POLITIK
22. SEPTEMBER 2016
ALTERNATIVER NOBELPREIS
Die Mutmacher
Von THOMAS BORCHERT
Die Redaktion der Cumhuriyet wird nach unzähligen Drohungen gegen ihre Journalisten rund um die Uhr bewacht. Foto: dpa
Gegen jeden Widerstand retten sie Menschen, kämpfen für Meinungsfreiheit und gegen archaische Strukturen. Das sind die Träger des Alternativen Nobelpreises.
Die vier Träger der Alternativen Nobelpreise in diesem Jahr spiegeln Bedrohungen von Menschen und ihrer Freiheit an akuten Brennpunkten wieder: Die syrischen „Weißhelme“, ein Netzwerk von 3000 Freiwilligen, kämpfen unter Lebensgefahr um die Rettung von Verschütteten nach Bombenangriffen, dürfen aber in Städten unter Kontrolle des Assad-Regimes nicht ausrücken.
Die ägyptische Feministin Mozn Hassan und die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina sind in ihren Ländern mit Ausreiseverboten belegt und werden von der jeweiligen Staatsmacht als „Vaterlandsverräterinnen“ in ausländischem Sold denunziert. Mitarbeiter der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ haben auch schon vor dem gescheiterten Putsch in Ankara als Opfer von sieben vollendeten und noch mehr gottlob missglückten Mordanschlägen sowie hinter Gittern für ihr Bestehen auf Presse- und Meinungsfreiheit bezahlt.
Die Juroren für die seit 1980 in Stockholm vergebene Auszeichnung wollen aber keine Trostpreise austeilen. „Wir ehren ganz besonders, dass die Preisträger trotz aller Widernisse Erfolg haben“, sagt Ole von Uexkuell, Direktor der Stiftung „Right Livelihood Award“ – das ist der offizielle Name des Preises, der aber landläufig als Alternativer Nobelpreis bezeichnet wird.
„Nach dem Rücktritt des schwer drangsalierten Cumhuriyet-Chefredakteurs Can Dündar sind neue Leute nachgerückt. Diese Stimme lebt weiter und wird gehört.“ Als er den Gründer der syrischen Weißhelme, Raed al Salah, telefonisch über die Auszeichnung informiert habe, sei die Reaktion überwältigend gewesen:
„Er wusste, wer vorher alles unseren Preis bekommen hatte und versteht ihn als Ausdruck globaler Solidarität.“ Da sei auch wichtig, dass die Alternativen Nobelpreise sich nicht westlich orientieren. Kritik an genau dieser Orientierung bei den traditionellen Nobelpreisen veranlasste den Deutsch-Schweden Jakob von Uexkuell zur Stiftung der Auszeichnungen.
Alternativer Nobelpreis geht an Syrischen Zivilschutz
Alternativer Nobelpreis geht an Syrischen Zivilschutz (1:11)
Sie sollen Leistungen zur Sicherung von Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Meinungsfreiheit und der Bewahrung der Umwelt belohnen. Die vier Preisträger teilen sich die Dotierung von umgerechnet 310 000 Euro. In diesem Jahr waren 125 Kandidaten aus 50 Ländern nominiert. Jury-Präsidentin ist die frühere Greenpeace-Geschäftsführerin und niedersächsische Ex-Umweltministerin Monika Griefahn. Noch offen ist, ob die Verleihung Ende November wie bisher im schwedischen Reichstag stattfinden kann.
Als ein möglicher Grund für die Verweigerung der Räume durch Parlamentspräsident Urban Ahlin gilt in Stockholm die Vergabe 2014 an den US-Whistleblower Edward Snowden. Er sei guter Hoffnung, dass man sich doch noch einigen könne, sagte Ole von Uexkuell bei der Bekanntgabe der Preisträger.