Gesinnungsverhöre vor dänischem Parlamentausschuss

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Einbürgerungen in Dänemark: Tränen nach dem Verhör

07.12.2024

Von: Thomas Borchert

Mittels „Gesinnungsgesprächen“ entscheidet im Nachbarland Dänemark ein Parlamentsausschuss über Einbürgerungen. Kritiker und Kritikerinnen rügen Willkür.

Dänische Politiker und Politikerinnen haben im Staatsbürgerschafts-Ausschuss des Parlaments eine Serie von „Gesinnungsgesprächen“ im Zuge der Einbürgerung gestartet. Die 17 Ausschussmitglieder luden diese Woche erstmals zwei von der Einbürgerungsbehörde schon als künftige Staatsbürger anerkannte Männer und eine Frau vor, um sie selbst über ihre „demokratische Gesinnung“ auszufragen.

Bei Zweifeln soll die Anerkennung wieder aufgehoben werden. Die drei hatten alle Bedingungen zur Einbürgerung erfüllt. Ohne irgendwelche Verfahrensregeln und teils auch ohne Beistand mussten sie die Fragen der Politiker:innen über ihr Verhältnis zur Homosexualität, zur Gleichstellung von Männern und Frauen sowie andere „dänische Grundwerte“ beantworten.

Über den genauen Inhalt der jeweils halbstündigen Befragungen gab es in Kopenhagen keine Angaben. Der Ausschussvorsitzende Mikkel Bjørn von der Rechtsaußen-Partei DF (Dansk Folkeparti) erklärte heimischen Medien, er sei „persönlich so stolz wie auf nichts anderes in diesem Jahr“. Die Gesinnungsgespräche waren auf seine Initiative hin zustande gekommen.

Alle drei Befragten kommen aus muslimischen Ländern. Entscheidend für die Mehrheit zur Vorladung im Ausschuss war die Unterstützung durch die sozialdemokratische Partei von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen. Deren Sprecher Anders Kronborg meinte zu den Gesinnungsgesprächen, sie seien in bester Atmosphäre verlaufen, „angenehm mit einer Tasse Kaffee und Keksen“. Medien berichteten aber, dass die vorgeladene Frau den Ausschusssaal weinend verließ.

Die Vize-Ausschussvorsitzende Helene Brydensholdt von der Partei Alternativet legte aus Protest gegen „diese Gesinnungskontrolle ohne die geringste Rechtssicherheit“ ihr Amt nieder. Peder Hvelplund von Enhedslisten sagte nach den drei Treffen: „Mir wurde physisch übel bei den Gesinnungsverhören. Ich habe in zwanzig Jahren Politik noch nie so etwas Demütigendes erlebt und mich am Ende bei den Vorgeladenen für diese Schandfleck der Demokratie entschuldigen müssen.“

Kritik an Vorladungen: „Total willkürlich“

Die Ausschussmehrheit zog die drei Vorladungen durch, obwohl das Justizministerium in einem internen Schreiben vor möglichen Rechtsbrüchen auch durch vollkommen fehlende Verfahrensregeln gewarnt hatte. Die Einbürgerungs-Juristin Eva Ersbøll nannte die Vorladungen „total willkürlich“. Sie verwies auf einen möglichen Bruch von Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie sichert Staatsbürgerschaft als Teil des Rechts auf Privat- und Familienleben ab. Das wies das sozialdemokratische Ausschussmitglied Thomas Skriver Jensen im Sender „DR“ zurück: Seine Partei achte die Menschenrechte. „Aber wenn es um die dänische Staatsbürgerschaft und das Erbrecht auf unser Land geht, sticht das alles andere aus.“

Zu den Besonderheiten des harten dänischen Einbürgerungsrechts gehört die politische Entscheidung über jeden einzelnen Antrag. Nach der behördlichen Prüfung stimmt das Parlament zweimal im Jahr über eine Liste mit den anerkannten Bewerbungen ab. Vorausgegangen sind Einzelentscheidungen über Zweifelsfälle im Fachausschuss, der dabei an keine Regeln gebunden ist. Nach der gängigen Auffassung unter Politiker:innen gibt es auch nach Erfüllung aller objektiv festgelegten Regeln kein Anrecht auf die dänische Staatsbürgerschaft. Viele sehen sie als vom Staat verliehenes „Geschenk“.

Ein Antrag können Anwärter*innen erst ab dem 18. Lebensjahr stellen. Dabei müssen in Dänemark geborene und mit ausländischen Eltern aufgewachsene Bewerber*innen unter anderem 3,5 Jahre Vollbeschäftigung aus den letzten vier Jahren nachweisen. Das macht es den am erfolgreichsten durch Schule und Universität gegangenen jungen Menschen faktisch unmöglich, das Wahlrecht in ihrem angestammten Land vor dem 30. Lebensjahr zu erhalten.

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