Tesla wird seit einem halben Jahr in Schweden bestreikt

Arbeitskampf bei Tesla: Wie schwedische Mechaniker Musk in die Knie zwingen wollen
12.04.2024
Von: Thomas Borchert
Gewerkschaften in Schweden kämpfen für einen Tarifvertrag beim E-Autobauer Tesla. Dessen Chef Elon Musk ist davon nicht begeistert.
Dass vierzig Automechaniker und -mechanikerinnen in schwedischen Tesla-Werkstätten den reichsten Mann der Welt in die Knie zwingen können, klingt unwahrscheinlich. Auf jeden Fall aber hat ihr knapp halbjähriger Streik zur Erzwingung eines Tarifvertrags Elon Musk zu einem öffentlichen Wutausbruch getrieben. „Das ist verrückt“, schrieb der Chef von weltweit 130 000 Tesla-Beschäftigten auf dem Twitter-Nachfolger X, als mehrere Gewerkschaften in Schweden Sympathieaktionen gestartet hatten. Zum Beispiel indem sie die Entladung von Teslas in heimischen Häfen blockierten. „Ich glaube, der Sturm hat uns passiert,“ beruhigte er sich dann selbst diese Woche in einem Podcast und meinte, Tesla in Schweden sei in „einigermaßen guter Verfassung“.
Elon Musk verabscheut Gewerkschaften und Tarifverträge
Nach wie vor stehen Streikwachen vor elf Tesla-Servicecentern. Marie Nilsson, Vorsitzende der Gewerkschaft IF Metall, hat diesen kleinen, aber inzwischen längsten Arbeitskampf in ihrem Land seit 80 Jahren gerade erst wieder zu einem „historischen Kräftemessen zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern“ hochgeredet: „Jetzt ist wichtiger denn je, dass wir zusammenhalten und dass wir durchhalten.“
Dass Musk Gewerkschaften verabscheut und Tarifverträge verweigert, wissen auch die mehr als 10 000 Tesla-Beschäftigten im brandenburgischen Grünheide. Nach der Betriebsratswahl im März freute sich Werksleiter André Thierig auf: „Unsere Belegschaft hat sich mehrheitlich gegen einen gewerkschaftlichen Betriebsrat ausgesprochen.“ Die IG Metall, die jetzt 16 von 39 Betriebsratsmitgliedern stellt, hatte im Wahlprogramm die Forderung nach einem Tarifvertrag erst schüchtern als letzten Punkt aufgeführt, wie ein Fernziel für bessere Zeiten mit mehr Organisierten.
In Schweden sind knapp 70 Prozent der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert, Tarifverträge decken sogar 90 Prozent aller Jobs ab. Auch hier aber beschreiten immer mehr junge Unternehmen mit Weltnamen wie Uber und Amazon an der Spitze denselben tariflosen Weg wie Tesla. Mit weniger Lohn, härteren Arbeitsbedingungen und geringerer Arbeitsplatzsicherheit, versteht sich.
Streikende werden von Tesla schikaniert
Vor diesem Hintergrund ist der am 27. Oktober gestartete Streik für ein paar wenige Tesla-Beschäftigte zum Grundsatzstreit für die Verteidigung des „Schwedischen Modells“ angewachsen. Musk hat ihn als „verrückt“ und „Sturm“ wahrgenommen wegen der erfindungsreichen Sympathieaktionen nicht direkt berührter Gewerkschaften. Neben der Blockade durch Hafenarbeiter:innen (auch in den skandinavischen Nachbarländern) stoppte die Postgewerkschaft alle an Tesla adressierten Lieferungen. Aus Servicecentern wird kein Müll mehr abgeholt, und gewerkschaftlich organisierte Elektriker:innen wollten keine Tesla-Ladestationen mehr warten oder neu installieren.
Zusätzlich in Rage versetzt hat die Arbeitnehmerseite, dass Tesla für die am Streik beteiligten Mechaniker:innen Ersatzarbeitskräfte in die Werkstätten schleusen ließ. Das habe es seit einem Grundsatzübereinkommen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern 1938 in Schweden nicht einmal gegeben. Allerdings gehört zur vorläufigen Bilanz auch, dass die Streikwachen an den Werkstoren nie auch nur einen Streikbrecher oder eine Streikbrecherin an der Arbeit hindern konnten. Tesla hat seine Verkaufszahlen in den letzten Monaten stabil gehalten und den Transport von Neuwagen erfolgreich vom Seeweg auf Lkw umgestellt. Von Beginn an beteiligen sich von 120 betroffenen Tesla-Mechanikern und -Mechanikerinnen auch nur 40 am Streik.
So war vielleicht als erste Weichenstellung für eine weiche und zugleich gesichtswahrende Landung Mitte der Woche im Gewerkschaftsblatt „Arbetet“ von mehreren „Geheimtreffen“ zwischen IF Metall und Tesla zu lesen. Eigentlich handelte es sich dabei um gesetzlich zwingend vorgeschriebene Mitbestimmungssitzungen im Betrieb, ohne Bezug zum Tarifstreit. Aber Metallgewerkschafter Karl-Henrik Rosberg aus Göteborg ließ sich mit dem Eindruck zitieren, das „Verhandlungsklima“ sei prima gewesen. Und: „Wir wollten Tesla zeigen, dass wir gute Beziehungen wünschen und dass wir nicht gefährlich sind.“