte er letzten Sommer dennoch nicht widerstehen: Er habe Steve McQueen in „Lev Mans“ 1971 im Kino in Molde damit gesehen und sich verliebt. Man werde das neue Geschoss auf Norwegens Straßen „sehen und hören“.

Zu den Freunden und bekennenden Bewunderern dieses Erfolgsmenschen gehört auch Gerhard Schröder. „Er ist nun wahrlich nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren und hat gezeigt, was man mit Intelligenz und Entschiedenheit erreichen kann“, kommentierte der Altkanzler sichtlich beeindruckt seine drei Visiten noch zu Amtszeiten bei „einer der interessantesten europäischen Wirtschaftspersönlichkeiten.“

In der öffentlichen Wahrnehmung wandelte sich Røkke vom brutalen Spekulanten zum langfristig investierenden Industriellen. Norwegens Regierung ermahnt er auch öffentlich, Investoren wie ihm selbst bei der Suche nach mehr Öl oder Gas nicht allzu freigiebig mit öffentlichen Mitteln unter die Arme zu greifen: „Passen Sie bitte besser auf, wem sie die Kreditkarte des Steuerzahlers zur Verfügung stellen“, heißt es da schon mal.

Die norwegische WWF-Chefin Nina Jensen findet Røkkes neuestes Engagement „vollkommen seriös“. „Für mich als Marinebiologin wird ein Traum wahr.“ Das werde den WWF aber nicht daran hindern, in Sachen Öl- und Gasförderung auf Distanz zu Røkke zu gehen.

Spannend bleibt, ob der Milliardär das Versprechen mit dem „Löwenanteil“ tatsächlich umsetzt und wie er es tut. Bereits 2009 wollte er 80 Prozent seines Vermögens in eine Stiftung überführen. Als die Steuerbehörde die verlangte Reduzierung der Vermögenssteuer um 80 Prozent ablehnte, hatte sich der Fall für Kissel Inge Røkke aber erledigt.

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