Lesbische Aktivistin:
Alternativer Nobelpreis für Uganderin
Von Thomas Borchert

Die Jury der Stiftung „Right Livelihood Award“ begründete ihre Entscheidung am Donnerstag in Stockholm damit, dass sich die Juristin aus Ostafrika „trotz unerträglicher Einschüchterung und Gewalt mit Mut und Hartnäckigkeit für das Recht von LSBT auf ein Leben ohne Vorurteile und Verfolgung einsetzt“. Stiftungs-Sprecher Ole von Uexküll wies darauf hin, dass damit zum ersten Mal seit der ersten Vergabe eines Alternativen Nobelpreises 1980 der Kampf gegen die Diskriminierung Homosexueller geehrt wird: „Das war eine große Lücke. Wir haben uns sehr gefreut, dass unter 128 Nominierungen für 2015 diese gekommen ist.“ Auch bei dem seit 1901 in Oslo vergebenen Friedensnobelpreis hat es trotz vieler Vergaben an Menschenrechtler noch nie eine Auszeichnung für die Durchsetzung von Rechten und Anerkennung für Homosexuelle gegeben.
Mit dem Alternativen Nobelpreis – offiziell Right Livelihood Award (Preis für richtige Lebensführung) – werden jedes Jahr Kämpfer für Menschenrechte, Umweltschutz und Frieden geehrt. Der deutsch-schwedische Publizist Jakob von Uexküll hob den Preis 1980 als Alternative und in kritischer Distanz zu den traditionellen Nobelpreisen aus der Taufe. Seitdem wird die Auszeichnung jedes Jahr an mehrere Preisträger vergeben, die sich der drängendsten Probleme unserer Zeit praktisch und beispielhaft annehmen.
Nabagesera, die sich die Auszeichnung aus Schweden mit drei weiteren Preisträgern teilt, hat stets offen als lesbische Frau gelebt und nach eigener Aussage „erst mit 19 begriffen, dass das in meinem Land kriminell ist“. Auslöser für den Sichtwechsel war der Versuch, sie wegen der sexuellen Orientierung von der Universität zu verweisen. Nabagesera trat als einer der ersten Frauen in Uganda öffentlich für die Rechte Homosexueller auf und gründete die erste LSBT-Organisation. Sie beteiligte sich an Protesten gegen das hetzerische Outen von Schwulen und Lesben in großen Medien mit der Aufforderung zu Lynchjustiz. 2011 wurde ihr Mitstreiter David Kato in seinem Haus mit Hammerschlägen getötet.
Während zahlreiche LSBT-Aktivisten aus Angst vor Gewalt und staatlicher Verfolgung aus Uganda flüchteten, ist Nabagesera geblieben. Sie musste häufig den Wohnsitz wechseln und gründete als Gegenöffentlichkeit die Homosexuellen-Zeitschrift „Bombastic“. Benannt ist das Blatt nach ihrem eigenen Spitznamen aus dem unerschrocken offenen Auftreten als jugendlicher Lesbierin.
“Enorme Ehre und Anerkennung”
Über die Zuerkennung des Alternativen Nobelpreises meinte die Uganderin in einer Erklärung aus Kampala: „Er ist eine enorme Ehre und Anerkennung der Arbeit, die ich mit einer Handvoll Aktivisten vor zehn Jahren gestartet habe.“ In vielerlei Hinsicht sei die Lage in ihrem Land seitdem „durch die heute viel unverhülltere Verfolgung schlimmer geworden“. „Andererseits sind wir heute sichtbarer. Jeder weiß, was ‚kuchu‘ ist, unser Slangwort für LSBT.“ Sie hoffe, dass der Preis „ein paar Türen für den Dialog öffnet mit denen, die noch nicht begreifen, warum die Menschenrechte allen gehören, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität.“
Bei öffentlichen Auftritten prangert Nabagesera neben der eigenen Regierung auch „zunehmende staatlich gesponserte Homophobie“ in Ländern wie Nigeria, Kenia, Äthiopien und auch Russland an. In Afrika spielt nach ihrer Aussage neben muslimischen und katholischen Einflüssen insbesondere auch die „Anti-Homo-Propaganda von Evangelisten aus den USA“ eine besonders unheilvolle Rolle. Bestes Beleg war eine von Mugabes zahlreichen Tiraden gegen Homosexuelle bei der UN-Vollversammlung. Er sagte: „Wir lehnen auch Versuche ab, uns ‚neue Rechte‘ zu verschreiben, die unseren Werten, Normen, Traditionen und unserem Glauben widersprechen. Wir sind doch keine Schwulen!“
Mit dem Alternativen Nobelpreis sollen Leistungen zur Bewältigung der „dringendsten Herausforderungen unserer Zeit“ belohnt werden. Der schwedisch-deutsche Publizist und zeitweilige Europa-Parlamentarier für die Grünen, Jakob von Uexküll, hatte die Stiftung mit dem Verkauf seiner Briefmarkensammlung finanziert. Er begründete die Initiative auch als Kritik an den traditionellen Nobelpreisen: Sie seien an konservativen westlichen Vorstellungen orientiert und würden überwiegend an konservative westliche und fast immer männliche Preisträger vergeben.
Nabagesera teilt sich den diesjährigen Alternativen Nobelpreis mit dem Volk der Marshallinseln und dem dortigen Politiker Tony de Brum für den Kampf gegen Atomrüstung und Atomtests, der kanadischen Inuit-Vorkämpfern Sheila Watt-Cloutier sowie dem Italiener Gino Stada und der Organisation Emergency für die medizinische Betreuung von Opfern gewaltsamer Konflikte. Der „Ehrenpreis“ an die Marshallinseln ist undotiert, die anderen drei Preisträger teilen sich 320 000 Euro. Im vergangenem Jahr wurde der US-Whistleblower Edward Snowden für seine Enthüllungen der NSA-Überwachungspraktiken ausgezeichnet. Überreicht werden die diesjährigen Preise am 30. November in Schwedens Reichstag.