Neues zu Schwedens und Finnlands Nato-Beitritt

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Streit um Nato-Beitritt: Finnland erhält den Vortritt

08.02.2023

Von: Thomas Borchert

Der Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens scheint vom Tisch. Schweden gibt sich geduldig und sicher. Der türkische Präsident Erdoğan kostet seinen Sieg aus.

Helsinki – Beim Streit um die Nato-Erweiterung in Nordeuropa zeichnet sich immer klarer grünes Licht für Finnland ab, während Schweden wegen des türkischen Vetos noch warten muss. Überraschend signalisierten am Dienstag die Regierungen der beiden eigentlich gemeinsam angetretenen Beitrittskandidaten, dass sie mit diesem Splitten wohl leben können. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte das vergangene Woche nach einer Koranverbrennung in Stockholm ins Spiel gebracht, als er sagte, sein Land habe kein Problem mit Finnland. Der Aufnahme Schwedens werde man aber nicht zustimmen, solange dort der Koran verbrannt werden darf.

Vor der Presse in Helsinki äußerten der schwedische Außenminister Tobias Billström und sein finnischer Gastgeber Pekka Haavisto in fein aufeinander abgestimmten Statements, es komme darauf an, dass beide Länder in Zukunft „gemeinsam in der Nato sind“. Keiner von beiden nannte mehr den gemeinsamen Beitritt als Bedingung, der seit dem vor fast einem Jahr gemeinsam in Brüssel überreichten Antrag stets als höchste Priorität von beiden Regierungen herausgehoben wurde.

Streit um Nato-Beitritt: Rückzug von Schweden und Finnland

Billström meinte dazu in Helsinki, es sei klar, dass die Türkei derzeit positiver über eine finnische als eine schwedische Nato-Mitgliedschaft denkt. „Auch wenn wir ein starkes Interesse an einem gemeinsamen Beitritt haben, muss man respektieren, dass die Mitgliedschaft im Interesse des jeweils einzelnen Landes gesehen wird.“ Das war ein sorgsam verpackter Rückzug nach Maß. Jetzt hofft er, dass beide Länder beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius als Mitglieder vereint auftreten könnten.

Haavisto hatte schon unmittelbar nach Erdoğans positiven Signalen Richtung Helsinki gesagt, „natürlich“ mache sich seine Regierung auch Gedanken über ein mögliches Beitritts-Szenario zunächst ohne Schweden. Unmittelbar vor seinem Treffen mit Billström berichtete die Zeitung „Iltalehti“ über eine hinter den Kulissen schon vor Weihnachten erfolgte Einigung der finnischen Regierung mit Ankara auf eine dortige Ratifizierung des eigenen Antrags ohne Schweden. Die Nachrichtenagentur Bloomberg ergänzte, dass damit im März zu rechnen sei.

Nato-Beitritt: Erdoğan könnte Feldzug gegen Schweden fortsetzen

Damit könnte Erdoğan bis zu den heimischen Wahlen im Mai seinen stark innenpolitisch ausgerichteten Feldzug gegen Schweden als angeblicher Heimstatt kurdischer Terroristen fortsetzen. Gleichzeitig hätte er mit der Zustimmung zur Aufnahme Finnlands dem zunehmendem Druck aus Washington und der Brüsseler Nato-Zentrale wenigstens ein Stück nachgegeben, die das bisher klägliche Scheitern der Nord-Erweiterung in ganz schlechtem Licht dastehen lässt.

Recep Tayyip Erdoğan: Das ist der Präsident der Türkei

Im Jahr 2017 setzte Recep Tayyip Erdogan mithilfe eines Referendums eine Verfassungsänderung durch, bei der es vor allem um die Bündelung der Exekutivbefugnisse ging. Dadurch gewann der türkische Präsident noch mehr Einfluss auf die Justiz. Die Opposition sprach von Wahlbetrug. Auch Untersuchungen von Forschenden legen nahe, dass das Referendum manipuliert wurde.

Offen blieb beim Ministertreffen in Helsinki, welchen Einfluss das Erdbeben in der Türkei auf die dortige Innenpolitik und damit auch die Nato-Erweiterung bekommen kann. Unabhängig davon ist in den letzten Wochen in Finnland der Schulterschluss mit den schwedischen Nachbarn immer stärker infrage gestellt worden. Bei jüngsten Umfragen sprach sich eine Mehrheit von 53 Prozent für einen Solo-Beitritt auch ohne Schweden aus.

Zwei Monate vor den Reichstagswahlen ist das auch für die sozialdemokratische Regierungschefin Sanna Marin wohl eine wichtige Information, die Folgen zeigt. „Iltalehti“ zitierte in ihrem nicht dementierten Bericht eine Quelle aus Regierungskreisen, die auf Finnlands 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland verwies: „Unsere geopolitische Stellung ist deshalb eine ganz andere als die Schwedens.“ Von den 30 Nato-Mitgliedsländern haben 28 bisher der Aufnahme Schwedens und Finnlands zugestimmt. Die Ratifizierung im ungarischen Parlament gilt als sicher und wird bis Ende des Monats erwartet.

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