Konvention gegen Staatenlosigkeit

Ausbürgerung: Dänische Regierung setzt für eine Handvoll IS-Kämpfer den Rechtsstaat außer Kraft

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Nordsyrien

Türkei-Angriff in Syrien: Furcht vor Rückkehr von IS-Kämpfern wächst

  • von Stefan Brändle
  • Thomas Borchert

Nach Türkei-Angriff in Syrien bringt Dänemark ein Gesetz ein und Frankreich schlägt Alarm – in Europa will man die Terroristen lieber ausbürgern.

Die türkische Militäroffensive im syrischen Kurdengebiet wirft erneut die Frage nach dem Umgang mit den dort inhaftierten ausländischen IS-Kämpfern und ihren Angehörigen auf. Ankara erwartet, dass die Heimatländer ihre Staatsangehörigen zurückholen. Die Bereitschaft dazu ist in vielen europäischen Staaten gering. So beschloss beispielsweise der Deutsche Bundestag im Juni mit den Stimmen der großen Koalition ein Gesetz, das es ermöglicht, Kämpfern „terroristischer Vereinigungen“ mit Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft abzuerkennen.

Die dänische Regierung geht beim Thema Ausbürgerung mit einem Eilgesetz noch einen Schritt weiter. So sollen erste Möglichkeiten zur Ausbürgerung von IS-Kämpfern ohne zweite Staatsbürgerschaft öffnet werden. Dies war bisher auch für Dänemark als Unterzeichnerstaat der internationalen Konvention gegen Staatenlosigkeit tabu. Im Gesetzentwurf heißt es jetzt: „In die Bewertung, ob eine Person durch die Ausbürgerung staatenlos wird, kann auch eingehen, ob der/die Betreffende die Staatsbürgerschaft in einem anderen Land durch einfache Registrierung bei den zuständigen Behörden erwerben kann.“

Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen begründet die Initiative mit dem Risiko für den Zusammenbruch von Gefangenenlagern im bisher kurdischen Teil Syriens, so dass die IS-Kämpfer freikommen: „Sie sind ein Risiko für unser aller Sicherheit und unerwünscht. Die Regierung wird deshalb alles nur Denkbare tun, um sie an der Rückkehr nach Dänemark zu hindern.“ Nach Inkrafttreten der Neuregelung kann das Ausländerministerium in Kopenhagen mit einem simplen Verwaltungsentscheid den jeweiligen Pass bei Vorlage entsprechender Informationen vor allem durch den Geheimdienst PET mit sofortiger Wirkung entziehen, auch wenn die Person sich im Ausland aufhält und weder angehört noch gerichtlich verfolgt werden kann.

„Islamistische Hydra“

Kurz nach der Sommerpause hatte die Regierung schon angekündigt, dass neugeborene Kinder von dänischen IS-Kämpfern nicht mehr in jedem Fall die Staatsangehörigkeit der Eltern zuerkannt bekommen sollten.

Kopenhagen hat sich auch mit Händen und Füßen gegen die Forderung von Menschenrechtsorganisationen gewehrt, die Kinder gefangener Staatsbürger in den bisher unter kurdischer Kontrolle stehenden Lagern nach Hause zu holen.

Auch in Frankreich wird über die Möglichkeiten diskutiert, die IS-Kämpfer von der Heimat fernzuhalten. Ohne die logistische und nachrichtendienstliche Hilfe der Amerikaner sind Frankreichs Luftwaffe und Spezialeinheiten in Syrien nicht mehr einsatzfähig. Für Frankreich ist das besonders hart: Mit seiner Militärmission wollte die ehemalige Mandatsmacht in Syrien (1920-1946) einen gewissen Einfluss zwischen USA und Russland aufrechterhalten. Vor allem aber sollte dieser Einsatz gefährliche IS-Dschihadisten von Frankreich und seinen Banlieue-Vierteln fernhalten.

Diese Strategie droht nun zu scheitern, wie auch Außenminister Jean-Yves Le Drian einräumt: „Die Offensive der Türkei gefährdet fünf Jahre Einsatz gegen den IS.“ Macron meinte ohne diplomatische Umschweife, die einseitige Operation der Türkei müsse „sofort aufhören“. Denn sie könne nur den IS-Milizen helfen, ihr Kalifat wieder aufzubauen.

Frankreich steht weiterhin unter dem Eindruck des jüngsten Messerattentates in Paris, bei dem vier Polizistinnen und Polizisten ums Leben kamen. Macron kündigte einen entschlossenen Kampf gegen die „islamistische Hydra“ an. Dazu passen die Meldungen über allfällige „Rückkehrer“ aus Syrien aber schlecht.

Der ehemalige Chef der französischen Polizei, Frédéric Péchenard, sagte, ein „beträchtlicher Teil“ der 2500 ausländischen IS-Kämpfer, die sich in kurdischer Haft befänden, seien Franzosen. Wenn sie großräumig in Freiheit kämen, sei das für Frankreich „äußerst besorgniserregend“.