Schweden kurz vor der Wahl

Schweden-Wahl 2022: Programm der Intoleranz
10.09.2022
Von: Thomas Borchert
Schweden wählt am Sonntag (11. September) seinen nächsten Reichstag. Die Rechtsextremen werden schon als die großen Gewinner gehandelt.
Stockholm – Vor der Schweden-Wahl 2022 am Sonntag (11. September) stehen bei wackligen Mehrheitsverhältnissen ein paar Sieger wohl schon fest. Die aus Nazigruppen entstandenen Schwedendemokraten (SD) können sich laut Umfragen darauf einrichten, zur zweitstärksten Kraft mit vielleicht mehr als 20 Prozent aufzusteigen. Überparteilich auf der Siegesstraße unterwegs sind die Befürworter:innen von Atomkraft als Rettung vor Energieknappheit und alle, die drastisch höhere Strafen für ein Allheilmittel gegen Kriminalität halten.

Der Kampf gegen die Klimakatastrophe ist im Land von Greta Thunberg als Wahlkampfthema auf der Strecke geblieben. „Zusammen in der Finsternis“ hieß denn auch der Song, den die 19-jährige Erstwählerin mit Schwedens populärstem Rockmusiker Håkan Hellström vor 72 000 Menschen im Göteborger Ullevi-Stadion anstimmte.
Vor der Schweden-Wahl: Der Staat soll Härte zeigen
Draußen ist ihre Botschaft von der Mainstream-Politik diesmal nicht angekommen. Stattdessen kämpfen die Minderheitsregierung der Sozialdemokratin Magdalena Andersson und das Lager des konservativen Oppositionschefs Ulf Kristersson um Stimmen mit immer neuen Vorschlägen, wie maximale staatliche Härte die explosiv gestiegene Zahl immer brutalerer Gang-Rivalitäten eindämmen kann. So katastrophal sind die Zahlen und immer neuen Beispiele, dass sie neben der Klimapolitik auch den Ukraine-Krieg mit Schwedens bevorstehendem Nato-Beitritt und die explodierenden Energiepreise samt Inflation als Wahlkampfthema schlagen. In diesem Jahr sind bisher bei 249 Schießereien 47 Menschen gestorben, darunter Mütter mit Kleinkindern als Zufallsopfer. Schweden mit seinen gut zehn Millionen Menschen hält hier einen trostlosen Europarekord.

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Andersson eilte etwa mitten im Wahlkampf ins Malmöer Einkaufszentrum Emporia, nachdem dort ein 15-Jähriger ein konkurrierendes Gangmitglied erschossen und eine Frau schwer verletzt hatte. Klar, dass die seit acht Jahren regierenden Sozialdemokraten als Beweis ihrer gescheiterten Integrationspolitik verantwortlich gemacht werden. Anderssons Wahlslogan „Unser Schweden kann es besser“ darf auch als Eingeständnis verstanden werden. „Aber jetzt werden wir jeden Stein wenden“, verspricht die Regierungschefin.
Vor der Reichstagswahl in Schweden: Sozialdemokraten bei 28 Prozent
Ihre Partei steht in Umfragen ungefähr bei den 28 Prozent der vergangenen Wahl. Sie hat komplett umgeschwenkt auf den im Nachbarland Dänemark praktizierten Kurs maximaler Härte, etwa mit Verdoppelung von Strafmaßen für Vergehen in „Problem-Wohngebieten“ mit staatlich regulierter ethnischer Bewohnerzusammensetzung. „Wir wollen in Schweden keine Somalitowns“, verkündet die Wahlkämpferin Andersson.
Ihr konservativer Herausforderer Kristersson kann das meistens toppen, wird aber seinerseits von den SD-Rechtsaußen noch viel wirkungsvoller übertrumpft. Parteichef Jimmi Åkesson kommt auch persönlich mit seelenruhig vorgetragenen Forderungen nach „praktisch null Asyl“ und „Europas niedrigster Zuwanderung“ bestens an. Seine Partei hat in den Umfragen bei Zahlen um 20 Prozent die Konservativen überholt. Für Kristersson ein Riesenproblem, denn eigentlich will er Andersson als Regierungschef mit Åkesson als kleinerem Partner in der Rolle der Mehrheitsbeschafferin ablösen.