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Windkraft-Weltmeister Dänemark öffnet sich für Atomkraft

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Frankfurter Rundschau - 15.05.2025
Dänemark schwenkt auf Atomkraft um
Parlament veranlasst Prüfung für einen Einstieg / Unabhängigkeit von russischem Gas als Grund
Die Atomkraft-Befürworter können einen prestigeträchtigen Etappensieg feiern. Sogar Dänemark, wo seit 1985 ein kategorisches Verbot für diese Energieerzeugung gilt und stattdessen die Windkraft zu einem weltweit bewunderten Markenzeichen aufgeblüht ist, peilt jetzt den Einstieg an. Zwar hat das Kopenhagener Parlament die von der Rechts-Opposition geforderte sofortige Aufhebung des Atomkraftverbots noch mal abgelehnt. Aber die Regierungsmehrheit stimmt der „Prüfung von Potentialen, Möglichkeiten und Risiken“ zu. Die sozialdemokratische Regierungschefin Mette Frederiksen erklärt den Schwenk ihrer Partei so: „Wir sollten das mit offenen Augen angehen. Es ist besser, Atomkraft in Europa zu haben als von russischem Gas abhängig zu sein.“

Klima- und Energieminister Lars Aagaard kann nicht ganz so hemmungslos populistisch argumentieren. Er verweist auf die „technologische Entwicklung mit kleinen SMR-Reaktoren“ (Small Modular Reaktors) und beteuert, die Regierung wolle natürlich daran festhalten, dass „Wind und Sonne der billigste und schnellste Weg zur grünen Umstellung“ seien. Vizepremier Troels Lund Poulsen, wie Aagaard aus dem bürgerlichen Lager, freut sich schon hoffnungsvoll auf „die neuen Reaktortypen, die uns billige, CO₂-neutrale Energie liefern können.“

Dabei ist Dänemark auch ohne die Risiken der Atomkraft und frei von den nach wie vor ungelösten Endlagerungsproblemen für radioaktiven Müll mit CO₂-freien Alternativen so weit gekommen wie kein anderes Land. Für 57 Prozent des Stroms sorgen Windkraftanlagen mit fast unbegrenzten Ausbaumöglichkeiten vor mehr als 7000 km Nord- und Ostseeküste. Zusammen mit der hier im Norden nicht ganz so unbegrenzt sprudelnden Solarenergie werden knapp zwei Drittel der Elektrizität klimaneutral erzeugt. Das passt zum derzeitigen Siegeszug der E-Autos, die inzwischen 80 Prozent bei den Neuverkäufen ausmachen.

Das passt auch zur sympathischen Vorbildrolle, die der skandinavische Nachbar seit einem halben Jahrhundert für die Anti-Atomkraft-Bewegung in der Bundesrepublik hatte. In Aarhus entwarf die Dänin Anne Lund das legendäre gelbe Emblem „Atomkraft Nein Danke“ mit der lachenden roten Sonne. In einer „Tvind“-Heimvolkshochschule im Westen Jütlands entstand 1978 die erste Windkraftanlage als Fanal gegen die auch hier aktive Atomlobby.

Verbot seit 19851985, ein Jahr vor der Kernschmelze in Tschernobyl, kam dann mit dem Parlamentsbeschluss gegen jede Form von Atomkraft der weltweit beachtete K.O-Sieg der Anti-AKW-Bewegung. Einig war sich ganz Dänemark sowieso im 2005 erfolgreichen Widerstand gegen das schwedische Atomkraftwerk Barsebäck, irrsinnigerweise nur 20 Kilometer von der Millionenstadt Kopenhagen sowie auch Schwedens drittgrößter Stadt Malmö platziert.

Aber die Volksstimmung hat sich jetzt auch in diesem Sehnsuchtsland der Atomkraft gedreht. Bei neuen Umfragen sprechen sich 40 Prozent für den Bau von Atomkraftwerken und nur noch 25 Prozent dagegen aus. Dahinter steht neben schwankenden Strompreisen, der zunehmenden geopolitischen Unsicherheit im Gefolge des Ukraine-Krieges und Donald Trump im Weißen Haus auch Hausgemachtes. Land und Küste gelten vielen als zu voll gepflastert mit Windkraftanlagen. Dänemarks erfolgreichste Rechtspopulistin Inger Støjberg ätzt gegen hässliche Solar-„Eisenfelder“ auf Ackerflächen. Das schon immer für Atomkraft werbende Bürger-Lager „Folketing“ in Dänemarks Parlament, hat es in dieser Gemengelage geschafft, nach den beiden Koalitionspartnern der Sozialdemokraten auch die größte Regierungspartei selbst umzupolen. Alle lesen eben Umfragen.

Als etwas überraschend lautstärkste Kritikerin dieser Wende äußert sich in Medien-Anzeigen Dänemarks größter Stromversorger Andel mit mehr als drei Millionen Haushaltskunden: Die Atomkraft sei mit noch unerprobten neuen Mini-Atomkraftwerken reine Zukunftsmusik. Sie werde in jedem Fall mindestens doppelt so teuer wie ein zielstrebiger und dem Klima zuliebe, schneller Ausbau von Wind- und Sonnenkraft.

Bjarke Møller, Chef des vom Staat berufenen Expertenrates „für die grüne Umstellung“ ergänzt, die Politik habe die rückläufigen Prognosen für den Ausbau der Windkraft und deren sinkende Popularität selbst zu verantworten. Etwa durch prestigeträchtige Gigant-Projekte wie zwei künstlichen „Energieinseln“, die dann bei den Mühen der Ebene gestrandet sind. Und dabei sei es doch lange so gut gelaufen: „Dänemark hat alle Voraussetzungen, sich ab 2030 mit sauberem und billigem grünen Strom zu versorgen.“ Nur dürfe es dafür keinen „Zickzack-Kurs“ geben.

Gruseliges aus Dänemark: Wie Politik, Behörden und Justiz eine Existenz nach israelkritischem Facebook-Post ruinieren

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Wenn Dänemark unfreundlich wird: Ausbürgerung droht wegen Facebook-Post

06.05.2025

Von: Thomas Borchert

Eine Frau soll ausgebürgert werden, nachdem sie in einem Post in sozialen Medien den Hamas-Überfall vom 7. Oktober gerechtfertigt hat.

Kopenhagen – Ein einziger Facebook-Post vor anderthalb Jahren hat die Existenz der gebürtigen Hamburgerin Nadine in Dänemark auf den Kopf gestellt. Die 28-Jährige muss sich nicht nur demnächst in zweiter Instanz wegen „Billigung von Terror“ vor Gericht verantworten. Was Parteien und Behörden außerdem gegen die 28-jährige Mutter von zwei Kindern in ihrem Dorf auf der Insel Fünen unternehmen, spottet allen Lobeshymnen auf das freundlichen Hygge-Dänemark. Parallel zur strafrechtlichen Verfolgung haben die Behörden der Frau mitgeteilt, dass ihre per Adoption vor 19 Jahren erlangte dänische Staatsbürgerschaft null und nichtig sei. Die rechte Opposition im Kopenhagener Parlament verlangt außerdem, dass nach einer Verurteilung Nadine auch abgeschoben gehöre.

Ausländerminister Kaare Dybvad Bek teilt dazu mit, die Staatsanwaltschaft werde das gegebenenfalls in Erwägung ziehen. Dem rechtspopulistischen Vorsitzenden im Staatsbürgerschaftsausschuss des Parlaments reicht dies immer noch nicht: Mikkel Björn findet auch den Status von Nadines Kindern – drei und fünf Jahre alt – suspekt. Deren dänische Staatsbürgerschaft sei womöglich eine „Nullität“, also wertlos und folglich ebenfalls zu streichen.

Vor dem Krieg in Israel: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern 

Israelkritischer Kommentar auf Facebook ist Auslöser der Ausbürgerung

Der Auslöser dieses politischen Orkans ist Nadines Kommentar auf Facebook zu einem Zeitungsartikel mit Titel „7000 Kinder in Gaza sind tot. Haben wir zu lange weggesehen?“ Sie schrieb: „Da gab es 73 Jahre Krieg, aber jetzt erst schlägt Hamas richtig zurück. Aus gutem Grund! Das würde jedes andere Volk auch tun.“ Der Frankfurter Rundschau sagt sie dazu (und will aus Angst ihren Nachnamen für sich behalten): „Ich bereue, dass ich Hamas und nicht stattdessen das palästinensische Volk geschrieben habe.“ Sie distanziere sich im Übrigen vom Überfall am 7. Oktober und habe auf Facebook auch gepostet, dass „ihr Herz für die Israelis und die palästinensischen Kinder und deren Eltern blutet“.

Parteiischer Wettlauf: Dänische Regierungschefin Frederiksen will „Terrorbilliger“ zur Strecke bringen

Das hat ihr aber nicht geholfen gegen den von Regierungschefin Mette Frederiksen in Gang gesetzten Wettlauf zwischen Politik, Justiz und Staatsbürokratie, wer die meisten „Terrorbilliger“ zur Strecke bringen kann. Nachdem das „Folketing“ das Gesetz nach dem Hamas-Überfall auf Israel verabschiedet hatte, verlangte Frederiksen Rechenschaft vom Justizministerium, wie konsequent es das Gesetz gegen Personen anwende, die mit „beunruhigendem Verhalten“ – sprich der Billigung von Terror durch die Hamas – „unsere dänischen Werte missachten“.

Der Fachminister forderte postwendend die ganze Bevölkerung zum Handeln auf. So landete auch Nadines Post per Anzeige bei der Polizei in Odense. Die wollte den Fall nach Sichtung sonstiger Online-Aktivitäten sowie einem Gespräch als offensichtliche Bagatelle abhaken. Die Staatsanwaltschaft widersprach und ordnete Anklageerhebung an. Das Verfahren in Odense (eins von derzeit 19) brachte im Oktober einen einstimmigen Freispruch.

Der Rechtsaußen Björn forderte die Staatsanwaltschaft aber zur Revision auf. Noch gibt es keinen Termin und juristisch sind Björns Forderungen populistischer Unsinn. Das weiß auch der sozialdemokratische Ausländerminister, befolgt aber mit der vage zustimmend klingenden Antwort wie immer das Grundmantra seiner Partei, sich in der „strammen Ausländerpolitik“ nie nach rechts eine Blöße zu geben.

Nadines Vater ohne Schlaf: „Alptraum“ – Wegen Israelkritik vor dem Aus in Dänemark

Was über Nadine da hereinbricht, bringt ihren Adoptivvater Peter, seit zwei Jahrzehnten mit ihrer biologischen Mutter verheiratet, um den Schlaf: „Ich hab wach den Alptraum, dass meine Tochter plötzlich ohne ihren dänischen Partner und ihre Kinder auf der Straße in Deutschland landet.“ Ausgelöst hat das ein Brief der Familienbehörde: Die Einbürgerung durch Adoption des Stiefvaters 2006 sei ein „bedauerlicher Fehler, für den wir uns entschuldigen“.

Konsequenz des „bedauerlichen Fehlers“: Die Adoptivtochter sei zu keinem Zeitpunkt Dänin gewesen und müsse nun als Deutsche eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Begründet wird die sehr plötzliche Einsicht nach 20 Jahren – und auffallend schnell nach dem ersten Gerichtsverfahren – mit der „Neuinterpretation“ eines Paragrafen zu Adoptionen im Einbürgerungsrecht.

Nadine kämpft zusammen mit den Eltern für den Erhalt ihrer dänischen Staatsbürgerschaft. Fassungslose Mitbürger:innen wiederholten den inkriminierten Facebook-Post und verlangen von den Behörden, nun auch strafrechtlich verfolgt zu werden. Andere haben den rechtsliberalen Europaabgeordneten Henrik Dahl angezeigt, der bisher unbehelligt auch etwas zu Gaza gepostet hat: „Die Palästinenser sind ein Haufen Idioten, die sich immer zu Opfern machen. Könnt ihr nicht einfach ins Meer springen?“

Sipri: Die globale Rüstungsspirale beschleunigt rasant

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Aufrüstung wegen des Ukraine-Krieges: Die Welt kauft massenhaft Waffen ein

28.04.2025

Von: Thomas Borchert

Sipri-Bericht 2024: Deutschland führt in Europa erstmals bei der Rüstung. Die Ukraine trägt weltweit die größte Last. Auch andere Staaten rüsten sich auf.

Stockholm – Auf allen Kontinenten klettern die Rüstungsausgaben immer schneller und fressen einen ständig höheren Anteil der Steuereinnahmen. Für 2024 hat das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri mit der Rekordsumme von 2,7 Billionen Dollar (in Euro rund 2,4 Billionen) einen Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr ermittelt. Das sind im Durchschnitt 2,5 Prozent des staatlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) der Welt. 2023 waren es noch 2,3 Prozent. Seit 1989, mit dem Ende des Kalten Krieges, hat es keinen so scharfen Trend nach oben gegeben.

Wie bisher schon zeigen die neuen Vergleichszahlen von Sipri die gewaltige Vormachtstellung der USA. Sie stehen mit 997 Milliarden Dollar für 37 Prozent sämtlicher Militärausgaben global und für 66 Prozent in der Nato. Das gleichwohl weiter heranrückende China gab 314 Milliarden Dollar für sein Militär aus (plus sieben Prozent).

Aufrüstung in Europa wegen des Ukraine-Krieges: Deutschland hinter Russland und Indien

Bei den europäischen Anstrengungen, der russischen Aggression zu begegnen, hat sich Deutschland mit auf 88,5 Milliarden Dollar gestiegenen Rüstungsausgaben der Sipri-Statistik zufolge (die teils von Nato-Zahlen abweicht) erstmals vor Großbritannien und Frankreich platziert. Dahinter stehen Mehrausgaben von 28 Prozent gegenüber 2023. Deutschland landet so auf dem vierten Platz der Stockholmer „Weltrangliste“ hinter Russland und vor Indien.

Dabei ist mit einem deutschen Anteil von 1,9 Prozent am BIP noch nicht mal das inzwischen längst angehobene Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht. Gegen die Entwicklung in Europa mit einem Plus von 17 Prozent (auf 693 Milliarden Dollar) steht laut Sipri nur noch Malta.

Auch in Israel wird aufgerüstet – Ukraine gibt relativ vom BIP am meisten fürs Militär aus

Israels Plus von 65 Prozent auf 46,5 Milliarden Dollar als Folge des Krieges in Gaza ragt weltweit heraus. Russland steigerte seine Ausgaben um 38 Prozent auf 149 Milliarden Dollar, die Ukraine gab mit 64,7 Milliarden Dollar 34 Prozent ihres BIP für militärische Zwecke aus und hatte damit die relativ höchste Last aller Staaten auf der Welt zu tragen.

Auf keinem anderen Kontinent wird derzeit so schnell aufgerüstet wie in Europa. Zu den Staaten mit den höchsten Steigerungsraten ohne direkte Kriegsbeteiligung gehören laut Sipri unter anderem Polen mit 31 Prozent und das neu in die Nato aufgenommene Schweden mit 34. Sipri erklärt die europäische Turbo-Rolle bei der Aufrüstung nicht ganz überraschend mit der „anhaltenden russischen Bedrohung und Sorgen über einen möglichen US-Ausstieg aus der (Nato-)Allianz“.

Qualifizierte Einschränkung – Die ganze Welt rüstet das Militär auf

Die zuständige Institutssprecherin Jade Guiberteau Ricard meint zu dieser Entwicklung: „Man sollte wohl erwähnen, dass das Aufblähen der Militärausgaben allein nicht notwendigerweise zu signifikant höherer militärischer Schlagkraft oder Unabhängigkeit von den USA führen wird.“

Japan steigerte seine Ausgaben um 21 Prozent und Mexiko sogar um 39 Prozent, hauptsächlich, weil der Staat zunehmend (para)militärisch gegen die Drogenkartelle vorgeht.

Auffällig ist für die Stockholmer aber vor allem Nahost. So hätten dort die Staaten „entgegen allgemeinen Erwartungen“ ihre Militärausgaben 2024 nicht angehoben, sehe man von Israel und dem Libanon (plus 58 Prozent) ab. „Die sonstigen Staaten haben als Antwort auf den Krieg in Gaza ihre Militärausgaben nicht wesentlich angehoben oder wurden durch ökonomische Zwänge davon abgehalten.“

So hat ausgerechnet der Iran trotz Beteiligung an den regionalen Konflikten mit Unterstützung von Hamas, Hisbollah und den Huthis den Militärhaushalt um zehn Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar gekürzt. Für Afrika erklärt Sipri dessen krassen Kontrast zum weltweiten Trend mit einem Minus um 6,3 Prozent durch Südafrikas Fiskalstrategie, „Wirtschaftswachstum und Sozialleistungen den Militärausgaben vorzuziehen“. (Thomas Borchert)

Stoltenberg bringt Norwegens Sozialdemokraten wildes Umfragehoch

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Stoltenberg mischt Norwegen auf – und wird in München erwartet, „sobald sein Regierungsamt endet“

16.04.2025

Von: Thomas Borchert

Seit seinem Nato-Abschied bringt Norwegens Politstar die Sozialdemokratie in die Spur. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat das Nachsehen – und muss auf ihren als „Königstransfer“ geadelten Chef warten.

Gerade hat der Kaiser von Japan verlauten lassen, dass er Norwegens Finanzminister Jens Stoltenberg mit dem „Orden der Aufgehenden Sonne“ ehren möchte. Wohl für die zehn Jahre als Nato-Generalsekretär, die dem Sozialdemokraten am Ende auch ungewohnt einträchtige Lobeshymnen aus dem Weißen Haus von Donald Trump und Vorgänger Joe Biden einbrachten. Zwei Monate nur sind seit Stoltenbergs überraschender Rückkehr ins heimische Kabinett vergangen, da feiert auch die regierende Arbeiterpartei den 66-Jährigen beim Kongress im „Folkets Hus“ fast wie einen Wunderheiler. Ein halbes Jahr vor Neuwahlen hat Stoltenberg der Sozialdemokratie und ihrem chronisch unbeliebten Premier Jonas Gahr Støre eine Explosion der Umfragezahlen von 16 auf 30 Prozent beschert.

Auch die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) stimmt in die Hymnen für Stoltenberg ein, obwohl sie sich als geprellt fühlen könnte. Stoltenberg wurde im letzten Oktober nach internem Streit über den gar nicht rücktrittswilligen Christoph Heusgen zum neuen Chef von 2025 an gekürt. „Das ist ein Königstransfer“, befand Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.

Stoltenberg hat „keine anderen Pläne“ – „es gefällt mir im Finanzministerium“

Als Heusgen sich im Februar unter Tränen verabschiedete, hatte Stoltenberg gerade seine sensationelle Rückkehr verkündet – als letzte Hoffnung der Sozialdemokratie gegen ein Wahldesaster im September. „Übergangsweise“ sollte das sein, Stoltenberg werde sein MSC-Amt „ein halbes Jahre ruhen lassen“ sowie „die nächste Konferenz 2026 organisieren und leiten“, meldete die Deutsche Presse-Agentur.

Binnen Wochen verwandelte der zum Polit-Star aufgestiegene Heimkehrer Stoltenberg die Arbeiterpartei vom sicheren Wahlverlierer zum jetzt fast sicheren Sieger. Was ihn im Paarlauf mit dem plötzlich aufblühenden Regierungschef Støre auf andere Gedanken brachte. „Ich trete zur Wahl an, damit diese Regierung wiedergewählt wird und will in der norwegischen Politik weitermachen.“ Er habe „keine anderen Pläne“ – „es gefällt mir im Finanzministerium“.

Überraschende Auskunft zu Stoltenberg aus München

Der TV-Sender NRK erhielt postwendend von MSC-Geschäftsführer Benedikt Franke die überraschende Auskunft: „Wir freuen uns, dass Stoltenberg die Rolle als Finanzminister gefällt.“ Und ausdrücklich: „Wir haben weder uns noch ihm eine Frist gegeben.“ Die Antwort eines MSC-Sprechers auf Anfrage der Frankfurter Rundschau zu Stoltenberg diese Woche: „Er wird zu seiner ehrenamtlichen Funktion an der Spitze der MSC zurückkehren, sobald sein Regierungsamt endet.“

Es bleibt spannend, welche Karrieresprünge Stoltenberg noch in petto hat. Eigentlich wäre das Amt des Regierungschefs in Oslo die natürliche Konsequenz nach dem „Stoltenberg-Effekt“. Vor dem Antritt als Finanzminister, ausgelöst durch den Abgang des liberalen Zentrums aus der Minderheitsregierung, kursierten handfeste Putschpläne in der Sozialdemokratie gegen Støre. Er sollte kurz vor dem Wahlkampf abgelöst werden von der 37-jährigen Arbeitsministerin Tonje Brenna, die 2011 den Massenmord eines Rechtsextremisten an 69 sozialdemokratischen Jugendlichen auf der Insel Utøya überlebt hatte. Vorher ermordete er mit einer Bombe acht Menschen im Osloer Regierungsviertel, wo Stoltenberg auch sein Büro als Ministerpräsident hatte.

Stoltenbergs Ton gegenüber der Ukraine ändert sich

Vor allem das zutiefst mitfühlend menschliche Auftreten nach diesem Terroranschlag hat dem Erfolgspolitiker seinen herausragenden Ruf im eigenen Land eingebracht. Nach dem Wechsel zur Nato 2014 kam die auch wieder breit als gelungen anerkannte Ausfüllung der Rolle des Mahners für mehr Hilfe an die Ukraine und mehr Rüstung gegen Russland hinzu. Sie brachte ihm 2023 die schon fast wie ein Befehl vorgebrachte und von ihm auch so aufgefasste Aufforderung von Biden ein, den Abgang aus Brüssel um ein Jahr aufzuschieben: für den Zusammenhalt in der Allianz.

Damals hatte er eigentlich schon den nächsten Job als Norwegens Nationalbank-Chef angenommen. „Hauptsache, ich komme wieder nach Hause zu meiner Ingrid“, hört und sieht man ihn im Dokumentarfilm „Facing War“, eine Art Heldenepos, im letzten Jahr als Nato-Generalsekretär sagen. Daraus wurde erstmal nichts, der Nationalbank sagte er ab. Genau wie jetzt dem hochelitären Netzwerk Bilderberg. Hier sollte er als „Co-Chair“ die jährlichen Konferenzen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mitleiten. Wo die „ganz Großen“ mal richtig offen miteinander sprechen.

Stattdessen erklärt Stoltenberg nun öffentlich als Hüter des gigantischen norwegischen Reichtums dank Öl und Gas, warum auch die Hilfe an die Ukraine ihre Grenzen haben muss.

Vance tritt in Grönland wie ein imperialer Eroberer auf

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Trumps rechte Hand Vance untermauert in Grönland imperiale US-Pläne

31.03.2025

Von: Thomas Borchert

Vizepräsident J.D. Vance unterstreicht bei einem Besuch auf der nordgrönländischen US-Basis Pituffik abermals die US-Ansprüche. Aus Dänemark kommt Kritik – aber auch ein Gesprächsangebot.

Wir sind offen für Kritik“, hat Dänemarks Außenminister Lars Løkke Rasmussen den Wochenendauftritt von US-Vizepräsident J. D. Vance in der eigenen Space Base Pituffik auf Grönland kommentiert, „aber wir schätzen den Ton nicht, in dem sie vorgebracht wird. So spricht man nicht mit einem engen Verbündeten.“ In Rasmussens Videobotschaft „an die amerikanischen Freunde“ war das noch eine ausgesucht höfliche Reaktion auf die von Vance hier im äußersten Nordwesten der Polarinsel unverhüllt bestätigten Annexionspläne der US-Führung. Hinter den Kulissen und in Medienkommentaren setzt sich in Kopenhagen immer stärker der Vergleich mit dem russischen Propagandafeldzug gegen die Ukraine vor der Besetzung der Krim durch.

Frederiksen kommt

Als Vance am Freitag noch im Anflug war, setzte Donald Trump im Weißen Haus schon den imperialen Ton: „Wir müssen Grönland bekommen.“ Vor den 150 in Pituffik stationierten US-Soldat:innen verpackte Vance die Pläne der stärksten Militärmacht der Welt für die größte Insel der Welt in Komplimente an die Menschen in Grönland. Die (ganze 57 000 an der Zahl) könnten sich von ihrer Verbindung zu Dänemark lossagen, das versagt habe, und sich unter einen US-Schirm stellen. Ob er genau wie Trump auch einen Militäreinsatz für die Übernahme nicht ausschließe, fragte eine mitgereiste Reporterin. „Ich glaube, so weit wird es gar nicht kommen müssen“, antwortete Vance. Auch weil sicher die „großartigen Grönländer“ einsehen würden, dass ihre Zukunft bei den USA viel heller werde nach all den Jahren mit dem für ihre Sicherheit und ihre Wirtschaft „unterinvestierenden“ Dänemark: „Die haben hier keinen guten Job gemacht.“ Für den Fall, dass die Inuit, wie sich Grönlands indigener Bevölkerungsteil nennt, das doch anders sehen, fügte Vance an: „Das hat so zu passieren.“

Es kümmerte Vance und seine Begleitung mit Ehefrau Usha, Trumps nationalem Sicherheitsberater Michael Waltz und Energieminister Chris Wright nicht, dass sich am selben Tag in Grönlands Hauptstadt Nuuk eine neue Vier-Parteien-Regierung vorstellte. Als einzige Partei nicht dabei sind die Populisten der Partei Naleraq, die eine schnelle Lösung von Dänemark verlangen und offen für Washingtons Pläne sind. Alle anderen, mit 85 Prozent der Stimmen hinter sich, wollen in behutsamem Tempo mehr Unabhängigkeit von Dänemark, aber bloß keinen „Ausverkauf“ an die USA.

Die Regierung mit dem 33-jährigen Jens-Frederik Nielsen an der Spitze ist eine Art große Notstandskoalition im Angesicht der Trump’schen Bedrohung. Sie sucht ausdrücklich den Schulterschluss mit dem vor 300 Jahren als Kolonialmacht auf Walfängerschiffen eingerückten Dänemark. Dass der Schulterschluss jetzt auf Gegenseitigkeit beruht, will die Kopenhagener Regierungschefin Mette Frederiksen bei einem Besuch diese Woche persönlich in Grönland übermitteln. Auch dies eine Reaktion auf den Auftritt von Vance.

Der stellte in Pituffik die Däninnen und Dänen, eigentlich in den letzten Jahrzehnten besonders US-freundlich handelnde Nato-Verbündete, als verantwortungslos Grönlands Sicherheit aus Spiel setzende Schlendriane hin. Das ist teils demagogisch aggressiv, teils einfach komisch. Die USA selbst können auf der Insel seit einem Abkommen mit Dänemark 1951 militärisch praktisch tun, was sie wollen. Sie haben selbst den Personalstand auf der Space Base Pituffik (früher Thule) von einmal mehreren Tausend auf jetzt 200 eigene Soldat:innen heruntergefahren.

Darauf weist auch Außenminister Rasmussen hin und schlägt vor, dass die Nato-Alliierten USA und Dänemark doch jetzt gemeinsam „mehr tun können“. Dieser Spagat zwischen Abweisung der dreisten US-Territorialansprüche und freundlich klingenden Gesprächsangeboten wird mit jedem Auftritt wie dem von Vance schwerer. In Nuuk und Kopenhagen hat sich neben dem beunruhigenden Vergleich mit Problemen der Ukraine noch ein zweites Narrativ als Erklärung für das US-Verlangen nach Grönland durchgesetzt. Dass es Trump mit seinem „Make America Great Again“ schlicht um die zusätzlichen Quadratkilometer durch die größte Insel der Welt geht.

Washington treibt Annektions-Pläne für Grönland weiter

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Second Lady Usha Vance: Imperiale Einkaufstour in Grönland

Stand: 24.03.2025, 20:35 Uhr

Von: Thomas Borchert

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Die Trump-Administration in Washington lässt die US-amerikanische „Second Lady“, Usha Vance, in Grönland auftreten um die Ansprüche auf die Insel zu unterstreichen.

Es ließe sich hübsch witzeln über das plötzliche Interesse von Usha Vance am traditionsreichen Schlittenhunde-Rennen in Sisimiut. Aber dass die Ehefrau des US-Vizepräsidenten sich selbst „privat“ eingeladen hat und Ende der Woche Donald Trumps Nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz sowie Energieminister Chris Wright mitbringt, findet in Grönlands Hauptstadt Nuuk niemand lustig. In Dänemark, als Ex-Kolonialmacht mit der teilautonom regierten Insel weiter in einer „Reichsgemeinschaft“ verbunden, mehren sich die Stimmen, die Trumps Vorgehen als hybride Kriegführung einstufen. Gegen einen Nato-Verbündeten.

Mute Egede, nach der jüngsten Parlamentswahl nur noch grönländischer Regierungschef auf Abruf, sieht die bizarre Besuchsankündigung als „ungeheuer aggressiven amerikanischen Druck“: „Alle diplomatischen Anläufe zu einem Dialog waren vergeblich. Jetzt muss die internationale Gemeinschaft in Aktion treten, statt nur kleine, zaudernde Sympathiebekundungen abzugeben.“ Vorausgegangen war die Ansage an Washington, dass die Visite wegen der derzeit lautenden Regierungsbildung in Nuuk und des laufenden Kommunalwahlkampfes unerwünscht sei. Deshalb würde auch niemand Offizielles mit der „Second Lady“ der USA und ihren beiden politisch schwergewichtigen Reisebegleitern Waltz und Wright zusammenkommen. Die dänische Regierung hat genauso eine Abfuhr erteilt.

 Das Weiße Haus scherte das alles genauso wenig wie die unzweideutige Absage der Wählermehrheit unter Grönlands Bevölkerung mit 57 000 Menschen an Trumps Übernahmegelüste. Ungerührt schickte Washington schon mal 40 Sicherheitsleute, sowie zwei Transportmaschinen mit vier gepanzerten Staats-Limousinen nach Nuuk. Sie sollen das Besucher-Trio durch die Kleinstadt befördern. Zum Hunderennen und zur US-Militärbase Pituffik (früher Thule) geht es dann per Flieger.

Kolonialistischer Auftritt des Junior

Die TV-Bilder von der Entladung der Limos erinnerten als Machtdemonstration an die Blitz-Visite des Sohnemanns Donald Trump jr. im Januar. Der war in Nuuk an Bord eines Privat-Jets mit der Aufschrift „Trump Force One“ gelandet, spendierte Leuten auf der Straße rote „Maga“-Caps sowie einigen auch ein Mittagessen. Nach vier Stunden war er wieder weg und tönte daheim im TV, Grönland passe wunderbar in die USA.

Beim zweiten Stunt dieser Art sollen Berater Waltz und Minister Wright den Anspruch der USA auf die größte Insel der Welt mit ihrer strategisch zentralen Lage und gewaltigen Bodenschätzen personifizieren. Usha Vance wird für das „Bunte“ beim Hundeschlittenrennen zuständig sein. Und das US-Konsulat in Nuuk sponsert die Veranstaltung mit sicher mehr als einer Handvoll Dollars.

Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen moniert, der Besuch gegen den ausdrücklichen Willen aller Verantwortlichen sei „eine sehr ernste Angelegenheit“. Bisher hierher hatte sie sich allzu deutliche Kritik an Trumps Annexionsgelüsten gegenüber einem Nato-Verbündeten eisern verkniffen. Sie zog Risikobegrenzung vor und sagte, nur Grönland selbst könne über seine Zukunft entscheiden.

Diese Zurückhaltung ist jetzt wohl passé dank des so dreisten und feindseligen Trips von Usha Vance samt Tross. Und auch nicht angesichts der zunehmenden Ausbreitung eines etwas anderen Narrativs im politischen Kopenhagen: Ein Kommentator von Danmarks Radio stuft die Vance-Visite als „hybride Kriegführung“ Washingtons ein. Claus Mathiesen von Dänemarks Verteidigungsakademie fühlt sich an seine Zeit als Militärattaché in Kiew erinnert: „Das läuft genauso wie mit russischen Politikern vor der Annexion der Krim.“

Grönlander wählten gegen Trumps Bestechungen und Drohungen

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Grönland rückt bei der Wahl nach rechts – aber nicht zu Trump

13.03.2025

Von: Thomas Borchert

Bei der Wahl in Grönland erteilt die Mehrheit den Phantasien von Donald Trump eine Absage

Nuuk – Die klare Wählermehrheit in Grönland hat Donald Trumps Übernahmewünschen sowie auch Drohungen eine Absage erteilt und zugleich für mehr Unabhängigkeit, aber ohne Eile, von der alten Kolonialmacht Dänemark gestimmt. Nach innen brachte die Wahl auf der größten Insel der Welt mit gerade mal 57 000 Menschen einen klaren Rechtsruck.

Überraschungssieger ist die marktliberale Partei Demokraatit, die ihr Ergebnis auf 29,9 Prozent verdoppeln konnte. Die bisher regierenden Linkssozialisten (IA) und ihr sozialdemokratischer Partner Siumut stürzten von zusammen 62,1 auf 36,1 Prozent ab. Zur zweitstärksten Kraft mit 24,5 Prozent stieg die populistische Partei Naleraq auf. Sie tritt als einzige in der Hauptstadt Nuuk für ein Zugehen auf den US-Präsidenten mit seinen mal drohenden, dann wieder lockenden Übernahmeforderungen ein. Gleichzeitig fordert sie statt der bisherigen Teilautonomie die schnelle komplette Loslösung von Dänemark, obwohl Kopenhagen mit jährlichen Zuschüssen von 600 Millionen Euro knapp die Hälfte der grönländischen Staatsausgaben deckt.

„Werden euch reich machen“ – Trump verspricht vor der Wahl Milliarden-Investitionen in Grönland

Trump hatte erst in der vergangenen Woche wieder verkündet, die USA würden die wegen Bodenschätzen und der strategischen Lage unverzichtbare Polarinsel „auf die eine oder andere Art“ bekommen. Nach vorherigen Drohungen mit, wenn nötig, militärischer Gewalt gegen den Nato-Verbündeten Dänemark sprach Trump einen Tag vor der Wahl die Stimmberechtigten direkt an: „Wir sind zur Investition von Milliarden an Dollars für neue Jobs bereit und werden euch reich machen.“ Die Grönländer:innen seien nach einer entsprechenden Wahlentscheidung in „der größten Nation der Welt willkommen“.

Wie der Mann im Weißen Haus über die Inuit, Grönlands Bevölkerung, denkt, ließ er im Januar seinen Sohn Donald Trump Jr. mit einem bizarren Blitzbesuch in Nuuk demonstrieren. Der verteilte nach der Landung im Privatjet mit der Aufschrift „Trump Force One“ Baseballcaps mit der Aufschrift „Make Greenland Great Again“. Er spendierte zusammengetrommelten Arbeitslosen ein Essen, verschwand nach ein paar Stunden wieder Richtung USA und verkündete dort im TV, ganz Grönland sei begeistert über die Aussicht auf einen Wechsel in die USA.

„Ruhiger Kurs“ gegenüber Washington: Grönland und Dänemark reagieren erleichtert auf das Wahlergebnis

Dass 75 Prozent der Wählerschaft diesem Machtgehabe eine Absage erteilt haben, wurde in Nuuk wie auch der dänischen Hauptstadt Kopenhagen mit Erleichterung registriert. Der voraussichtlich kommende Regierungschef Grönlands, Jens-Frederik Nielsen (33) vom Wahlsieger Demokraatit sprach sich für einen „ruhigen Kurs“ gegenüber Washington aus.

Man wolle gern Geschäftliches vereinbaren, stehe aber nicht zum Verkauf. Er strebt wie der bisherige Regierungschef Múte Egede (38) nach voller staatlicher Unabhängigkeit von Dänemark, will aber dessen vorsichtige Linie dabei fortsetzen. Grönland einzige Exportbranche ist die Fischerei mit dem Staatskonzern Royal Greenland an der Spitze. Nielsens Eintreten für liberaler verteilte Fangquoten und mehr Privatisierung lockte die Wählerschaft eindeutig stärker als die Aussicht auf „Reichtum“ als Teil der USA.

Klar ist nach dem Wahlausgang, dass die politischen Spitze in Kopenhagen und Nuuk schon bald über mehr Selbständigkeit für Grönland ohne Aufgabe der bisherigen „Reichsgemeinschaft“ verhandeln werden. Trumps Griff nach der Insel hat beide Seiten zusammenrücken lassen. Das gilt auch für die bisher vorsichtige Tonlage, um nicht Trumps Rachsucht zu wecken.

Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen konnte stattdessen gar nicht oft genug ihre Bereitschaft zu einer „Erneuerung der Reichsgemeinschaft“ bei Anerkennung des Strebens nach voller Unabhängigkeit verkünden. Umgekehrt stellte ihr bisheriger Kollege Egede in Nuuk postwendend seine Kampagne gegen dänischen „Völkermord“ auf Grönland ein, weil Frauen und Mädchen dort über Jahrzehnte auch gegen ihren Willen Spiralen zur Verhütung eingesetzt worden waren. (Thomas Borchert)

Dänische Post trägt keine Briefe mehr aus

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Ausgetragen

11.03.2025

Von: Thomas Borchert

Warum die dänische Post von 2026 an keine Briefe mehr zustellen will

Die dänische Post hat ein tolles Trostpflaster vorbereitet für ihre Schockmeldung, dass vom 1. Januar 2026 an überhaupt keine Briefe mehr ausgetragen werden: Wer etwas auf Papier übermitteln wolle, könne das nach Neujahr durchaus weiter tun. Einfach durch Umbenennung auf „Päckchen“, die will Postnord weiter und gerne zustellen. Dass man dafür dann das Doppelte des jetzt auch schon astronomisch hohen Briefportos von mindestens vier Euro hinzublättern und eventuell zum nächsten Abholpunkt zu pilgern hätte, blieb unerwähnt.

So richtig geschockt hat das Aus für den Brief in dänischen Briefkästen nach 400 Jahren vor allem die 1500 Postnord-Beschäftigten. Ihnen wurde das Aus für ihren Job am selben Tag mitgeteilt wie der Abbau von 8000 Stellen bei der deutschen Post vor demselben Hintergrund. Schon lange allerdings hat die Verminderung des Briefaufkommens um 90 Prozent seit Anfang der 2000er im durchdigitalisierten Dänemark viel radikaler durchgeschlagen als im hinterherhinkenden Deutschland. Im Prinzip sind alle sechs Millionen Menschen hier zu Online-Schriftverkehr mit Behörden verpflichtet. Die nehmen Mitteilungen eines Bürgers oder einer Bürgerin auf Papier gar nicht erst an. Es sei denn, man kann eine amtliche Ausnahmegenehmigung als „digital gehandicapt“ vorweisen.

Das trifft immerhin für 7,5 Prozent der Bevölkerung zu. Diese Gruppe, zumeist im fortgeschrittenen Alter, wartet nun gespannt und vermutlich verängstigt, welche Lösungen ihnen nach Neujahr angeboten werden. „Der Markt wird es richten“, lautet die Botschaft, die nicht nach dänischer „Hygge“ klingt.

„Was interessiert uns der olle Briefkasten, wir kommen perfekt klar mit WhatsApp“, antworteten dagegen junge Leute in den TV-Reportagen über das Aus nach 400 Jahren. So knallrot wie früher auch die Uniformen der Botinnen und Boten sind die 1500 Briefkästen im kleinen Königreich. Das klingt nach ziemlich wenig mit großen Abständen, und sie werden schon vom 1. Juni an abmontiert. Wohl als pädagogische Vorabmaßnahme, damit auch die letzten digital nicht so Sattelfesten begreifen, dass es ernst wird.

Richtig ernst wird es auch für Menschen anderer Herkunft, in deren Heimat der Papierbrief noch was gilt. Deutsche in Dänemark können ein Lied davon singen, wie man als digitale Spätzünder in einem hochdigitalisierten Land zurechtzukommen muss. Die Behörden in Deutschland pflegen nach wie vor Schriftverkehr auf Papier und akzeptieren keine digitalen Unterschriften. Weil die dänische Post in den letzten Jahren gefühlt nur noch sporadisch mal ihr Personal aussandte, waren Briefe aus einer deutschen Großstadt in die dänische Hauptstadt zehn Tage und mehr unterwegs. Ist eine „fristgemäße“ Antwort auf demselben Weg retour fällig, kommt man leicht ins Schwimmen.

Bei den Bundestagswahlen 2025 führte das zum Schiffbruch. Die vom Autor dieses Artikels frühzeitig per Einschreiben (Porto: 22 Euro) beantragten Wahlunterlagen wurden Anfang Februar vom Bremer Wahlamt mit der guten alten Schneckenpost auf den Weg gebracht. Sie sind auch fünf Wochen später noch nicht im Kopenhagener Briefkasten gelandet. Die Rettung bestand kurz vorm Wahltag in sechs Stunden Bahnfahrt zur persönlichen Stimmabgabe.

Für die Zustellung von Post aus dem Ausland ab 2026 gibt es „noch keine Lösung“, verkündet Dänemarks Transportministerium. Man arbeite daran. Warum die gesetzliche Pflicht zu einem für Postboten leicht erreichbaren Briefkasten auf jeden Fall beibehalten werden soll, konnte auch erst einmal nicht erklärt werden.

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Norwegen gibt etwas mehr vom Kriegsgewinn an die Ukraine weiter

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Mehr Ukraine-Hilfe aus Oslo

08.03.2025

Von: Thomas Borchert

Norwegen verdoppelt seine Zahlungen für das Jahr 2025.

Das dank Öl und Gas reiche Norwegen verdoppelt seine Ukraine-Hilfen für 2025 auf umgerechnet sieben Milliarden Euro. Das beschloss das Osloer Parlament einstimmig. Regierungschef Jonas Gahr Støre begründete den Schritt mit der Verschlechterung der Lage des von Russland überfallenen Landes und dem „Herunterfahren der US-Hilfe.“ Europa müsse jetzt mehr leisten.

Kiew sieht in der Zusage ein Beispiel auch für andere Partner. Man werde die zusätzlichen Mittel für die Waffenproduktion in der Ukraine und zur Verbesserung der Energieversorgung einsetzen, so Präsident Selenskyj laut ukrainischen Medien.

In Oslo galt als klar, dass laute Kritik vor allem der skandinavischen Nachbarschaft zu der massiven Anhebung der Unterstützung beigetragen hat. Norwegen hat als Europas Gaslieferant infolge des Krieges hohe Gewinne eingesteckt. Das Osloer Finanzministerium beziffert diese „außergewöhnlichen Einnahmen“ allein für 2022 und 2023 auf 108 Milliarden Euro, was in etwa der bisher geleisteten US-Hilfe an die Ukraine entspricht.

„Kriegsprofite“ nennen das auch Norwegens Grüne. Die kleine Partei verlangte als einzige im „Storting“, dass der komplette Betrag an die Ukraine abgetreten wird. Das schulde man auch den europäischen Partnern, die ja den Anstieg der Gaspreise bezahlt hätten. Bitten aus der EU um Preisnachlässe seien in Oslo auf taube Ohren gestoßen.

Die Sondereinnahmen füllten den staatlichen „Pensionsfonds“, der aktuell 1700 Milliarden Euro umfasst.

Kritik daran schlossen sich in Oslo auch 47 namhafte Ökonom:innen an. Norwegen komme die Verantwortung einer „finanziellen Großmacht“ zu. Die gesetzliche Begrenzung von Entnahmen aus dem Pensionsfonds müssten für die Ukraine-Nothilfen ausgesetzt werden.

Mit den jetzt bewilligten Milliarden bleibt die Regierung in weiter unter dieser Grenze und zieht lediglich in etwa mit den skandinavischen und baltischen Nachbarn gleich. Dafür hat sich ausgerechnet Jens Stoltenberg eingesetzt. Er ist erst kurzem Norwegens Finanzminister. Als Nato-Generalsekretär hatte stets um mehr Hilfe für die Ukraine geworben.