Month: January 2025
Norwegen macht der Krieg in der Ukraine noch viel reicher

Ukraine-Krieg beschert Norwegen „außergewöhnliche Einnahmen“
17.01.2025
Von: Thomas Borchert
Norwegen kassiert durch die russische Invasion in die Ukraine mehr als 108 Milliarden Euro zusätzlich.
Norwegens Finanzministerium hat die astronomische Höhe seiner „außergewöhnlichen Einnahmen“ durch den Krieg in der Ukraine selbst ausgerechnet. Umgerechnet 108 Milliarden Euro habe allein der Anstieg der Gaspreise nach der russischen Invasion zusätzlich in die Staatskasse gespült, hieß es von Europas wichtigstem Energielieferanten nach einer parlamentarischen Anfrage. Dieser Gewinn übertrifft die bisherigen Ausgaben der USA mit 88,3 Milliarden plus Deutschland mit 15,7 Milliarden Euro für die von Russland überfallene Ukraine. Zusammengerechnet nach den vom Kieler Institut für Weltwirtschaft ermittelten Zahlen 104 Milliarden Euro.
Das groteske Missverhältnis ist im politischen Oslo ein Randthema. „Stattdessen hat die norwegische Regierung beschlossen, ein Kriegsgewinnler zu sein und sich gierig an ihre Gewinne zu klammern“, klagten in einem Beitrag für ausländische Zeitungen der Volkswirtschaftler Knut Anton Mark und der Finanzwissenschaftler Håvard Halland, nach Berufsjahren auch bei der Weltbank und der OECD wohl frei vom Verdacht, als Moralapostel zu argumentieren.
Sie schreiben, dass die Kriegsgewinne in Wirklichkeit ja noch viel höher seien, denn das Finanzministerium habe den kriegsbedingten Preisanstieg bei Öl, der zweiten für Norwegens sagenhaften Reichtum sprudelnden Quelle, außer Acht gelassen. Bei den bisherigen Hilfsleistungen für die Ukraine, militärisch, finanziell und humanitär, belegt Norwegen laut dem Kieler „Ukraine Support Tracker“ mit 3,2 Milliarden Euro einen unauffälligen Platz im Mittelfeld. Aus Oslo hielt die Regierung dagegen, die Kieler Rechnung sei irreführend und man habe die Hilfe an Kiew von 2024 auf 2025 massiv erhöht.
Unbestritten bleibt, dass die Zusatzeinnahmen aus Gas und Öl wie zu normaleren Zeiten den staatlichen „Pensionsfonds“ in hohem Tempo füllen. Er ist mit schwer fassbaren 1700 Milliarden Euro der größte staatliche Sparstrumpf der Welt. Der sozialdemokratische Regierungschef Jonas Gahr Støre hat seit Beginn des Ukraine-Krieges immer wieder stolz verkündet, Norwegens Beitrag gegen die russische Invasion sei vor allem der Einsatz als „zuverlässiger“ Lieferant maximaler Gasmengen für Europa.
Sein Finanzminister Trygve Vedum vom liberalen Zentrum beruft sich als Hüter der Einnahmen daraus auf den „Generationenvertrag“, wonach der Fonds auch künftige Generationen sichern soll. Norwegen werde irgendwann mal nicht mehr über Gas und Öl als Einnahmequelle verfügen. Seine Ablehnung von Ausnahmen in der Zeitung „Aftenposten“ verdient ein ausführliches Zitat: „Die Idee einer gesonderten Auslandsfinanzierung kann vollkommen schiefgehen. Jetzt geht es um die Ukraine, aber nächstes Mal könnte man argumentieren, dass wir (Geld aus dem Fonds) für eine Hungerkatastrophe oder den Krieg in Gaza oder das Klima einsetzen.“
Für Schlagzeilen in Oslo zum Thema Ukraine-Hilfe sorgten dann diese Woche Nachbarn im Norden. „Wie um alles in der Welt können unsere norwegischen Brüder und Schwestern sich noch selbst in die Augen schauen?“, fragte die größte Kopenhagener Zeitung „Politiken“ im Leitartikel und verwies empört darauf, dass Dänemark gut 2 Prozent seines BNP gegenüber 0,7 Prozent aus dem unendlich reichen Norwegen abzweige. Vedum reagierte im heimischen Sender TV2 ungerührt: „Wir haben für höhere Exporte gesorgt, als Europa unser Gas brauchte. Statt Kritik verdienen wir Dank.“
Die Mittelinks-Minderheitsregierung unter Führung von Støres Arbeiterpartei ist in den Umfragen immer tiefer und fast schon aussichtslos hinter das Bündnis aus Konservativen und der populistischen Fortschrittspartei zurückgefallen. Vor diesem Hintergrund wohl ist auch die markante Verschärfung der Regeln für ukrainische Flüchtlinge zu verstehen. Mit 85 000 Aufgenommenen hatte Norwegen seit 2022 eine großzügige Linie gefahren, im Herbst aber mehrere westukrainische Bezirke als „sicher“ erklärt, Einzelfallprüfungen eingeführt und weitere Regeln kräftig verschärft. „Wir tun das, um die breite Unterstützung in der norwegischen Bevölkerung für den ukrainischen Flüchtlingsstrom aufrechtzuerhalten“, begründete Justizministerin Emilie Mehl den Schritt.
Islands Frauen haben die politische Spitze jetzt komplett erobert

Island wagt mehr -dóttir
11.01.25
von Thomas Borchert
Frauen übernehmen immer mehr wichtige Posten in Politik, Wirtschaft und Forschung. Der Inselstaat Island rückt vom Patriarchat ab – aber auch nach rechts .
Alle Welt staunt über die rasante Eroberung der Staatsspitze durch Islands Frauen, aber die Hauptperson hält das für nicht der Rede wert. In ihrer Neujahrsansprache erwähnte die frisch ins Amt gekommene Regierungschefin Kristrún Frostadóttir mit keinem Wort, welchen Weltrekord ihre sozialdemokratische Allianz gerade mit zwei natürlich weiblich geführten Koalitionsparteien aufgestellt hatte. Sieben von elf Ministerposten und damit 63,6 Prozent sind von Frauen besetzt. Auch der Vorsitz im Parlament und kurz davor das Amt des Staatsoberhaupts sind von einem Isländer auf eine Isländerin übergegangen.
Die Gender-Perspektive tauchte in der TV-Rede überhaupt nicht auf. Stattdessen erklärte die 36-jährige Neue an der Spitze, wie ihre Regierung Inflation, hohe Zinsen, Wohnungsnot und die schlimmen Folgen der vielen Vulkanausbrüche in letzter Zeit angehen will. Sie kündigte eine Volksabstimmung über einen EU-Beitritt Islands an und erbat ziemlich populistisch „Sparideen“ für die Staatskasse aus der Bevölkerung.
Der Siegeszug der Frauen bot sich als Erfolgsgeschichte so unwiderstehlich an, dass heimische Medien den Spitznamen „Walküre-Regierung“ in ihre Schlagzeilen hievten und der TV-Sender RUV fragte: „Ist Island jetzt Frauenland?“ Auch außerhalb des Kabinetts gibt es Indizien – die Polizei sowie die Generalstaatsanwaltschaft, sechs von sieben isländischen Universitäten und die protestantische Staatskirche werden weiblich geführt.
Die Insel mit harten Klima mitten im Atlantik verfügt (als Nato-Mitglied) über kein eigenes Militär. Das immerhin erspart den männlichen Wikinger-Nachfahren die Demütigung, auf ihrem ureigensten Feld auch noch von den Frauen überholt zu werden. Ausgerechnet als Wächter über das Geld haben sie die Stellung gehalten. Die Nationalbank und zwei der drei größten Geldinstitute werden von Männern gelenkt, obwohl den Bankenkollaps 2008 männliche Zocker mit Kredit-Größenwahn dem Land eingebrockt hatten.
Unter den dafür 41 rechtskräftig Verurteilten sind neben 39 Männern mit der Endung „-son“ (Sohn) aber doch auch zwei Frauen mit „-dóttir“ (Tochter) im Nachnamen. Das erleichtert in Island die Gender-Zuordnung ohne Vornamen enorm und zeigt zugleich, dass noch Luft nach oben ist. Beim Sender RUV meinte auch die Gender-Forscherin Thorgerdur Einarsdóttir von der Uni Reykjavik: „Island ist weit davon entfernt, ein Land in der Hand der Frauen zu sein. Die Männer dominieren die Privatwirtschaft und das Kapital mit den Finanzeinrichtungen.“
Frauen sind hier schon lange unabhängiger
Dass es in der Politik und auch im öffentlichen Dienst so extrem anders läuft, ist nicht einfach vom meistens grauen Himmel gefallen. Eine gefühlte Ewigkeit schon sind die Frauen hier durch eigene Jobs unabhängiger als anderswo. Und selbstbewusster. Aus Protest gegen den Gender-Abstand bei Lohn und Gehalt organisierten Frauen 1975 den ersten landesweiten Streik. 2023 beteiligten sich mehr als 100 000 an einer Neuauflage, das war ein beträchtlicher Anteil der berufstätigen Frauen. Auch die damalige Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir von den Links-Grünen blieb der Arbeit fern und schloss sich der Protest-Kundgebung vor dem Parlament „Althing“ an.
Ausgerechnet diese Politikerin, allseits geschätzt für die Führung Islands durch die Corona-Zeit, gehört jetzt zu den abgestürzten Opfern des jüngsten weiblichen Sturmlaufs. Nach sieben Jahren als Chefin einer Koalition mit zwei Rechtsparteien galt sie als klare Favoritin auf das Amt der Staatspräsidentin und verlor gegen die politische Quereinsteigerin Halla Tómasdóttir. Das Volk zog das Modell „erfolgreiche Geschäftsfrau“ der „Integrationsfrau von links“ vor.
Noch viel klarer eine Richtungswahl nach rechts wurde der Urnengang für das Althing ein paar Monate später. Im November sackten Jakobsdóttirs Links-Grüne von 12,5 auf jämmerliche 2,3 Prozent und flogen genauso aus dem Parlament wie die Piratenpartei, auch von einer Frau geführt (mit drei Prozent). Die Linke als Flügel wurde ausradiert. Als Siegerin (mit Verdoppelung auf 20,8 Prozent) tat sich die traditionell rechts ausgerichtete Sozialdemokratie mit der wirtschaftsliberalen Reformpartei und der zugleich stramm nationalistischen wie linkspopulistischen Volkspartei zusammen. Deren Chefin Inga Sæland führt jetzt das Sozial- und Wohnungsressort, Thorgerdur Gunnarsdóttir von der Reformpartei ist Außenministerin.
Das Frauentrio mit Frostadóttir an der Spitze steht also für einen Rechtsruck. Leicht seufzend konstatiert das auch die Journalistin Steinnunn Stefansdóttir und fügt hinzu: „Man kommt nicht drumherum, dass die drei eine positive, frohe Stimmung verbreiten.“ Wie sie einander herzten und in schwesterlicher Eintracht von schönen Stunden auch mit gemeinsamem Gesang bei ihren Koalitionsverhandlungen berichteten, das verbreite einfach Optimismus. Ähnlich kommentierte das im TV die Gender-Professorin Einarsdóttir: „Mit dem neuen Führungsstil wird mehr Demut vor der Macht demonstriert, weg von der patriarchalen Kraftrhetorik, die Islands Politik lange dominiert hat.“
Trumps Griff nach Grönland schockt Dänemark
Bei Donald Trumps Griff nach Grönland erscheint schon der Ausgangspunkt irrational. Bereits jetzt bestimmen die USA in der Praxis, was dort zu tun ist.
Streit um Grönland: Viele sind verwirrt im Staate Dänemark
10.01.2025
Von: Thomas Borchert
Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen schwörte in ihrer Neujahrsansprache die Bevölkerung düster auf schwere Zeiten in einer „anderen Welt“ ein: „Die Bedrohungen kommen in vielerlei Formen. Aber egal, was uns erwartet, wir müssen den Willen haben, uns zu verteidigen. Den Willen zu siegen.“ Das Böse „gegen uns“ ortete sie ausdrücklich in „Moskau, Pjöngjang und Teheran – mit China in den Kulissen“. Was tun? Eins jedenfalls nicht: „Geben wir nach, verlieren wir.“
Die erste Erfüllung der düsteren Prophezeiung kam ein paar Tage später postwendend, aber überraschend aus Miami Beach. Dass der künftige US-Präsident Donald Trump die Forderung nach Abtretung Grönlands auch gleich mit einer Invasionsdrohung gegen den Nato-Verbündeten Dänemark verband, verschlug Frederiksen erst mal die Sprache.Sie brauchte lange für ihre erste Reaktion, die dann aber auch nicht einen Hauch von Vorwürfen Richtung Trump enthielt. Über die Zukunft Grönlands, das mit der alten Kolonialmacht Dänemark teilautonom verbunden und von Subventionen aus Kopenhagen stark abhängig ist, sollten „nur die Grönländer entscheiden“.
Über Trumps Drohung mit Wirtschaftssanktionen und sogar dem Militär sagte die Sozialdemokratin: „Ich kann mir in meinen wildesten Fantasien nicht vorstellen, dass es soweit kommt.“ Außenminister Lars Løkke Rasmussen äußerte auch noch „Verständnis für die Sorgen der USA um Grönland,“ weil doch Russland in der Arktis bedrohlich aktiv sei. Man müsse Trump auch nicht immer so genau beim Wort nehmen.
Das war eine wahrlich weichere Tonlage, als sie aus den gewichtigen EU-Hauptstädten Paris und Berlin zu hören war, wo recht klare Erinnerungen an die Unverletzlichkeit der Grenzen über den Atlantik geschickt wurden. Auch die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas wies Trumps Ansprüche entschieden zurück.
In Dänemark verblasste das neben Trumps wild inszenierter Begleitmusik zur Forderung nach Grönland: Er ließ seinen Sohn Donald Junior im eigenen Flugzeug „Trump Force One“ in Grönlands Hauptstadt Nuuk landen, bevor er nach vier Stunden wieder nach Hause flog. Danach verkündete Trump Junior in Fox News, die Grönländer:innen seien die rassistische Behandlung durch die Dänen leid und wollten lieber zu den USA gehören.
Neuwahlen stehen an
Vier Monate vor Neuwahlen auf der Insel verheißt das nichts Gutes. Auf jeden Fall ist klar, dass die ohnehin starken Stimmen für eine komplette Lösung von Dänemark jetzt massiv Aufwind bekommen.
Die Kopenhagener Politik sieht sich in einer schwer überschaubaren Krisensituation, wie zuletzt 2006, als sie wegen der Mohammed-Karikaturen in der islamischen Welt zum Feindbild wurde.
Bei Trumps Griff nach Grönland erscheint auch wieder unkalkulierbar, was als Nächstes passieren kann. Schon der Ausgangspunkt wirkt irrational, wie alle Grönland-Kenner:innen in Nuuk und Kopenhagen einhellig erklären: Auch jetzt bestimmen in der Praxis die USA auf Grönland militärisch souverän, was zu tun ist. Sie bekommen von Dänemark jeden Wunsch erfüllt.
So versteht sich fast von selbst, dass Frederiksens Regierung im Handumdrehen gewaltige militärische Zusatzanstrengungen für die Arktis rund um Grönland zusagt. Vielleicht kann ja damit der neue Mann im Weißen Haus zufriedengestellt werden. Ex-Außenminister Per Stig Møller ist aber skeptisch: „Vielleicht will Trump jetzt tatsächlich die Nato sprengen.“
Zudem drohte Trump noch mit Strafzöllen, sollte Dänemark Grönland nicht freiwillig abgeben. Dabei boomt das kleine skandinavische Königreich eigentlich, weil der Pharmakonzern Novo Nordisk mit seinen Abnehm-Präparaten Wegovy und Ozempic vor allem in den USA astronomische Profite einfährt. Trumps kommender Gesundheitsminister Robert Kennedy wettert schon lange über die extrem hohen Kosten dafür.
Trump verlangt Grönland von Dänen, und die Grönlander werfen Dänemark Völkermord auf ihrer Insel vor

Trumps Avancen und Grönlands Hoffnung
02.01.2025
Von: Thomas Borchert
Die Arktisinsel will nicht von den USA gekauft werden – engerer Kontakt zu Washington ist aber durchaus erwünscht. Vom Beginn einer schwierigen Beziehung.
Die größte Insel der Welt erwartet nicht nur des Klimas wegen ein stürmisches Jahr. Donald Trump erhebt gegenüber dem Nato-Verbündeten Dänemark territorialen Anspruch auf Grönland, während zugleich die Volksvertretung dort Kopenhagen einen Genozid auf der Polarinsel vorwirft. „Wir gehören zusammen“, hat König Frederik in seiner ersten Neujahrsansprache dagegengehalten und genauso huldvoll royale Grüße an die 57 000 Grönländer:innen ins Mikrofon gesprochen wie seine in den Ruhestand gewechselte Mutter Margrethe an jedem Silvesterabend in den vorausgegangenen 52 Jahren.
Zu Weihnachten waren Grüße von ganz anderem Kaliber in der Hauptstadt Nuuk angekommen. Donald Trump hatte sich noch vor der Amtsübernahme im Weißen Haus direkt an die Einwohner:innen der Arktisinsel gewandt und ihnen ein „Merry Christmas“ mit der Ergänzung gewünscht, dass die Vereinigten Staaten ihr Land „aus nationalen Sicherheitsgründen“ benötigten. Das würden sie ja auch wollen, und: „Wir werden da sein“. Was er damit ganz handfest meinte, war kurz vorher auf seiner Social-Media-Plattform Truth zu lesen. Für die USA seien „Besitz und Kontrolle von Grönland eine absolute Notwendigkeit“.
Für die in einer „Reichsgemeinschaft“ mit der Ex-Kolonialmacht Dänemark verbundenen Inuit, Grönlands Urbevölkerung, dürfte das wie das berühmte Mafia-Angebot in „Der Pate“ geklungen haben, das man besser nicht ablehnt. Als Trump 2019 in seiner ersten Amtszeit wie nebenbei bemerkte, die USA könnten doch Grönland den Dänen abkaufen, einfach wie eine Immobilie, hatte noch die ganze Welt gelacht. Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen hatte den Vorschlag als „absurd“ abgetan. Trump war darüber so beleidigt, dass er einen geplanten Staatsbesuch in Kopenhagen absagte und Frederiksen „ungezogen“ („nasty“) nannte.
Fünf geopolitisch dramatische Jahre und eine Trump-Wiederwahl später lacht jetzt niemand mehr. Haben doch auch gewichtige Stimmen aus dem Trump-Lager schon dargelegt, dass die größte Insel der Welt wegen der Klimaveränderungen mit mehr und mehr fahrbaren Schiffsrouten im polaren Norden und wertvollen Rohstoffvorkommen für die USA im Wettlauf mit Russland und vor allem China als militärische Basis „unverzichtbar“ sei.
Frederiksen hüllt sich zum neuen „Angebot“ in Schweigen und erklärte, sie freue sich auf die Zusammenarbeit mit dem künftigen US-Präsidenten. Klarer wurde in Nuuk Mute Egede, der Chef der Selbstverwaltungs-Regierung: „Grönland gehört uns. Wir stehen nicht zum Verkauf und werden das niemals sein.“ Gleichwohl sei man offen für alle Formen von Zusammenarbeit und Handel, insbesondere mit den Nachbarn. Womit durchaus die USA gemeint sind.
Zorn auf Dänemark
In Kopenhagen hatte Egede, dessen Regierung nach innen weitgehend autonom entscheidet, sicherheitspolitisch aber an Dänemark gebunden ist, bei einem vorweihnachtlichen Besuch das Verhältnis zur „sogenannten Reichsgemeinschaft“ in tiefstem Schwarz ausgepinselt: „Wir sind an einem Gefrierpunkt angelangt und mit unserer Geduld am Ende.“ Hintergrund ist der erst jetzt bekanntgewordene Umfang dänischer Zwangs-Programme zur Schwangerschaftsverhütung auf Grönland. Zwischen 1966 und 1970 wurden nachgewiesen 4500 jungen Grönländerinnen, darunter Zwölfjährigen, zwangsweise und oft ohne Konsultation der Eltern Spiralen eingesetzt. Das machte die Hälfte der damals gebärfähigen weiblichen Bevölkerung aus. „Wenn man die Reproduktion der grönländischen Bevölkerung stoppt, ist das Völkermord“, sagte Egede im Fernsehen. 143 betroffene Frauen haben im vergangenen Jahr den dänischen Staat auf Schadensersatz verklagt, der sich bisher nicht mal zu einer Entschuldigung durchringen konnte.
In die Reaktionen Kopenhagens, immerhin mehr als 200 Jahre lang Kolonialmacht, mischen sich nach wie vor Arroganz und Verachtung für Grönländer mit wohlfeilen Bekenntnissen zur „Reichsgemeinschaft“ auf Augenhöhe. „Afrika auf Eis“ ist so eine klassische Politikereinordnung der Ex-Kolonie, der man doch mit jährlichen Zuschüssen von vier Milliarden Kronen (550 Millionen Euro) den halben Haushalt finanziere und deshalb kein schlechtes Gewissen haben müsse.
Das Streben nach Unabhängigkeit von Kopenhagen dürfte jetzt durch Trumps erneute Initiative Auftrieb erhalten. Dabei hilft, dass hinter dessen brachialen Tweets durchdachte Pläne über Assoziierungsabkommen stehen.
