Uncategorized

Kopenhagener “Klimaschutz-Insel”: Monumentales Greenwashing?

Posted on

Geoengineering im Öresun03.03.2023

Von: Thomas Borchert

Ein Mammutprojekt zum Schutz Kopenhagens vor der Klimakrise gerät unter heftige Kritik.

Eine künstliche Insel nordöstlich der dänischen Hauptstadt, die fast so groß ist wie Helgoland: Es ist ein fantastisch anmutendes Megaprojekt, das Kopenhagen vor dem Meeresspiegel schützen soll, der bis 2100 den aktuellen Prognosen nach einen Meter höher sein könnte als jetzt. Seit ein paar Wochen ist der erste Steindamm fertig, schon bald soll das Innere der Eindämmung im Norden von Dänemarks Hauptstadt trockengelegt und mit Erdreich aufgefüllt werden, und so die Insel Lynetteholm entstehen.

Oberbürgermeisterin Sophie Hæstrup Andersen, die seit 2020 im Amt ist, preist sie als „zukunftssichere“ Barriere auch gegen häufigere Sturmfluten: Ohne das Projekt wären „unsere Metro, die Eisenbahn, Straßen und Zehntausende Wohnungen von Zerstörung bedroht“, sagt sie.

Deshalb sei Eile geboten, begründete sie die kurze Zeit zwischen der ersten Vorstellung des Plans 2018 und dem Baubeginn 2022. Atemberaubend schnell ist das für das größte Bauprojekt der dänischen Geschichte und damit einhergehend höchst komplexen Folgen für die Umwelt.

Am Ende soll Lynetteholm als Heimstatt für 35 000 Menschen gegen die Wohnungsnot helfen und noch mal so viele Arbeitsplätze schaffen. Aber erst muss die schwer vorstellbare Menge von 80 Millionen Tonnen Erdreich aus Lkws herbeigeschafft und in den Öresund gekippt werden. „Win-win“, heißt es, denn so könne Kopenhagen von all dem überschüssigen Boden aus der emsigen Bautätigkeit für Häuser, Straßen und die U-Bahn befreit werden.

Bei der Präsentation der Idee variierte der damalige Premier Lars Løkke Rasmussen begeistert das Bild vom „Ei des Kolumbus“. Lynetteholm sei wie ein„Überraschungsei“ für Kinder: Der Klimaschutz als Schokolade drumherum und drinnen als doppelte Überraschung die Lösung von Wohnungs- und Verkehrsproblemen auf einen Schlag. Denn mit Metro und großzügigem Tunnelbau soll Lynetteholm tatsächlich eine Halbinsel werden.

Wie kleine Kinder für dumm verkauft fühlen sich von derlei Lobpreisungen inzwischen aber so viele, dass das ganze Projekt ins Wanken geraten ist. Der Hauptstadt-Bevölkerung ging auf, dass für das Wachstum der neuen Insel die kommenden 30 Jahre jeden Tag 700 Lkw-Fuhren mitten durch Kopenhagen gekarrt werden müssen. So hat es ihnen „Stop Lynetteholm“ vorgerechnet, und das hatte Folgen. Bei der Kommunalwahl vor anderthalb Jahren verlor Andersens Sozialdemokratie klar, während die frontal gegen Lynetteholm opponierende Einheitsliste stärkste Kraft wurde.

In der Vorort-Kommune Køge ärgerte man sich darüber, dass gigantische Mengen Schlamm vom Bauplatz in der Køge-Bucht verklappt werden sollen. Die Regierung des Öresund-Nachbarn Schweden protestierte wegen der ökologischen Folgen für das sensible Gewässer. Der Öresund hat enorme Bedeutung für die Zufuhr von frischem Salzwasser in die Ostsee. Viele Expert:innen sind überzeugt, dass Lynetteholm diese gefährlich einschränken würde.

Ihre Forderung nach einem Baustopp bis zur Gerichtsentscheidung hat die Klimabevægelsen zwar aus Angst vor gigantischem Schadensersatz für den Fall einer Niederlage aufgegeben. Politisch aber stehen die Betreibergesellschaft By&Havn und Andersen politisch aber so massiv unter Druck, dass sie einen taktischen Rückzug nach dem anderen hinlegen müssen.

Die Verklappung in der Køge-Bucht ist abgesagt, nun soll es plötzlich möglich sein, den Schlamm beim Aufschütten der Insel vor Ort wiederzuverwenden. Andersen gestand ein, man habe die Bevölkerung „mangelhaft einbezogen“ und berief – nachträglich – eine repräsentativ ausgewählte Bürgerversammlung ein. Die attestierte ihr prompt, die Beteiligung komme „zu spät“. Sie verlangt in elf Empfehlungen radikale Änderungen bei den grundlegenden Planungsprinzipien, ohne aber für eine Absage einzutreten.

„Lynetteholm ist ein politisches Waisenkind geworden, das niemals Adoptiveltern finden wird“, kommentiert die Zeitung „Politiken“. Aber es wächst vorerst weiter. Gebaggert und gebaut wird trotz der extrem miesen Stimmung um das Projekt. Bis zum Ziel ist als Kontrast zum eiligen Start noch ein weiter Weg: Das Auffüllen mit Erdreich soll 2050 und der Wohnungsbau für 35 000 Menschen nicht eher als 2070 abgeschlossen sein.

Dänemark verpasst seine Klimaziele

Der Klimarat des skandinavischen Landes konstatiert, dass es sich immer weiter von den selbst gesteckten Klimazielen entfernt . Das gelte auf kurze wie auf lange Sicht für so gut wie alle klimapolitischen Teilbereiche.

Reduziert werden sollen die CO2-Emissionen des Landes demnachbis 2025 um 50-54 Prozent (gegenüber 1990) und um 70 Prozent bis 2030. Beides sei nicht zu erreichen, wenn nicht schleunigst eine CO2-Abgabe für die Landwirtschaft eingeführt werde, so das Gutachten.

Die Agrarindustrie steht für ein Viertel der CO2-Emissionen Dänemarks. Die neue Große Koalition schiebt die Abgabe für die Landwirtschaft vor sich her: Diese dürfe „die Konkurrenzkraft nicht schwächen und keine Arbeitsplätze kosten“. Dänemark gilt auch wegen des starken Anteils von Windkraft an der Stromerzeugung international als Vorreiter beim Klimaschutz, doch der von der Regierung als Wachhund eingesetzte Klimarat meint, selbst die Erreichung der eigenen Klimaziele reiche nicht, um die EU-Verpflichtungen zu erfüllen. tob

Und auch juristische Einschätzungen geben der „Klimabevægelsen“, einem Zusammenschluss dänischer Umweltorganisationen, gute Chancen mit ihrer Klage gegen das Projekt. Um für den Bau in Windeseile die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, habe man das Projekt per Salamitaktik in angeblich unabhängige Teilprojekte aufgesplittet und so EU-Regeln verletzt. Für Kritiker:innen ist Lynetteholm Greenwashing eines Geschäftsmodells zur Schaffung profitträchtigen Baulands.

Schwedens Polizei in großer Not

Posted on

Stalking, Eifersucht und ein toter Polizeichef: Polizeiskandal erschüttert Schweden

24.02.2023

Von: Thomas Borchert

Nach Enthüllungen über eine umstrittene Liaison mit einer Kollegin wurde Vizepolizeichef Löfving tot aufgefunden. Seine Entlassung hätte wohl bevorgestanden.

Stockholm – Die ersten schnellen TV-Kommentare über die nun unausweichliche Entlassung von Schwedens langjährigem Vize-Polizeichef waren gerade gesendet, da wurde die Hauptperson um 19 Uhr tot im eigenen Haus aufgefunden. Mats Löfving wird am Mittwochnachmittag in den Medien verfolgt haben, wie die amtliche Untersuchung ihm „grobe Dienstverletzungen“ wegen der Liaison mit Linda Staaf, der von ihm 2015 ernannten Leiterin einer polizeilichen Ermittlungseinheit, bescheinigte: Er habe trotz „Befangenheit“ für eine Gehaltserhöhung gesorgt, die Genehmigung für eine Dienstpistole ausgestellt, Staafs Chefposition verlängert und grünes Licht für eine Nebenbeschäftigung gegeben.

Dass diese Nebenbeschäftigung im Abfassen eines Schwedenkrimis bestand, der seit letztem Jahr unter dem (übersetzten) Titel „Wolf im Schafspelz“ zu kaufen ist, gehört zu den vielen fast unglaublichen Details dieser Geschichte mit tragischem Ausgang. Auch am Tag danach gab es zunächst keine offizielle Angabe, ob Suizid die Todesursache war.

Schweden: Verstorbener Vizepolizeipräsident Löfving bestritt Affäre mit seiner Kollegin

Seit Monaten füllt die Beziehung zwischen Staaf und Löfving die Stockholmer Schlagzeilen – auch, weil beide öffentlich entgegengesetzte Erklärungen abgaben: Laut der 47-jährigen Staaf gab es eine Beziehung, aber nur vorübergehend und „oberflächlich“, was der 14 Jahre ältere Löfving bis zuletzt kategorisch zurückgewiesen hat: Da sei überhaupt nichts gewesen.

Bei der Präsentation der amtlichen Untersuchung am Mittwoch musste er aus dem Mund des Ermittlers Runa Viksten hören: „Es gibt keinen Zweifel, dass die beiden Polizeispitzen eine intime Beziehung hatten.“ Er werde Löfvings Dienstchef Anders Thornberg die Entlassung seines Stellvertreters nahelegen. Linda Staaf trat sofort nach dieser Bekanntmachung vor die Kameras. Für sie sei wichtig, dass abgesehen von der Befangenheit des Entscheiders alle Entscheidungen zu ihrer Karriere als inhaltlich korrekt eingestuft worden seien: „Die Untersuchung hat gezeigt, dass ich für den Dienst qualifiziert war.“

Schwedische Staatsanwaltschaft ermittelte gegen Vizepolizeichef Löfving wegen Stalking

Sie sei Opfer einer Schmutzkampagne in den Medien gewesen, habe sich „einsam“ selbst dagegen verteidigen müssen und sei von der obersten Polizeiführung im Stich gelassen worden. Die Zeitung „Dagens Nyheter“ zitiert Staaf weiter: „Jetzt ist alles gut durchleuchtet, und ich hoffe, dass wir das Ganze ein für alle Mal hinter uns lassen können.“ Das erwies sich nur wenige Stunden danach als Irrtum.

Kurz vor Weihnachten hatte Staaf bei einer Tagung des deutschen Bundeskriminalamts als Expertin zum Thema „Schwere und Organisierte Kriminalität: Innovative Vorgehensweisen zur Ermittlungsoptimierung“ referiert. Etwa zur gleichen Zeit teilte sie mit, sie sei nun mit dem Oberbefehlshaber der schwedischen Streitkräfte, Michael Bydén, liiert, während gleichzeitig immer neue höchst überraschende Skandal-Details aus der Polizeispitze ans Licht kamen. So hatte sich Staaf Ende 2021 hilfesuchend an den internen Sicherheitschef der Polizei gewandt, weil sie sich offenbar von Löfving bedroht fühlte. Der Sicherheitschef zeigte diesen an, die Staatsanwaltschaft wurde wegen Verdachts auf diverse Vergehen aktiv, die sich als Stalking zusammenfassen lassen.

Polizei in Schweden gibt durch Skandal ein niederschmetterndes Bild ab

Die Ermittlungen waren relativ schnell und geräuschlos eingestellt worden. Staaf erklärte später, sie habe nur ihre „Unsicherheit“ wegen „Respektlosigkeit“ Löfvings zum Ausdruck bringen wollen. Ehe sie zum Jahreswechsel aus der Polizeizentrale ins Justizministerium wechselte, bezog sie in „Dagens Nyheter“ noch mal offensiv Stellung: „Es ist jetzt klar, dass viele Männer nicht klarkommen mit einer Frau, die Macht und Einfluss bekommt.“ Damit meinte Staaf, so ist zu vermuten, noch nicht mal in erster Linie Löfving, sondern andere hochrangige Kollegen, denen sie vorwarf, ohne ihr Einverständnis oder auch nur Wissen die Stalking-Anklage betrieben zu haben. Eingestellt wurden sie vom zuständigen Staatsanwalt, weil es „wohl nur um „Eifersuchtsgeschichten“ gehe.

Für Schwedens Bevölkerung muss dies als Bild der Polizeispitze umso niederschmetternder wirken, als ihr Land von einer hohen Zahl tödlicher Schießereien und Bombenanschläge in der organisierten Kriminalität heimgesucht wird. 2022 starben dabei 63 Menschen. Seit dem Jahreswechsel zeigt die Statistik weiter eine steigende Tendenz.

Dänemarks Geheimdienste lassen Mitarbeiter hinter Gittern allein

Posted on

Justizirrtum: Wie ein dänischer Agent als Terrorist ins Gefängnis kam

18.02.2023

Von: Thomas Borchert

Ahmed Samsam, 2018
Ahmed Samsam, 2018 © imago

Ein möglicher Justizirrtum um einen inhaftierten Geheimdienstler bringt die Regierung in Kopenhagen in Erklärungsnot.

Spaniens Regierung tönte stolz, man habe mit dem dänischen Urlauber Ahmed Samsam „womöglich den gefährlichsten Dschihadisten in Europa“ dingfest gemacht. Für den 33- Jährigen hatte dies bis heute fünfeinhalb Jahre hinter Gittern zur Folge – als „Syrienkrieger“ für die Terrororganisation „IS“. Jetzt fordern zwei Kopenhagener Ex-Staatssekretäre, Samsam als Opfer eines wahrscheinlichen Justizirrtums schleunigst aus der Haft zu entlassen.

Schwer wiegt die Frage, die die zwei Pensionäre in einem Zeitungsbeitrag aufwerfen: „Warum haben die dänischen Behörden die Verurteilung Samsams in Spanien nicht verhindert, indem sie die Behörden dort darüber informierten, dass er als Agent unserer Geheimdienste PET und FE gehandelt hat?“

Für die neue große Koalition hinter der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat die Affäre Samsam bedrohliche Ausmaße angenommen. Die rituell gemurmelten Hinweise auf das zwangsläufig Geheime bei Geheimdienstarbeit helfen wenig. Niemand in Kopenhagen zweifelt nach immer neuen Enthüllungen daran, dass sich der in einem dänischen Dorf geborene Sohn syrischer Flüchtlinge 2012 bis 2014 im Auftrag des Inlandsgeheimdienstes PET und später des Auslandsgeheimdienstes FE in Syrien dem „IS“ angeschlossen hat. Von dort lieferte er als Undercover-Agent die gewünschten Namen und andere Informationen über Terrorist:innen und lebte nach dem Ende dieser Zusammenarbeit unbehelligt in seinem Geburtsland. Bis er 2017 nach Spanien reiste.

Diese vor allem von der Zeitung „Berlingske“ ans Licht gebrachte Geschichte hat auch seinen Anwalt Erbil Kaya ins Grübeln gebracht: „Ich hätte nie gedacht, dass der Staat so vorsätzlich, kalt und zynisch zum Täter werden kann.“ Wobei der Ausgangspunkt offenbar tölpelhafte Fehler im dänischen Staatsapparat waren.

So interessierten sich die spanischen Behörden im Juni 2017 für den Besucher Ahmed Samsam mit dänischem Pass, weil er von dort aus in das für den gesamten Schengenraum geltende Fahndungs- und Überwachungssystem SIS als „IS“-Kämpfer eingetragen war. Laut „Berlingske“ geschah dieser Eintrag noch während der laufenden Zusammenarbeit und ohne dass mit Samsam direkte befasste Geheimdienst-Bedienstete des PET davon wussten.

Die spanischen Ermittlungen gegen den Dänen brachten zigtausende Videos, Chats und anderen Online-Aktivitäten mit „IS“-Propaganda und zum Teil extrem brutaler Gewalt zutage. Vor Gericht verwies der junge Mann dazu auf seine Rolle als dänischer Agent. Hier nahm ihm das niemand ab. Zu den Enthüllungen in „Berlingske“ zwei Jahre später gehörte auch, dass die spanische Polizei ein ausdrückliches Nein aus Kopenhagen auf ihre Frage bekommen hatte, ob Samsam tatsächlich für die Geheimdienste aktiv gewesen sei.

2020 vereinbarten beide Länder die Verbüßung der Reststrafe in Dänemark, wo Samsam bis heute im Hochsicherheits-Gefängnis Horsens einsitzt. Sein Anwalt Kaya verweist darauf, dass man seinen Mandant spätestens bei der Auslieferung in sein Heimatland hätte freilassen müssen. Aber das blieb weiter aus. Stattdessen brachten ihm zweimal ominöser Besuch erhebliche Geldsummen in Gefängnis, Samsam zufolge Sendboten der Geheimdienste.

Jahrelang in Spanien in Haft

An ihrem eisernen Schweigen in der Öffentlichkeit aber hielten PET und FE fest. So eisern, dass im Dezember 2021 ein hauptamtlicher Geheimdienstler wegen Verdacht auf Landesverrat in Haft kam, weil er sich zwei „Berlingske“-Journalisten über Samsams Rolle anvertraut hatte. Der Beamte mit 38 Dienstjahren auf dem Buckel war „Agentenführer“ des Undercover-Dschihadisten und konnte nach eigener Aussage nicht mehr damit leben, dass PET einen Mitarbeiter so schmählich im Stich ließ.

Im November steht die Haftentlassung an. Die Opposition im „Folketing“ hat eine als sicher geltende Untersuchungskommission nicht durchsetzen können. Denn die neue Regierungsmehrheit hat es sich anders überlegt. Sie setzt vor den Wahlen im November weiter auf Aussitzen unter ständiger Betonung des „Geheimen“. Lediglich eine „Voruntersuchungskommission“ ist beschlossen.

Ahmed Samsam selbst hat für seine Klage auf Schadensersatz gegen die Geheimdienste einen Prozess zugestanden bekommen. Es soll sofort in zweiter Instanz vor einem Oberlandesgericht verhandelt werden – wegen der „prinzipiellen Bedeutung“ des Falles. Jakob Scharf, bis 2013 PET-Chef, warnt: „Die Unsicherheit in der Öffentlichkeit macht es den Geheimdiensten möglicherweise unmöglich, in Zukunft die menschlichen Quellen anzuheuern und zu führen, die man braucht.“

Kommentar zum Hickhack über den Nato-Beitritt

Posted on

Erdoğans Ernte

08.02.2023

Von: Thomas BorchertKommentare

Finnlands Deal ist ein Beispiel dafür, wie der türkische Präsident von seiner Nato-Veto-Kampagne profitiert. Der Kommentar.

Jetzt schlucken die beiden Nato-Beitrittskandidaten auch noch ihre Einteilung aus Ankara in ein „braves“ Finnland und ein „böses“ Schweden mit vermutlich unterschiedlichem Aufnahmedatum. Natürlich verblasst dieser neue Erfolg für den türkischen Präsidenten Erdogan mit seiner Veto-Strategie vollkommen im Schatten des furchtbaren Erdbebens.

Niemand vermag zu sagen, wie sich die Katastrophe auf Erdogans Chancen auf seine angestrebte Wiederwahl im Mai auswirken wird. Um sie zu verbessern, hatte er die Veto-Kampagne vor allem gegen Schweden mit ständig neuen Verschärfungen inszeniert und fährt dafür einer reiche Ernte ein.

Aus dem bei den Menschenrechten einst vergleichsweise prinzipienfesten Skandinavien wird der brutal regierende Autokrat nun als Demokrat gepriesen. Er bekommt aus Stockholm, Helsinki und auch Washington bisher verweigerte Waffenlieferungen für den Krieg gegen die Kurden und kann sich damit brüsten, dass er fernen Ländern schärfere Terrorgesetze gegen Kurdinnen und Kurden im Exil aufgezwungen hat. Die Beitrittsgebühr zur „Wertegemeinschaft“ Nato wird immer hässlicher und immer höher.

Neues zu Schwedens und Finnlands Nato-Beitritt

Posted on

Streit um Nato-Beitritt: Finnland erhält den Vortritt

08.02.2023

Von: Thomas Borchert

Der Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens scheint vom Tisch. Schweden gibt sich geduldig und sicher. Der türkische Präsident Erdoğan kostet seinen Sieg aus.

Helsinki – Beim Streit um die Nato-Erweiterung in Nordeuropa zeichnet sich immer klarer grünes Licht für Finnland ab, während Schweden wegen des türkischen Vetos noch warten muss. Überraschend signalisierten am Dienstag die Regierungen der beiden eigentlich gemeinsam angetretenen Beitrittskandidaten, dass sie mit diesem Splitten wohl leben können. Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte das vergangene Woche nach einer Koranverbrennung in Stockholm ins Spiel gebracht, als er sagte, sein Land habe kein Problem mit Finnland. Der Aufnahme Schwedens werde man aber nicht zustimmen, solange dort der Koran verbrannt werden darf.

Vor der Presse in Helsinki äußerten der schwedische Außenminister Tobias Billström und sein finnischer Gastgeber Pekka Haavisto in fein aufeinander abgestimmten Statements, es komme darauf an, dass beide Länder in Zukunft „gemeinsam in der Nato sind“. Keiner von beiden nannte mehr den gemeinsamen Beitritt als Bedingung, der seit dem vor fast einem Jahr gemeinsam in Brüssel überreichten Antrag stets als höchste Priorität von beiden Regierungen herausgehoben wurde.

Streit um Nato-Beitritt: Rückzug von Schweden und Finnland

Billström meinte dazu in Helsinki, es sei klar, dass die Türkei derzeit positiver über eine finnische als eine schwedische Nato-Mitgliedschaft denkt. „Auch wenn wir ein starkes Interesse an einem gemeinsamen Beitritt haben, muss man respektieren, dass die Mitgliedschaft im Interesse des jeweils einzelnen Landes gesehen wird.“ Das war ein sorgsam verpackter Rückzug nach Maß. Jetzt hofft er, dass beide Länder beim Nato-Gipfel im Juli in Vilnius als Mitglieder vereint auftreten könnten.

Haavisto hatte schon unmittelbar nach Erdoğans positiven Signalen Richtung Helsinki gesagt, „natürlich“ mache sich seine Regierung auch Gedanken über ein mögliches Beitritts-Szenario zunächst ohne Schweden. Unmittelbar vor seinem Treffen mit Billström berichtete die Zeitung „Iltalehti“ über eine hinter den Kulissen schon vor Weihnachten erfolgte Einigung der finnischen Regierung mit Ankara auf eine dortige Ratifizierung des eigenen Antrags ohne Schweden. Die Nachrichtenagentur Bloomberg ergänzte, dass damit im März zu rechnen sei.

Nato-Beitritt: Erdoğan könnte Feldzug gegen Schweden fortsetzen

Damit könnte Erdoğan bis zu den heimischen Wahlen im Mai seinen stark innenpolitisch ausgerichteten Feldzug gegen Schweden als angeblicher Heimstatt kurdischer Terroristen fortsetzen. Gleichzeitig hätte er mit der Zustimmung zur Aufnahme Finnlands dem zunehmendem Druck aus Washington und der Brüsseler Nato-Zentrale wenigstens ein Stück nachgegeben, die das bisher klägliche Scheitern der Nord-Erweiterung in ganz schlechtem Licht dastehen lässt.

Recep Tayyip Erdoğan: Das ist der Präsident der Türkei

Im Jahr 2017 setzte Recep Tayyip Erdogan mithilfe eines Referendums eine Verfassungsänderung durch, bei der es vor allem um die Bündelung der Exekutivbefugnisse ging. Dadurch gewann der türkische Präsident noch mehr Einfluss auf die Justiz. Die Opposition sprach von Wahlbetrug. Auch Untersuchungen von Forschenden legen nahe, dass das Referendum manipuliert wurde.

Offen blieb beim Ministertreffen in Helsinki, welchen Einfluss das Erdbeben in der Türkei auf die dortige Innenpolitik und damit auch die Nato-Erweiterung bekommen kann. Unabhängig davon ist in den letzten Wochen in Finnland der Schulterschluss mit den schwedischen Nachbarn immer stärker infrage gestellt worden. Bei jüngsten Umfragen sprach sich eine Mehrheit von 53 Prozent für einen Solo-Beitritt auch ohne Schweden aus.

Zwei Monate vor den Reichstagswahlen ist das auch für die sozialdemokratische Regierungschefin Sanna Marin wohl eine wichtige Information, die Folgen zeigt. „Iltalehti“ zitierte in ihrem nicht dementierten Bericht eine Quelle aus Regierungskreisen, die auf Finnlands 1300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland verwies: „Unsere geopolitische Stellung ist deshalb eine ganz andere als die Schwedens.“ Von den 30 Nato-Mitgliedsländern haben 28 bisher der Aufnahme Schwedens und Finnlands zugestimmt. Die Ratifizierung im ungarischen Parlament gilt als sicher und wird bis Ende des Monats erwartet.

Norwegen will Stromexporte notfalls stoppen

Posted on

Getrieben vom Zorn des Volkes

08.02.2023

Von: Thomas Borchert

Norwegens Regierungschef Støre will den Energieexport notfalls stoppen – noch im Sommer hörte sich das ganz anders an.

Fast als sei es ihm peinlich, hat Norwegens Regierungschef Jonas Gahr Støre verkündet, dass sein Land künftig den Stromexport nach Deutschland und anderswo in Europa stoppen will, wenn daheim eine „reelle Gefahr für Energieknappheit“ auftritt. Der Sozialdemokrat erinnerte sich in diesem Augenblick vermutlich selbst an seine Worte bei einer Pressekonferenz im Sommer: „Ein Norwegen, das gewaltige Gelder am Gasexport verdient, aber jetzt sagt, dass wir die Tür auf andere Weise zuschlagen, in diesem Norwegen will ich nicht Ministerpräsident sein.“

Nach sechs Monaten mit sagenhaften Umfragetiefs für Støres Arbeiterpartei und das mitregierende Zentrum will er das nun wohl doch. Auf andere Gedanken gebracht hat ihn der Zorn in der Bevölkerung über astronomisch gestiegene Strompreise zulasten von Privathaushalten und Betrieben direkt in die Staatskasse.

2022 sorgte lange Trockenheit für bedenklich niedrige Wasserstände

Neben Gas und Öl unter der Nordsee ist das Land der Fjorde auch noch mit beneidenswert sprudelnder Wasserkraft gesegnet. 1761 Kraftwerke, fast ausnahmslos in öffentlicher Hand, standen im 2022 mit 136,7 Terawatt (bis 1. November) für 87,5 Prozent der gesamten Stromerzeugung. Vollkommen CO2-frei, ständig erneuerbar, spottbillig zu produzieren, und deshalb im Volksmund liebevoll „arvesølvet“, das Familiensilber, genannt.

So reichlich ist es vorhanden, dass hier im oft schrecklich kalten Norden Europas fast alle mit Elektrizität heizen. Und das in dem Land, das wie kein anderes in Europa als Gaslieferant von den Folgen des Ukraine-Krieges mit fantastisch klingenden Einnahmesteigerungen profitiert. Nur sprudelt die Wasserkraft je nach Wetterlage eben nicht gleichmäßig. 2022 sorgte lange Trockenheit für bedenklich niedrige Wasserstände in den mehr als tausend Reservoirs, was die Strompreise zusätzlich zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges in die Höhe trieb. Dass Norwegen trotzdem weiter über Kabel Strom nach Deutschland und Großbritannien ausführte, brachte die Volksseele nur noch mehr zum Kochen.

Daran änderten diverse Stützpakete der Regierung nicht das Geringste. Und schon gar nicht Støres ständige Hinweise auf die Notwendigkeit, „in Europa gegen die totalitären Kräfte zusammenzustehen“. Jan Kjærstad, Erfolgsautor und sozialdemokratischer Stammwähler, brachte es in einem offenen Brief an den Premier auf den Punkt: „Ihr schafft es nicht, den Leuten zu erklären, warum sie in ihren Wohnungen frieren müssen.“

Kritik am „selbst ernannten Lohn-Adel“

Støres ständige Verweise auf den Ukraine-Krieg als Ursache zerpflückte er mit Zahlen zu dem schon 2021 schockierenden Preisanstieg. Er verwies auf die 1991 auch von den Sozialdemokraten betriebene Liberalisierung des Strommarktes, die die Versorgung mit Elektrizität zu einem Spekulationsobjekt gemacht und Norwegen an das europäische Preissystem gebunden hat.

Auch die komplizierten Erläuterungen des Regierungschefs über „Sachzwänge“ durch die Bindung Norwegens an EU-Regeln über den „Europäischen Wirtschaftsraum konnten niemanden besänftigen. Kjærstad gestand, dass er das Regelwirrwarr aus heimischen und Brüsseler Regeln trotz tapferer Anläufe absolut nicht durchschaue. Aber es will ihm einfach nicht in den Kopf, dass er zeitweise auf seiner Stromrechnung das „vierzig- bis fünfzigfache des Produktionspreises“ für heimische Elektrizität berappen musste. Die Osloer Politikergarde sei gegenüber den Nöten der Bevölkerung wohl auch blind, weil als „selbst ernannter Lohn-Adel“ nicht betroffen: „116 Parlamentsmitglieder (von 169) bedienen sich kostenfreier Pendlerwohnungen in Oslo, in denen sie auch die Stromrechnung nicht selbst zahlen.“

Støre, selbst als Erbe einer Fabrikantenfamilie Multimillionär, verwies in seiner Antwort auf den viral gegangenen Schriftsteller-Brief auf Norwegens vermehrte Gaslieferungen vor allem nach Deutschland: „Das trägt zur Dämpfung des Gas- und im Gefolge auch des Strompreises bei.“ Nicht ganz falsch, aber doch ein mutiges Argument angesichts des dank teurer gewordenen Gases letztes Jahr auf 1,6 Billionen Kronen (147 Milliarden Euro) verdreifachten Handelsüberschusses.

Koranverbrennung in Stockholm: Schwedendemokraten zündeln mit

Posted on

Schweden und die Rechten: Premier Kristersson meidet klare Worte

27.01.2023

Von: Thomas Borchert

In Schweden wird eine Koranverbrennung aus Reihen der rechtsextremen Koalitionspartner initiiert. Premier Kristersson findet keine deutlichen Worte.

Stockholm – Nach der Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft in der schwedischen Hauptstadt Stockholm und drohenden Reaktionen aus Ankara hat Premier Ulf Kristersson seine Landsleute vor „Naivität“ gewarnt: „Es gibt Provokateure, die Schwedens Beziehungen zu anderen Ländern verschlechtern wollen“ sowie „Kräfte in Schweden und anderswo“, die den Nato-Beitritt verhindern wollten. Kurz darauf stand jetzt bei der Pressekonferenz zum 100. Tag der neuen Regierung neben Kristersson mit Jimmie Åkesson ein Mann als geschätzter Partner, der damit eigentlich gemeint sein musste.

Denn die Koranverbrennung vom Wochenende, die den Widerstand des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan gegen die Nato-Aufnahme Schwedens enorm befeuert hat, ist aus den Reihen von Åkessons rechtsextremen Schwedendemokraten (SD) initiiert worden. Kristerssons Minderheitsregierung hat sich von dieser Partei mit braunen Wurzeln, bei 20,5 Prozent der Stimmen zweitstärkste Kraft im Reichstag, als Mehrheitsbeschafferin auf Gedeih und Verderb abhängig gemacht.

Ulf Kristersson
Schweden Premier Ulf Kristersson hat sich in einer Rede zur Koranverbrennung in Stockholm geäußert. (Symbolbild) © Pontus Lundahl/dpa

Rechte Aktivisten bekennen sich zu der Koranverbrennung in Stockholm – Premier Kristersson äußert sich

Freimütig bekennt der SD-Aktivist Chang Frick, Programmchef auf dem parteieigenen Youtube-Kanal „Riks“, er habe über seine „rechtsextremen Kontakte“ den für die stets maximale Provokation von Muslimen berüchtigten Rasmus Paludan zu einer Aktion vor der türkischen Botschaft aufgefordert. Die Gebühr für deren polizeilichen Anmeldung übernahm er selbst.

Zur Seite stand ihm ein Reporter der ebenfalls rechtsextremen Newssite „Exakt 24“. Chefredakteur Erik Almqvist gehörte zum SD-Führungskreis, bis er im Gefolge eines Schlägerei-Skandals sein Parlamentsmandat 2012 niederlegte und seinen Wohnsitz für mehrere Jahre nach Ungarn verlegte. Die ukrainischen Maidan-Proteste 2014 beschrieb er als Staatsstreich und ließ sich von Moskau 2020 als „Wahlbeobachter“ zur Volksabstimmung über den Anschluss zu Russland auf die Krim einladen.

SD-Chef Åkesson findet Premier Kristerssons Reaktion auf die Koranverbrennung „sehr bedenklich“

Derart aus dem Fenster hängt sich SD-Chef Åkesson schon lange nicht mehr. Seine Partei hat ihren Widerstand gegen Schwedens Nato-Mitgliedschaft gestrichen. Nach der Koranverbrennung stellte sich Åkesson als kompromisslosen Verteidiger der Meinungsfreiheit dar. Er begnügt sich dabei nicht damit, auf Facebook „deren Bedrohung durch „einheimische Islamisten“ anzuprangern.

Zwei Jahre nach Corona-Alarm: Neue Nerzzucht in Dänemark

Posted on

Neustart für die Nerzzucht

27.01.2023

Von: Thomas Borchert

Zwei junge Nerze, fotografiert in freier Wildbahn. Ihr dichtes, weiches Fell ist ihr Verhängnis.
Zwei junge Nerze, fotografiert in freier Wildbahn. Ihr dichtes, weiches Fell ist ihr Verhängnis. © imago images/Ardea

Das coronabedingte Verbot von Pelzfarmen in Dänemark ist vor Kurzem ausgelaufen. Jetzt werden Tiere aus Norwegen eingeführt.

Ausgerechnet Dänemark! Während ein Land nach dem anderen die Pelztierzucht in kleinen Käfigen als besonders grausame Form der Massentierhaltung verbietet, kommt jetzt aus dem dänischen Thyholm die Meldung von einem „Neustart“. Gut zwei Wochen nach Ende einer befristeten Zwangspause sind aus Norwegen 753 der kleinen, in Freiheit solitär lebenden Raubtiere in einem LKW angeliefert worden. Louise Simonsen vom Züchterverband war dabei und ließ sich im Fachblatt „Landwirtschaft Nord“ zitieren: „Fantastisch! Wir sind wieder da, wo wir sein wollen.“

Jedenfalls im Prinzip. Vor etwas mehr als zwei Jahren hatte Dänemark bei mehr als 15 Millionen Tieren mit dem weichen Pelz den Platz als weltweiter Branchenführer inne. Damit war auf einen Schlag Schluss, als sich in den vor allem in Nordjütland konzentrierten Zuchtfarmen ein mutierter Corona-Virus ausbreitete. „Vielleicht ein neues Wuhan“ alarmierte als möglicher Supergau für die ganze Welt auch die Regierung in Kopenhagen.

Massentötung von Nerzen ohne gesetzliche Grundlage

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ordnete die sofortige Tötung aller Tiere an und ließ ein befristetes Zuchtverbot ausstellen. Armeeeinheiten mussten bei der Massenschlachtung helfen, mitunter gegen dann sehr bestimmt beendeten Widerstand der Züchterinnen und Züchter. Riesige Kadaverberge, eiligst und notdürftig unter die Erde gebaggert, bescherten dem Land mitten in einer finsteren Corona-Phase zusätzliche Schrecken.

Die Verbreitung eines für Menschen gefährlichen neuen Virus blieb aus. Für die politisch Verantwortlichen in Kopenhagen wuchs dafür als neuer Schrecken die Erkenntnis, dass Frederiksen die Massentötung ohne gesetzliche Grundlage, also widerrechtlich angeordnet hatte. Sie musste neben den politischen Folgen auch mit juristischen vor Gericht rechnen. Zur tiefen Entschuldigung für den Fehler im eiligen Corona-Management gehörte die Ankündigung bemerkenswert großzügiger Entschädigungen für die stillgelegten Zuchtbetriebe.

Und wohl auch die stillschweigende Schlussfolgerung, dass ein Zuchtverbot auf Dauer den innenpolitischen Scherbenhaufen für die Regierung noch vergrößert hätte. Das bis 1. Januar 2023 geltende Zuchtverbot wurde nicht mehr erneuert. Das staatliche Seruminstitut versicherte, das Risiko neuer Corona-Viren aus den Nerzfarmen sei jetzt minimal und auch durch häufige Kontrollen beherrschbar.

Kritiker der Nerzzucht in Dänemark hoffen auf Brüssel

Peder Hvelplund, Parlamentsabgeordneter aus Hjørring, dem traditionellen Zentrum der dänischen Nerzzucht, kann gar nicht schnell genug den Kopf schütteln, wenn er das hört: „Was jetzt passiert, ist absurd. Wir haben 20 Milliarden Kronen (270 Millionen Euro) Steuermittel für die Stilllegung hingelegt, und jetzt geht es von vorn los. Ich sag meinem Kind auch nicht, es kann nachts ruhig über die Autobahn gehen, weil dann wenig Verkehr ist!“

„Vollkommen verrückt“ findet der Mann von der linken Einheitsliste, dass die Nerze zum Neustart der dänischen Zucht aus dem letzten Zuchtbetrieb bei den Nachbarn in Norwegen importiert worden sind. Dort ist das komplette Verbot für diese Branche zum Jahreswechsel in Kraft getreten. Wie inzwischen in mehr als 20 europäischen Ländern. In Deutschland sind die wirtschaftlichen Bedingungen für die Zucht der kleinen Pelztiere seit 2017 so verschärft worden, dass sie sich für die Züchterinnen und Züchter nicht mehr rechnet.

Wenn Kopenhagen der Nerzzucht in absehbarer Zeit nicht den Garaus machen will, könnte das Brüssel übernehmen. Wie „Agrar-Europe“ meldete, gibt es Bestrebungen, die Nerze ab 2024 in die Liste nicht einheimischer invasiver Arten aufzunehmen: „Sollte dies tatsächlich erfolgen, wird erwartet, dass ein vollständiges Verbot der Nerzzucht in der gesamten EU dauerhaft wird.“

Türkisches Nein zur Nato-Erweiterung im Norden zahlt sich immer besser aus

Posted on

US-Kampfjets für Erdogan

15.01.2023, 18:37 Uhr

Von: Thomas Borchert

Erdogan im Regierungsflieger – und als Begleitschutz eine F-16.
Erdogan im Regierungsflieger – und als Begleitschutz eine F-16. © imago

Das Nein des Präsidenten zur Nato-Erweiterung zahlt sich für ihn immer mehr aus.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan fährt mit seinem beharrlichen Nein zur Nato-Aufnahme Schwedens und Finnlands immer neue Etappensiege ein. US-Präsident Joe Biden bereitet jetzt nach Angaben des Wall Street Journal die Lieferung von 40 neuen F-16-Kampfjets an die Türkei vor. Zum Hintergrund heißt es unter Berufung auf Washingtoner Regierungskreise, für die nötige Zustimmung im Kongress wolle man Erdogan „ermutigen, seinen Widerstand gegen den finnischen und schwedischen Beitritt zur Nato aufzugeben“.

Bei den politischen Spitzen in Helsinki und Stockholm setzt sich trotzdem immer klarer die Erkenntnis durch, dass der innenpolitisch angeschlagene Präsident in Ankara sein Vetorecht unter den derzeit 30 Nato-Mitgliedsländern weiter maximal nutzen will. Finnlands Präsident Sauli Niinistö sagte in der Stockholmer Zeitung „Dagens Nyheter“: „Ich glaube, wir werden bis nach der türkischen Wahl (18. Juni) warten müssen.“ Außenminister Pekka Haavisto hatte kurz vorher erklärt, es gebe „keine Garantie, dass der Prozess nicht noch länger dauert“.

Der jetzt bevorstehende Waffendeal würde Lockheed, dem größten Rüstungskonzern der Welt, 20 Milliarden Dollar einbringen. Zusätzlich will die US-Administration dem Autokraten in Ankara 900 Lenkflugkörper und 800 Bomben liefern. Neben der Zustimmung zur Nato-Erweiterung geht es dabei auch um dringend gewünschte türkische Unterstützung für die Sanktionspolitik gegen Russland im Gefolge des Ukraine-Krieges. Hauptgrund für das von Präsident Joe Biden 2019 verhängte Embargo gegen die Lieferung neuer F-35-Jets an die Türkei war Erdogans Entscheidung, in Russland das Flugabwehrsystem S-400 zu bestellen.

Jetzt gilt offenbar weder das noch die türkische Drohung einer neuen Landinvasion des kurdisch regierten Teils von Syrien noch Erdogans immer aggressivere Politik gegen den Nachbarn und Nato-Verbündeten Griechenland als Hindernis.

Washington will „als Ausgleich“ dem Wall Street Journal zufolge auch die griechische Seite mit noch mehr Waffen durch „unter anderem mindestens 30 F-35-Jets“ aufrüsten.

Vor allem gegenüber Schweden als angeblichem Hort für kurdische Terroristen hat Erdogan seinen Ton jetzt weiter verschärft. Ankara sagte den geplanten Besuch des Stockholmer Parlamentspräsidenten Andreas Norlén kurzfristig ab, nachdem Mitte der Woche vor dem Reichstag eine Puppe mit Erdogan-Maske kopfüber aufgehängt worden war. Es half nichts, dass Regierungschef Ulf Kristersson sich sofort entschuldigte und die Aktion in Schweden lebender Kurden als „Sabotage am Nato-Beitritt“ verurteilte.

Sein Außenminister Tobias Billström war kurz vorher bei einem Besuch in Ankara den türkischen Forderungen nach maximal harter staatlicher Verfolgung der als Terrororganisation eingestuften kurdischen PKK beispiellos weit entgegengekommen: Man könne bei geplanten Verschärfungen der Antiterror-Gesetze auch das Winken mit PKK-Flaggen unter Strafe stellen.

An der Spitze der von Erdogan für die Zustimmung zur Nato-Aufnahme geforderten Vorleistungen steht die Auslieferung von mehr als 70 hier lebenden Exil-Kurd:innen. Bei einem Treffen mit Kristersson in Ankara hatte der türkische Präsident als „besonders wichtig“ die Auslieferung des unbehelligt in Schweden lebenden Exil-Journalisten Bülent Kenes verlangt. Das Höchste Gericht wies im Dezember den türkischen Antrag ab: Kenes habe nach schwedischem Recht nichts Strafbares getan und müsse in der Türkei mit politischer Verfolgung rechnen.

Generell stellt Schwedens Regierung die türkischen Forderungen nach Auslieferungen nicht infrage. Die Sprecherin der Organisation Human Rights Watch, Tirana Hassan, meinte im Rundfunk zum weitgehenden Stockholmer Entgegenkommen: „Wenn Schweden vor den türkischen Verletzungen der Menschenrechte zum eigenen politischen Vorteil die Augen verschließt, gehört das zu einem der beunruhigendsten aktuellen Trends.“

Om købte politikere i Danmark, Norge og Tyskland

Posted on

  • 4/01/2023

Nick Hækkerups frækhed nåede helt til Berlin

For demokratiets stabilitet og troværdighed er den daglige krænkelse af anstændighed og moral i politik og den gradvise forskydning af grænserne ødelæggende. Eksemplerne er desværre til at få øje på.

Artiklens øverste billede
Det tog Nick Hækkerup​ mindre end en måned at forvandle sig fra socialdemokratisk regeringsmedlem til ærkeliberal bryggeripropagandist, konstaterer Thomas Borchert. Tegning: Rasmus Sand Høyer

Thomas Borchert Tysk korrespondent

Nick Hækkerups optræden som bryggeri-lobbyist oplevede jeg fra et køkken i Berlin. Radioavisen på P1 hører til Skandinavien-korrespondentens frokostritualer. Men smørrebrødskunsten måtte lige tage sig en pause, mens Hækkerups grænseløse frækhed trængte igennem og kom ud af internetradioen. Her kunne man høre, ekssundhedsministeren nedgør egne tidligere anbefalinger til inddæmning af folkesygdom nr. et: alkoholafhængighed. Den slags kalder han nu for kritik fremført af »nypuritanerne og sundhedsparnasset«. En til to eller en til tre genstande om dagen skulle ikke være et problem: »Øllet er en del af vores folkesjæl.«

Det tog Hækkerup mindre end en måned at forvandle sig fra socialdemokratisk regeringsmedlem til ærkeliberal bryggeripropagandist. En ven fra Berlin trak på skulderen ved min åndeløse beretning om denne danske købte politiker: »Åh hvad, sådan en lille fisk.«

Er jeg den eneste, der tager anstød af, hvordan visse folkevalgte her i landet oftere og oftere rækker ud efter statskassen, når de fatter, hvilke enorme privilegier de har adgang til? 

I Tyskland har alle, eller næsten alle, kun foragt tilovers for ekskansler Gerhard Schröder, hvis vej til “forståelse” for den russiske præsident og krigsforbryder Putin er brolagt med enorme bestyrelseshonorarer. Min ven nævnte endvidere Schröders socialdemokratiske partifælle, eksudenrigsminister Sigmar Gabriel. Denne har forsvaret Qatar imod enhver kritik fra menneskerettighedsforkæmpere lige så energisk, som Nick Hækkerup nu gjorde tre øl om dagen til en dansk menneskeret. I 2020 fik magthaverne i det stenrige sheikdømme kilet Gabriel ind som Qatars repræsentant i Deutsche Banks bestyrelse – med et millionhonorar.

For at få positiv omtale har qatarerne som bekendt også sendt massevis af euro til Bruxelles, ja, i sækkevis ankom pengene, så politiet nok så praktisk kunne finde kontanterne hjemme hos bl.a. én af EU-Parlamentets 14 vicepræsidenter. Så vidt driver vi det ikke til i lille Danmark. Mindre kan også gøre det (“Kleinvieh macht auch Mist”, siger man i mit fødeland). Er jeg den eneste, der tager anstød af, hvordan visse folkevalgte her i landet oftere og oftere rækker ud efter statskassen, når de fatter, hvilke enorme privilegier de har adgang til? For demokratiets stabilitet og troværdighed er den konstante daglige krænkelse af anstændighed og moral i politik og den gradvise forskydning af grænserne lige så ødelæggende som den ene store korruptionsskandale. 

En norsk-dansk parallel: I Oslo har anklagemyndigheden indstillet efterforskningen af norske politikere for ”groft bedrageri” i forbindelse med deres gratis pendlerbolig som stortingsmedlemmer. Reglerne er ”for uklare”. Alligevel skal 38 af de 169 stortingsmedlemmer betale efterskat. Af disse skal 10 betale strafskat for vildledende oplysninger. Den endeløse kæde af afsløringer har tvunget en stortingspræsident, Arbejderpartiets viceformand samt lederen af Kristelig Folkeparti til at træde tilbage. Alle havde de en bolig i nærheden af Oslos centrum, men lod sig indføre i folkeregisteret som boende et andet sted, længere væk.

Den sidstnævnte, tidligere barne- og familieminister Kjell Inge Ropstad, fik ros fra kommentatorer: Det var »befriende«, da han som den eneste åbenhjertigt erklærede, at han blot havde »brugt reglerne til sin fordel maksimalt«. Det var efter stortingsvalget i 2021, som gik dårligt for hans lille parti. Under valgkampen i Norge havde Ropstad brugt helt den samme undskyldning, som Alex Vanopslagh i Danmark brugte i samme situation: Han skulle nok have læst reglerne for sin pendlerlejlighed lidt nærmere.

Den danske politikerskandale fik dog en anden slutning end den norske: Også Vanopslagh slap for videre tiltale, men han og hans parti, Liberal Alliance, fremtrådte som glorværdige vindere med mere end tre gange så mange stemmer som i 2019. LA-vælgerne blev måske imponerede over, hvor beslutsomt formanden kunne bruge reglerne til sin maksimale fordel.

At den nyudnævnte folketingspræsident, Søren Gade, partout har villet beholde et velbetalt bijob som bestyrelsesformand for Esbjerg Havn med en indtægt på 300.000 kr. lagt oveni formandslønnen på 1,7 mio. kr., er også gået forbløffende glat igennem. Han ville gerne være »i berøring med livet, som det leves uden for Christiansborg«. Måske bestyrelser er noget særligt for den danske folkesjæl?

Glenn Bech, forfatter og psykolog, kom i sin nytårstale i ”Deadline” med en nøgtern konstatering: »Det er landets rigeste, som med skjulte donationer, nepotisme og lobbyisme trækker i trådene på Christiansborg.« Hvor godt, at Glenn Bech nu er kommet ind i kredsen af weekendpanel-skribenter her i avisen.