Flüchtlinge
Ziviler Ungehorsam: Norwegischer Bischof muss nicht in Haft
Der norwegische Bischof Gunnar Stålsett erkämpft eine Gesetzesänderung zugunsten abgelehnter Asylbewerber – und kommt mit einer Bewährungsstrafe davon.
Der 84-jährige Bischof Gunnar Stålsett hat Norwegens Regierung durch zivilen Ungehorsam eine Gesetzesänderung zugunsten abgewiesener Asylbewerber abgetrotzt. Er kommt dafür auch nicht hinter Gitter, wie von der Osloer Staatsanwaltschaft verlangt. Das zuständige Gericht beließ es am Donnerstag bei einer Bewährungsstrafe von 45 Tagen, nachdem Stålsett die seit 19 Jahren als abgewiesene, aber nicht abschiebbare Asylbewerberin im Land lebende Lula Tekle (55) gesetzeswidrig als Haushaltshilfe beschäftigt, entlohnt und damit über Wasser gehalten hat.
Nur wenige Stunden vor dem Urteil hatten die vier Parteien der Mitte-rechts-Regierung eine Amnestieregelung für ältere und seit vielen Jahren in Norwegen als abgewiesene Asylberwerber nur geduldete Menschen bekanntgegeben. Sie sollen ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht und damit auch eine Arbeitserlaubnis bekommen, wenn ihr Lebensalter plus die Zahl der im Land verbrachten Jahre mindestens 65 ergibt. Die heimischen Medien nennen die Regelung nach dem Namen von Stålsetts Haushaltshilfe „Lex Tekle“.
Bischof Stålsett aus Norwegen spricht von „Akt der Barmherzigkeit“
Der als „moralischer Kompass“ enorm populäre pensionierte Bischof, der anderthalb Jahrzehnte im Nobelkomitee über die Vergabe des Friedensnobelpreises mitentschieden und 2001 das norwegische Kronprinzenpaar getraut hat, erneuerte in der Verhandlung sein öffentlich bekundetes „uneingeschränktes Geständnis“. Die jahrelange Verletzung des Arbeitsverbotes sei als Akt der Barmherzigkeit für ihn Christenpflicht gewesen und ein bewusster Verstoß gegen unmenschliche Regeln für die etwa 3000 in Norwegen aus unterschiedlichen Gründen nicht abschiebbaren Asylbewerber. Stålsett meint, dass die Gesellschaft diese Menschen nicht barbarisch über viele Jahre durch erzwungenes Nichtstun, ohne Rechte und in extremer Armut zu Grunde gehen lassen dürfe.
Er habe das gesetzeswidrige Arbeitsverhältnis der Möglichkeit legaler Geld- oder Sachspenden für die Frau aus Eritrea vorgezogen, weil Tekle selbst eine Gegenleistung erbringen wollte. „Denn Arbeit war ihr Stolz. Sie gibt ihr Würde. Und ich wollte sie nicht zur Bettlerin machen.“ Zur politischen Seite seines Handelns sagte Stålsett: „Ich erachte es als meine Pflicht als Bürger dieser Gesellschaft, für die Änderung von Gesetzen zu arbeiten, die zu nicht akzeptablen Konsequenzen für unsere Mitmenschen führen.
Bischof Stålsett aus Norwegen: „Barmherzigkeit ist eine politische Möglichkeit“
In den Monaten seit Bekanntwerden dieses zivilen Ungehorsams hatte Stålsett seines Landsleute öffentlich aufgefordert, es ihm gleichzutun, um die Politik zum Einlenken zu bewegen. „Barmherzigkeit ist eine politische Möglichkeit“, sagte er dabei und setzte damit vor allem die beiden kleinen Parteien „Venstre“ und Christliche Volkspartei in der Regierung der konservativen Ministerpräsidentin Erna Solberg unter Zugzwang. Sie einigten sich mit Solbergs Partei und auch den mitregierenden Rechtspopulisten der Fortschrittspartei auf die allerdings nur einmalig für Kommendes Jahr geltende Amnestieregelung.