Italien und Dänemark verbünden sich gegen den Straßburger Gerichtshof
Die sozialdemokratische Dänin MetteFrederiksen und die postfaschistische Italienerin Giorgia Meloni blasen als selbstbewusstes neues „Duo“ im Zentrum der EU zum Angriff auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In einem offenen Brief, unterzeichnet auch von den Regierungschefs in Polen, Belgien, Österreich, Estland, Lettland, Tschechien sowie vom Präsident Litauens, werfen sie dem Gericht vor, mit der vor 75 Jahren geschaffenen Europäischen Menschenrechtskonvention als Grundlage den „nationalen Handlungsspielraum“ beim Umgang mit kriminell gewordenen Migrant:innen einzuschränken. Der Schutz der eigenen Bevölkerung sei aber wichtiger als die individuellen Rechte der Migrant:innen.
Nach der Vorstellung des Briefes bei einem Treffen zwischen den beiden Ministerpräsidentinnen in Rom sagte Frederiksen über ihre Zusammenarbeit mit Meloni: „Wenn wir beide die Eier in denselben Korb legen, kommt man an uns als Duo nur schwer vorbei.“ In der Kopenhagener Zeitung „Berlingske“ meinte sie zum Paarlauf mit ihrer italienischen Kollegin von der äußersten Rechten, „Patriotismus“ eine sie mit Meloni. Als Gegenpol dazu nannte Frederiksen den Satz „Wir schaffen das“ von Ex-Kanzlerin Angela Merkel bei der Aufnahme syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge vor zehn Jahren.
Sie lobt Meloni als jemanden, „mit dem Willen, es immer wieder neu zu probieren“, und nennt als Beleg den vorerst von Gerichten gestoppten Anlauf der italienischen Regierung zur Deportation von Mittelmeer-Flüchtlingen in albanische Lager.
Knallharter AsylkursFrederiksens Regierung selbst hat bisher ihren Plan nicht realisieren können, sämtliche Asylbewerber:innen ins afrikanische Ruanda ausfliegen zu lassen. „Das wird uns schon noch gelingen, ich weiß nur noch nicht, wann“, sagte Frederiksen bei ihrer Rückkehr aus Rom.
Die 47- jährige Sozialdemokratin lässt keinen Zweifel daran, dass sie Dänemarks EU-Ratspräsidentschaft ab 1. Juli nutzen will, um die mit Meloni gestartete Initiative gegen den Straßburger Menschenrechts-Gerichtshof in der ganzen Union durchzusetzen: „Man wird mich daran messen können, ob ich die europäische Migrationspolitik mitverändert habe.“ Da nicht alle Sozialdemokratien offen hierfür seien, habe sie sich „eben nach anderen politischen Partnerschaften umgesehen“.
Frederiksen sieht die Zeit gekommen, sich auch europäisch mit ihrer seit sechs Jahren im eigenen Land brachial durchgesetzten Hardliner-Migrationspolitik neu zu profilieren. Seit zehn Jahren verfolgt sie als Parteichefin und seit 2019 auch an der Regierungsspitze die Linie, an die äußerste Rechte verlorene Wählerschaft durch hundertprozentige Kopie von deren „Ausländerpolitik“, so der dänische Fachausdruck für Migration, wieder zur Sozialdemokratie zurückzuholen.
J.D. Vance wird gelobtWie weit sich die Spiralbewegung nach rechts auch in der sonstigen Politik bewegt, zeigt eine Initiative zeitgleich mit Frederiksens Besuch bei Meloni: Der sozialdemokratische Justizminister Peter Hummelgaard begründete letzte Woche die bevorstehende Verdoppelung des Strafmaßes für Gewaltverbrechen mit dem Anspruch der Gesellschaft auf „gerechtfertigte Rache“. Dass es weder annähernd genug Gefängnisplätze noch wissenschaftliche Evidenz für die Wirksamkeit immer höherer Strafen gebe, interessiert ihn weniger.
Genauso „geradeaus“, manche würden es populistisch nennen, drückt sich Frederiksen aus, wenn sie gegen das Straßburger Gericht für Menschenrechte zu Felde zieht, weil es Abschiebungen nach schweren Straftaten blockiert. Es sei ihr „vollkommen egal“, ob jemand als in Dänemark geborener Afghane etwa nach einem Tötungsdelikt nicht im Land der Eltern zurechtkomme, weil er nie dort gewesen sei und die Sprache nicht beherrsche: „Das sind Menschen, die Verbrechen in einem Land begehen, das nicht ihres ist. Deshalb müssen sie es verlassen.“ Noch grundsätzlicher hat Frederiksen auch kein Problem damit, US-Vizepräsident J.D. Vance ausdrücklich recht zu geben für seine Bemerkung, Massenzuwanderung sei das größte Problem unserer Zeit.
In dem von ihr entworfenen, mit Meloni propagierten und von sieben weiteren EU-Regierungsspitzen unterschriebenen Brief gegen den Kurs des Gerichtshofes heißt es: „Wir glauben, dass die Mehrheit der europäischen Bevölkerung bei dieser Initiative hinter uns steht.“