Erst ermittelt der inzwischen 75-jährige Van Veeteren in seinem von Nesser erfundenen fiktiven Land, das kräftig an die Niederlande erinnert. Gunnar Barbarotti, knapp zwei Jahrzehnte jünger, beginnt unterwegs in der Geschichte mit der Aufklärung eines anderen Falls im real existierenden Schweden. Nach und nach enthüllt sich bei steigender Totenzahl, dass beide es hier wohl mit ein und demselben Täter zu tun haben. Klar, dass sie einander vor der nicht so umwerfend überraschenden Aufklärung kennenlernen.
Der längst pensionierte Van Veeteren ist eigentlich auf der Flucht vor dem Zwangsfeiern zu seinem 75. Geburtstag, als ein schweres Eingeständnis fällig wird. Er hat beim schrecklichen Feuertod von vier jugendlichen Mitgliedern des Linkshänder-Clubs im Dörfchen Oosterby vor einem Menschengedenken auch wieder schrecklichen Mist gebaut: Als die Reste des von ihm als Mörder entlarvten, aber spurlos verschwundenen letzten Linkshänders gefunden werden, ist einwandfrei klar, dass der in Wirklichkeit das fünfte Mordopfer war.
Der von Barbarotti mit einem Axthieb in der Schädeldecke gefundene Tote in einer westschwedischen Sommerhütte hat auch ein paar Verbindungen zu Linkshändern. Sowie vor allem auch zu einer der beiden eineiigen Zwillingsschwestern Clara und Brigitte, die gerne mal die Identitäten tauschten. Eine war beim Feuer ums Leben gekommen. Aber welche? Und welche dunkle Vorgeschichte haben die fünf Linkshänder mit in den Feuertod genommen?
Wie fast immer bei Nesser wird eine gut ausgedachte, kribbelnd komplexe Krimi-Story zum Lesegenuss durch die psychologische Tiefe der Personenschilderung. Ohne Hast und brutale Knalleffekte stellt der Autor seine Figuren auch unabhängig vom Plot mit allerlei interessanten Prägungen, Eigenschaften und überraschenden Absonderlichkeiten, kleinen wie mitunter großen, vor. Van Veeteren hat altersgemäß ganz andere Interessen als neue Fahndungsmaloche und muss vom hier viel wacheren Geist der Ehefrau Ulrike immer wieder in Gang gebracht werden.
Es macht Spaß, von ihrem verbalem Pingpong miteinander zu lesen, genau wie über das Beziehungsgeflecht zwischen den jugendlichen Mitgliedern im Linkshänder-Club.
Souverän wechselt der Autor zwischen Perspektiven und Zeitebenen dieser Geschichte über ein halbes Jahrhundert. Dabei swingt die erste Hälfte dieser satten 600 Seiten besser als in der zweiten, nachdem Barbarotti sein Entee gehalten hat. Vielleicht hätte Nesser es besser bei der Wiedererweckung von einem Serienhelden belassen. Barbarotti ist ja im Gegensatz zu Van Veeteren weder biologisch im Rentenalter noch seiner beruflichen Tätigkeit in Kopf und Herz müde.
– Håkan Nesser: Der Verein der Linkshänder, btb Verlag, München, 608 Seiten, 24,00 Euro, ISBN: 978-3-442-75815-9.