Wenn Torte politisch wird
Dänemarks Ausländerministerin schlägt mit abfälligem Facebook-Bild über die Stränge.

Wenn wichtige Parteifreunde Brechreiz bekunden, wird es auch für erfolgsgewohnte Populisten gefährlich. Dänemarks Ausländer- und Integrationsministerin Inger Støjberg hat sich wohl verrechnet, als sie für Facebook freudestrahlend mit einer Jubiläumstorte posierte. Zwischen Früchten und Schokolade, geschmückt mit der Zahl 50 sowie der rotweißen Nationalfahne standen die Sätze: „Heute habe ich die Verschärfung Nummer 50 in der Ausländerpolitik durchgebracht. Das muss gefeiert werden!“Der Vorsitzende von Støjbergs rechtsliberaler Partei „Venstre“ in der Stadt Skive, wo die Ministerin ihren Wahlkreis hat, will auf keinen Fall mitfeiern: „Hier ziehe ich die Grenze. Das entspricht ja einem Bürgermeister, der seiner Verwaltung Sahnetorte spendiert, weil sie gerade die 50. Pflegekraft gefeuert hat. Und das dann auch noch auf Facebook verbreitet.“
Anders Ladekarl, Generalsekretär des Roten Kreuzes in Dänemark, konterte Støjbergs Ausfall mit den gleichen Mitteln: Er zeigte auf Facebook ein Foto von sich, strahlend und mit einer riesigen Torte, mit einer 50 und dem Nationalfähnchen geschmückt. Ein wahrer Grund zum Feiern seien sechs Jahre Hilfe für 2,5 Millionen syrische Kriegsopfer, schrieb er dazu und rief seine Landsleute auf, 50 Kronen (sieben Euro) per SMS mit dem Stichwort „Torte“ für die humanitäre Hilfe zu überweisen. Innerhalb kürzester Zeit waren eine halbe Million Kronen beisammen. Støjbergs Regierungschef Lars Løkke Rasmussen murmelte indessen verlegen, es sei „beklagenswert“, wenn so viele Menschen Støjbergs Post als neuen Tiefpunkt kompletter Schamlosigkeit und der Ausnutzung von menschlichem Unglück zum eigenen Vorteil sehen. „Sie hat es nicht so gemeint.“ Nach einer stürmischen Fraktionssitzung vermutete der Parteikenner Jarl Cordua, Støjberg habe sich in diesem Kreis wohl „endgültig als Möglichkeit für das Spitzenamt disqualifiziert“. Dabei ist Støjberg gerade durch ihren populistischen Holzhammer-Stil mit „eingängigen“ Statements vor allem auf Facebook, aber immer gern auch vor Kameras zum populärsten Mitglied der Kopenhagener Mitte-Rechts-Regierung aufgestiegen. Mal befeuerte sie die Diskussionen mit ihrer Klage, im Kino habe ein „Haufen Zuwandererjungs“ um die 14-15 sie von Anfang bis Ende belästigt. Dann verkündete sie, man werde syrische Bürgerkriegsflüchtlinge bei der Einreise nach Schmuck durchsuchen: Nur Wohlhabende würden ja so weit durchkommen. Ob das dann die richtigen Empfänger der dänische Hilfsbereitschaft seien, fragte sie.
Immer stabile Umfragewerte
Jedes Mal war die Empörung gewaltig, aber noch viel größer die Begeisterung klickender Facebook-Fans und das Schulterklopfen von Kommentatoren in den traditionellen Medien: Wie instinktsicher hier doch eine Politikerin die öffentliche Debatte mit ganz wenigen Sätzen nach Belieben in Gang bringen und ihre Gegner zu den immer gleichen Gefühlsausbrüchen provozieren könne. Mit am Ende immer stabilen Spitzenwerten bei Popularitätsumfragen.
Diesmal scheint der Politiker-Zynismus ohne jeden moralischen Kompass jedoch nach hinten loszugehen. Vielen Dänen mit einem solchen Kompass tut es bitter weh, wenn ihnen eigene Medien übersetzen, was ausgerechnet die deutsche „Bild“-Zeitung zu ihrer populärsten Politikerin fragt: „Hat die Welt einen weiblichen Trump gefunden – eine ‚Trumpine‘, die auf Kosten von Flüchtlingen mit haarsträubenden Social-Media-Aktionen auf sich aufmerksam machen will?“