Schwede als “Spion für Israel” vor iranischem Gericht

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Frankfurter Rundschau 13.12.2023 
Für die Mullahs "menschliche Handelsware"
Einem Schweden droht im Iran die Todesstrafe - Teheran will damit einen Austausch erzwingen
VON THOMAS BORCHERT

In dieser Woche steht der schwedische EU-Beamte Johan Floderus vor einem Gericht in Teheran und muss die Todesstrafe befürchten. Den Vorwurf angeblicher Spionage für Israel halten die EU-Kommission und Schwedens Regierung für total aus der Luft gegriffen. Sie verlangen die Freilassung. Brüssel und Stockholm sind sich ziemlich sicher, dass das Mullah-Regime Floderus in Wirklichkeit als menschliche Handelsware für die berüchtigte "Geiseldiplomatie" hinter Gitter und vor Gericht gebracht hat. Zum Prozessauftakt am Wochenende gewährten die Richter Schwedens Botschaft noch nicht mal Zutritt zur Beobachtung des Prozesses.

Der 33-jährige Floderus wurde am 17. April 2022 zum Abschluss einer privaten Iran-Reise auf dem Flughafen in Teheran festgenommen. Er soll vorher als Mitarbeiter des EU-Außenbüros mehrfach im Land gewesen sein. Sowohl das Datum der Festnahme als auch der Prozessauftakt mehr als anderthalb Jahre später seien klare Hinweise auf ein vom Iran angepeiltes Tauschgeschäft, heißt es in Stockholm: Bei der Verhaftung vergangenes Jahr stand im Stockholmer Amtsgericht der Prozess gegen den regimetreuen Iraner Hamid Noury unmittelbar bevor. Noury wurde wegen mehrfachen Mordes bei seiner Beteiligung an einem Gefängnis-Massaker 1988 an Oppositionellen gegen das damalige Khomeini-Regime zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 19. Dezember steht die Entscheidung in der Berufung an.

Lange Untersuchungshaft

Noury sitzt seit November 2019 unter strengsten Auflagen in Untersuchungshaft. Er wurde nach einem Flug von Teheran nach Stockholm auf dem Flugplatz Arlanda festgenommen. Nach Schweden hatten ihn Angehörige der iranischen Exil-Community mit Versprechungen zu "Kontakten mit Frauen" und schicken Reisen ans Mittelmeer gelockt. Parallel wurde zusammen mit einem Londoner Anwaltsbüro Belastungsmaterial fix und fertig vorbereitet. Schweden wendet das Prinzip "universeller Jurisdiktion" an, wonach besonders schwere Verbrechen geahndet werden können, auch wenn sie anderswo auf der Welt von jemandem mit nicht-schwedischer Staatsangehörigkeit begangen worden sind.

"Mein Klient ist der am schärfsten isolierte Gefangene in Schwedens Geschichte," sagt Nourys Anwalt, der sozialdemokratische Ex-Justizminister Thomas Bodström. Nach Angaben der Zeitung "Dagens Nyheter" hält dieser Klient tatsächlich mit fast 1500 Tagen Untersuchungshaft bei täglich 23 Stunden in strenger Isolation in einer sieben Quadratmeter engen Zelle einen trüben Landesrekord.

Nourys Chancen dürften nicht schlecht sein, auch im Fall eines erneuten Schuldspruchs demnächst als freier Mann in seine Heimat zurückzukehren. Immer wieder haben sich in den vergangenen Jahren westliche Regierungen darauf eingelassen, offensichtlich für die "Geiseldiplomatie" im Iran hinter Gitter geratene eigene Bürger freizutauschen. Zuletzt kam der beim Schmuggel von Sprengstoff nach Antwerpen erwischte Diplomat Assadollah Assadi aus einem belgischen Gefängnis frei.

Nur so konnte die Brüsseler Regierung den eigenen Entwicklungshelfer Olivier Vandecasteele vor 40 Jahren Haft wegen Spionage und Geldwäsche sowie 74 Peitschenhieben wegen Valuta-Schmuggels im Evin-Gefängnis bewahren, in dem auch Floderus einsitzt. Bei dem Deal kamen im Austausch für Assadi auch ein Däne und zwei Österreicher mit iranischen Wurzeln frei.

Nach einer Erhebung des belgischen Außenministeriums sitzen derzeit 22 Nicht-Iraner:innen in iranischen Gefängnissen aufgrund offensichtlich falscher Anklagen. Mit einem schwedischen Pass gehört neben Floderus der schon 2016 als "Spion" zum Tode verurteilte Ahmadreza Djalali dazu, ein Katastrophen-Mediziner mit iranischen Wurzeln.

Schwedens Außenminister Tobias Billström gibt als Nahziel öffentlich den Zugang zum Prozess gegen Floderus an. Niemand zweifelt daran, dass Stockholm hinter den Kulissen an einem Deal mit Teheran arbeitet.
 

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