Trumps Griff nach Grönland bringt Kopenhagener Entschuldigung für kolonialistische Übergriffe

„Im Namen Dänemarks“: Ministerpräsidentin entschuldigt sich in Grönland für Zwangsverhütungen
25.9.25
Von: Thomas Borchert
Regierungschefin Frederiksen zeigt Reue im Fall Tausender Spiral-Eingriffe bei jungen Grönländerinnen. Und ausgerechnet US-Präsident Donald Trump beschleunigt die Aussöhnung.
Welch rasante Kehrtwenden doch Donald Trump mit noch so bizarr und brutal in den Ring geworfenen „Ideen“ auslösen kann: Dänemarks Regierungschefin Mette Frederiksen hat einen 3500 Kilometer langen Bußgang bzw. -flug hinter sich gebracht, um am Mittwoch in der grönländischen Hauptstadt Nuuk feierlich Abbitte für kolonialistische Übergriffe auf der Polarinsel zu leisten: In den 60er und 70er Jahren hatte medizinisches Personal aus Dänemark mehr als 4000 Frauen dort meist ohne deren Einverständnis oder auch Wissen, zum Teil noch im frühen Teenageralter, Spiralen eingesetzt, um aus Behördensicht „unerwünschte Schwangerschaften“ zu verhindern.
Niemand in Nuuk und auch in Kopenhagen hat Zweifel daran, dass Frederiksens Entschuldigung jetzt, garniert mit Geld-Zusagen für einen „Versöhnungsfonds“, gekommen ist, weil sich der US-Präsident Grönland einverleiben will.
Eingriffe lange Tabu
Trump führt als Grund unter anderem an, dass Dänemark, über 300 Jahre Kolonialmacht und inzwischen mit dem teilautonomen Grönland in einer „Reichsgemeinschaft“ verbunden, die 57 000 Menschen dort sehr schlecht behandele. Dazu passte in der Tat die 2024 eingereichte Klage von 143 betroffenen Frauen gegen den dänischen Staat, nachdem die Spiral-Eingriffe erst ein paar Jahre vorher ins öffentliche Bewusstsein gerückt worden war. Aus grönländischer Sicht geht es keineswegs nur um verletzte Gefühle und gesundheitliche Dauerschäden. „Völkermord“ nannte Grönlands damals amtierender Regierungschef Múte Egede die dänische Spiralkampagne vor laufender Kamera, weil die Geburtenrate auf der größten, aber äußerst dünn besiedelten Insel der Welt über ein Jahrzehnt drastisch gesenkt worden war.
Der „Völkermord“-Vorwurf kam nicht gut an. Sieht man sich doch hier nach wie vor als die gute Version des Kolonialismus, vom Beginn 1721 bis zur postkolonialen Phase heute. Knapp die Hälfte des grönländischen Staatshaushalts (insgesamt umgerechnet 600 Millionen Euro) kommt ja als Zuschuss aus Kopenhagen. Die sozialen Probleme – hohe Selbstmordrate, durch Alkohol und Gewalt gesprengte Familien sowie sexuelle Übergriffen auf junge Mädchen – seien doch eine zumindest verständliche Erklärung für die Spiralkampagne, giftet nach wie vor ein ehemaliger dänischer Grönland-Minister. Regierungschefin Mette Frederiksen reagierte zunächst hinhaltend: Sie wollte eine Kommission einsetzen, die in Ruhe mögliche Hintergründe für ein gestörtes Verhältnis aufarbeiten sollte. In Ruhe könne man auch über das Streben nach völliger Unabhängigkeit sprechen.
Aktueller Fall bewegt
Seit Trump Anfang des Jahres erklärte, er wolle Grönland „haben“, notfalls auch mit militärischer Gewalt, ist naturgemäß Schluss mit der Ruhe. Wie imperiale Eroberer ließ Trump erst seinen Sohn Donald Jr. und dann Vizepräsident JD Vance auf der Insel landen. Parallel zur klaren Abweisung des Abtretungsanspruchs aus Washington änderte Kopenhagen den Ton markant. Vorher wäre undenkbar gewesen, was die Ministerpräsidentin nach den Sommerferien verkündet hat: „Im Namen Dänemarks habe ich eine Entschuldigung an die berührten Frauen in der Spiral-Angelegenheit ausgesprochen. Sowie auch für das sonstige Versagen, für das Dänemark die Verantwortung trägt, indem Grönländer:innen anders und schlechter behandelt worden sind als andere Bürger:innen im Königreich.“ Nach einem so reuigen Kniefall für nationale Fehlleistungen muss man in dänischen Geschichtsbüchern relativ lange suchen.
Was damit gemeint sein könnte und offenbar nach wie vor gilt, zeigt ein aktueller Fall: Der in Dänemark lebenden Grönländerin Ivana Brønlund nahmen die Behörden wenige Stunden nach der Geburt Mitte August die Tochter weg und gaben sie gegen den Willen der Mutter an eine Pflegefamilie weiter. Die 18-Jährige hatte vorher einen „Elternkompetenztest“ nicht bestanden, der für dänische, nicht aber grönländische Testpersonen angelegt war. Nach öffentlicher Schelte auch von der Kopenhagener Fachministerin ist die „Inobhutnahme“ diese Woche revidiert worden. Ivana Brønlund hat nach zwei Monaten ihre Tochter wieder.