Über mein Leben im total digitalisierten Dänemark

Alles nur noch online in Dänemark
Erstellt: 30.09.2022
Von: Thomas Borchert

Die Digitalisierung ist in Dänemark längst selbstverständlich, ja sogar verpflichtend. Briefe auf Papier schreibt niemand mehr, und ohne persönliche Online-ID geht beim Kontakt zu Behörden gar nichts.
Die Dänin Ellen feuert gerne Spott ab, wenn sie mich, ihren zugewanderten Ehemann, wieder mal unseren Briefkasten aufschließen sieht. Ich gucke jeden Tag erwartungsvoll hinein, obwohl „PostNord“ Briefe aus Papier schon lange nur noch einmal pro Woche bringt. Richtig gelesen: einmal die Woche. Natürlich ist der Blechbehälter mit unseren Namen immer leer. Niemand im durchdigitalisierten Dänemark bedient sich noch der altmodischen Mitteilungsform. Der Freundeskreis oder die Verwandtschaft nicht, die Unternehmen mit offenen Rechnungen auch nicht und erst recht nicht die Behörden.
Diese verweigern auch die Entgegennahme von Papierpost. Seit 2014 schon sind alle Menschen ab ihrem 15. Lebensjahr beim Kontakt zum Staat zwangsdigitalisiert. Wir müssen einen elektronischen Briefkasten namens „Eboks“ unterhalten, sind gesetzlich verpflichtet, ihn in kurzen Abständen zu checken und unsere Anliegen stets digital in die andere Richtung zu schicken.
Online geht ja alles so viel schneller und effektiver. Sollten Ellen und ich von unserer Ehe die Nase voll, aber sonst keine handfesten Meinungsverschiedenheiten haben, setzen wir uns einfach vor den Rechner. Wir loggen uns mit dem für alle obligatorischen „MitID“ („MeineID“) ein auf „borger.dk“, haben Zugriff auf unsere Konten, füllen das passende Online-Formular aus und überweisen 650 Kronen (87,40 Euro) Gebühr. Wenn das System das Formular nach dem Klick auf „Senden“ annimmt, sind wir rechtskräftig geschieden und bekommen automatisch eine digitale Quittung. Das war’s. Also hypothetisch.
