Durchdigitalisierte Dänen sollen jetzt Bargeld preppen

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Etwas Cash für die Kuh

6.11.25

Von: Thomas Borchert

Im durchdigitalisierten Dänemark spielt plötzlich Bargeld wieder eine Rolle

Man soll immer genug Bargeld für den Kauf einer Kuh bei sich haben, sagt der Kopenhagener Kommentator Jarl Cordua mit Wohnsitz ohne Stall oder Weidefläche im 3. Stock. Die Richtschnur für das ganze Leben hat er von einem längst verblichenen dänischen Landwirtschaftsminister übernommen und trägt eisern 500 Kronen, umgerechnet knapp 70 Euro in bar durch sein eigentlich bargeldloses Mutterland.

Im durchdigitalisierten Dänemark zahlt praktisch niemand mehr cash, nicht mal mehr das Taschengeld für die Kinder. Alles geht per Mobile Pay oder Apple und Google Pay über das Smartphone. Wer an der Kasse noch eine Kreditkarte zückt, muss sich dabei schon ziemlich retro fühlen. Der Trend geht seit einem halben Jahr aber wieder in Richtung Bargeld. Als oberste Hüterin der dänischen Währung hat die Nationalbank jetzt Corduas Prinzip, leicht variiert, an die sechs Millionen Menschen im Königreich weitergereicht: Sie sollen nun bitte pro Person im Haushalt stets 210 Kronen, also 28 Euro, in Cash bereithalten; so viel, wie man für die Beschaffung von Lebensmitteln benötige. Das sei für den Notfall, falls digitale Stricke reißen und die Bezahlterminals nicht mehr auf ein Smartphone reagieren.

Solch ein Notfall kam über das ganze Land bereits an einem Juli-Samstag mit jeder Menge Sommerfestivals, noch mehr Reiseverkehr und überall geöffneten Supermärkten. Er zeigte, wie sehr das Land an einem digitalen Faden namens „Nets“ hängt. Bei diesem extrem profitablen Privatkonzern, De-facto-Monopolist für elektronischen Zahlungsverkehr, lief über fast drei Stunden gar nichts – und in der Folge auch nichts mehr beim Bierausschank der Festivals.

Retro statt Risiko

Ein harter Schlag gegen das dänische Lebensgefühl namens Hygge. An den Mautstellen der Brücke über den Großen Belt, Dänemarks wichtigstem Verkehrsknotenpunkt, blieben die Schranken komplett geschlossen, was unzufriedene Autofahrerinnen und Autofahrer in ihren endlosen Schlangen zu wilden Wikingern werden ließ. Sie gingen auf das Brückenpersonal los und rissen Schlagbäume ein.

Diese Havarie brachte Cordua zu der vorher vielleicht allseits als schrullig abgetanen Schlussfolgerung in der Zeitung Berlingske: „Wir sollten sämtliche Pläne zur Abschaffung des Bargelds beerdigen.“ Die Währungshüter der Nationalbank warteten wohl nicht ganz zufällig ein weiteres Ereignis ab, ehe sie in dasselbe Horn bliesen. Ihre Empfehlung kam, kurz nachdem Kopenhagens Flugplatz Kastrup Ende September wegen mehrfach gesichteter Drohnen komplett gesperrt wurde. Regierungschefin Mette Frederiksen wandte sich in ausgeprägt düsterer Tonlage an die Bevölkerung, so sei es nun leider im laufenden „hybriden Krieg“ aus Russland. Man müsse sich wirklich an allen Ecken und Enden wappnen.

In dieser Stimmungslage klang die amtliche Empfehlung für den Rückgriff auf Bargeld wie eine natürliche Ergänzung beim „Preppen“, also der Vorratshaltung für den Krisen- und Kriegsfall. Laut Umfragen sind schon zwei Drittel der Bevölkerung ohne Murren der Empfehlung ihrer Regierung gefolgt. Sie haben sich mit Mineralwasser, Toilettenpapier, Batterievorräten und auch mit Retro-Radios mit dem guten alten UKW-Empfang eingedeckt. Für den sollte im durchdigitalisierten Dänemark eigentlich längst der Stecker gezogen sein, aber die Regierung hat es sich anders überlegt.

Meint sie es ernst mit der Sicherung ihres Landes vor einer Lähmung des digitalen Fundaments, durch wen auch immer, hat sie noch enorm viel zu tun. Schon lange lassen Behörden ausschließlich digitalen Schriftverkehr zu. Zum Jahreswechsel ist auch der letzte Briefkasten in Dänemark abgeschraubt worden, Papierpost wird nicht mehr ausgetragen. Bankfilialen mit Bargeld sind für die Dänen nur noch eine ferne Erinnerung an andere Zeiten. Bei Besuchen in Deutschland bestaunen sie, dass dort tatsächlich noch überall Geldautomaten zu finden sind. Auch an den heimischen Tankstellen ist Barzahlung eigentlich nicht mehr vorgesehen. Die beeindruckend vielen E-Autos in Dänemark sind andererseits für hybride Angriffe auch nicht unbedingt eine gute Versicherung gegen böse Attacken auf die digitale Infrastruktur.

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