Wahldesaster für Dänemarks rechte Sozialdemokraten

Kopenhagen wählt so links wie New York City
20.11.2025
von Thomas Borchert
Die Einheitsliste wird in Kopenhagen stärkste Kraft, während steigende Wohnkosten und Migrationspolitik den Wahlausgang prägen.
Bei Dänemarks Sozialdemokratie sind die Lichter als Leuchtturm für bedrohte Schwesterparteien in Europa erst mal ausgegangen. Bei den Kommunalwahlen verlor die Partei von Ministerpräsidentin Mette Frederiksen spektakulär mit 23,2 Prozent (-5,2), ihrem schlechtesten kommunalen Resultat aller Zeiten. Als größte Katastrophe gelten die vor kurzem noch undenkbaren 12,7 Prozent in Kopenhagen, wo die Partei nach 122 ununterbrochenen Jahren mit sozialdemokratischen Oberbürgermeister:innen für ihren Rechts-Kurs, unter anderem in Sachen Zuwanderung, abgestraft wurde. Stattdessen stimmte die Wählerschaft genau wie jüngst in New York für eine klar linke Mehrheit.
Auch in der dänischen Metropole spielten die endlos ins Astronomische steigenden Kosten auf dem „freien Wohnungsmarkt“ eine entscheidende Rolle. Die Einheitsliste, vergleichbar mit der Linken in Deutschland, wurde mit 22,1 Prozent stärkste Partei in der Hauptstadt, gefolgt von der Sozialistischen Volkspartei mit 17,9 Prozent. Die steht der Mitte näher und übernimmt nach einer Einigung zwischen mehreren Parteien im Rathaus das OB-Amt mit ihrer Spitzenkandidatin Sisse Marie Welling (39). Auch auf dem eher konservativ gestrickten Land und in mittelgroßen Städten verlor die Sozialdemokratie fast flächendeckend. Sie musste 18 von 44 Bürgermeisterposten abgeben. Hier legte das Mitte-rechts-Lager zu.
Frederiksen, seit 2019 an der Regierungsspitze, meinte in der Wahlnacht, die Verluste ihrer Partei seien „größer ausgefallen als erwartet“ und das Regieren als „breite Volkspartei“ auch in Dänemark schwerer geworden. Im Festsaal des Kopenhagener Arbeitermuseums sagte sie über die eigene Rolle: „Ich habe immer die Verantwortung für das, was in der Sozialdemokratie passiert. Natürlich hab ich sie auch jetzt.“
In der Tat hatte die 49-Jährige doch ihre persönliche Freundin Pernille Rosenkrantz-Theil per „Chefsache“ zur Spitzenkandidatin in Kopenhagen ausgerufen und deren abenteuerlichen Kampf gegen die drohende Flucht der Wähler:innen mitgetragen. Rosenkrantz-Theil machte sich in der Fahrrad-Stadt zur Anwältin des „Rechts auf ein Auto“. Ihre Konkurrenz auf der Linken beschimpfte Rosenkrantz-Teil als „Parkplatz-Vernichter“. Aber es half genauso wenig wie die noch plumper populistische, nie zu realisierende Forderung nach kostenlosen Kindergärten für alle – wohl ein Akt aus reiner Verzweiflung.
Die Menschen in der Hauptstadt haben auch Frederiksens ausgeprägt harter und international stark beachteter Migrationspolitik eine klare Absage erteilt. Mit Plänen wie der Abschiebung aller Asylbewerber:innen nach Ruanda und einer brutalen anti-islamischen Rhetorik hatte die Sozialdemokratin landesweit Stimmen von der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei wieder ins eigene Boot geholt. Letzteres schwingt sicher mit, wenn diese Politik von der gegen sinkende Umfragewerte kämpfenden Labour-Partei in Großbritannien ausdrücklich unter „Vorbild Dänemark“ kopiert und von Friedrich Merz sowie diversen SPD-Promis immer wieder gern angepriesen wird.
Auch unabhängig von den Kommunalwahlen zeigt das Geschäftsmodell jetzt zunehmend Risse. Die DF, von Frederiksen tatsächlich 2022 mit 2,6 Prozent in die Knie gezwungen, ist in Umfragen wieder auf 12 Prozent geklettert, während die Sozialdemokratie sich im Sinkflug auf 20 Prozent zubewegt. Dass mit Blick auf die „Folketings“-Wahl nächstes Jahr der neue, wegen ausgeprägter Härte berufene Ausländerminister Rasmus Stoklund das Verbot von muslimischen Gebetsrufen anpeilt, hat nicht geholfen. Weil solche Gebetsrufe auch ohne Verbot niemand bisher vernommen hat. Und weil die Rechtspopulisten vor allem wegen schnell steigender Lebenshaltungskosten in den Umfragen klettern. Des Weiteren haben sie Frederiksens Partei beim Rennen um die härteste „Ausländerpolitik“ gerade wieder mühelos überholt. Sie machen gerade „Remigration“ als Sammelbegriff für die Forderung nach massenhafter Vertreibung von Musliminnen und Muslimen salonfähig.