“Mansplaining”: Schweden gegen schwadronierende Männer
„Mansplaining“ Gegen herablassendes Schwadronieren
Von Thomas Borchert
Der Wahlsieg eines Frauendemütigers in den USA über seine besser qualifizierte Konkurrentin war als überraschende Fanfare einfach Zufall. Aber was für einer. Schwedens größte Angestelltengewerkschaft Unionen hat diese Woche eine „Mansplaining-Hotline“ für alle eröffnet, die Hilfe gegen ein bestimmtes männliches Verhalten am Arbeitsplatz suchen: Wenn sich der Chef oder auch ein Kollege herablassend, belehrend sowie endlos schwadronierend zu einem Thema auslässt, das die Untergebene oder Kollegin eigentlich selbst besser beherrscht. Mansplaining, zusammengesetzt aus dem englischen „man“ und „explaining“, hat sich auch bei den Skandinaviern als Begriff für diese Belästigung oder Diskriminierung bei der Arbeit durchgesetzt.
Sie bestehe aus „Manövern, Tricks und Herrschaftstechniken mit dem Ziel, Frauen auf den Pott zu setzen und damit die eigene Machtposition zu sichern oder zurückzuerobern“, schrieb der Gleichberechtigungsbeauftragte Peter Tai Christensen zur Freischaltung der Hotline an die 620 000 Mitglieder seiner Organisation: Der Chef, der weiblichen Stimmen einfach nie zuhören kann und alles noch mal von einem Mann wiederholt haben muss. Um dann den Volltreffer-Vorschlag seiner Mitarbeiterin als geniale eigene Idee weiterzuverkaufen. Die männlichen Netzwerker, die untereinander beim Essen hingebungsvoll Karriere und Business, aber mit Kolleginnen, wenn überhaupt, vorzugsweise Freizeit und andere „weiche“ Themen beschnacken. „Egal, ob Mansplaining absichtlich passiert oder als verkorkste Form von Wohlwollen oder einfach als Schlamperei – im Grunde steckt immer dahinter, dass Frauen als weniger wissend, kompetent, bedeutend oder befugt eingestuft werden,“ meint Christensen.
Um Anruferinnen zu einem besseren Verständnis und vor allem auch zu wirkungsvollen Gegenstrategien zu verhelfen, hat Unionen fünf Tage lang 20 prominente Experten beiderlei Geschlechts an Stockholmer Telefone gesetzt. Den Expertenstatus haben sie durch Bücher über Kommunikationstechnik, Gender-Fragen oder eben durch eigene Erfahrung erworben. Wie die Hochspringerin Emma Green, die bei der Leichtathletik-WM in Moskau 2013 mit Fingernägeln in Regenbogenfarben gegen die Diskriminierung Homosexueller in Putin-Russland protestieren wollte. Ihr männlicher Verbandschef im reiferen Alter habe sie davon vergeblich „mit der klarsten Form von Mansplaining in meiner Erinnerung“ abzubringen versucht: „Niemand würde mich beachten, allen wäre ich ganz egal. Er hat versucht, mich und meinen Standpunkt kleinzumachen.“
Eigentlich erwartet man bei einer Initiative gegen so etwas nur Kopfnicken in Schweden. Hier sind Frauen beim Kampf um gleiche Rechte schon so weit, dass auch männliche Konzernchefs und Ministerpräsidenten nicht nur am 8. März ausdrücklich bekunden, sie seien natürlich „Feministen“. Man habe die Hotline durchaus auch „mit einem Augenzwinkern“ eingerichtet, meinten denn auch die Gewerkschafter beim Start. Aber es gab überraschend heftige negative Reaktionen. Die Zuordnung manipulativer Machterhaltung zu einem Geschlecht sei „umgekehrter Sexismus“, schrieben empörte männliche Mitglieder in den sozialen Medien und kündigten den Austritt an. Hochspringerin Green berichtete von etlichen „sehr unangenehmen Anrufen“.
Es meldeten sich aber auch männliche Chefs mit dem Wunsch nach Tipps gegen den eigenen Sturz in die Mansplaining-Falle. „Wir raten ihnen, einfach erst mal ein paar Fragen zu stellen, ehe sie Frau die Welt erklären,“ sagt Unionen-Pressechefin Jennie Zetterström. Sie fügt nach kurzer Denkpause an: „Es wäre prima gewesen, wenn auch Donald Trump angerufen hätte.“