Month: April 2025
Sipri: Die globale Rüstungsspirale beschleunigt rasant

Aufrüstung wegen des Ukraine-Krieges: Die Welt kauft massenhaft Waffen ein
28.04.2025
Von: Thomas Borchert
Sipri-Bericht 2024: Deutschland führt in Europa erstmals bei der Rüstung. Die Ukraine trägt weltweit die größte Last. Auch andere Staaten rüsten sich auf.
Stockholm – Auf allen Kontinenten klettern die Rüstungsausgaben immer schneller und fressen einen ständig höheren Anteil der Steuereinnahmen. Für 2024 hat das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri mit der Rekordsumme von 2,7 Billionen Dollar (in Euro rund 2,4 Billionen) einen Anstieg von 9,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr ermittelt. Das sind im Durchschnitt 2,5 Prozent des staatlichen Bruttoinlandsproduktes (BIP) der Welt. 2023 waren es noch 2,3 Prozent. Seit 1989, mit dem Ende des Kalten Krieges, hat es keinen so scharfen Trend nach oben gegeben.
Wie bisher schon zeigen die neuen Vergleichszahlen von Sipri die gewaltige Vormachtstellung der USA. Sie stehen mit 997 Milliarden Dollar für 37 Prozent sämtlicher Militärausgaben global und für 66 Prozent in der Nato. Das gleichwohl weiter heranrückende China gab 314 Milliarden Dollar für sein Militär aus (plus sieben Prozent).
Aufrüstung in Europa wegen des Ukraine-Krieges: Deutschland hinter Russland und Indien
Bei den europäischen Anstrengungen, der russischen Aggression zu begegnen, hat sich Deutschland mit auf 88,5 Milliarden Dollar gestiegenen Rüstungsausgaben der Sipri-Statistik zufolge (die teils von Nato-Zahlen abweicht) erstmals vor Großbritannien und Frankreich platziert. Dahinter stehen Mehrausgaben von 28 Prozent gegenüber 2023. Deutschland landet so auf dem vierten Platz der Stockholmer „Weltrangliste“ hinter Russland und vor Indien.
Dabei ist mit einem deutschen Anteil von 1,9 Prozent am BIP noch nicht mal das inzwischen längst angehobene Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht. Gegen die Entwicklung in Europa mit einem Plus von 17 Prozent (auf 693 Milliarden Dollar) steht laut Sipri nur noch Malta.
Auch in Israel wird aufgerüstet – Ukraine gibt relativ vom BIP am meisten fürs Militär aus
Israels Plus von 65 Prozent auf 46,5 Milliarden Dollar als Folge des Krieges in Gaza ragt weltweit heraus. Russland steigerte seine Ausgaben um 38 Prozent auf 149 Milliarden Dollar, die Ukraine gab mit 64,7 Milliarden Dollar 34 Prozent ihres BIP für militärische Zwecke aus und hatte damit die relativ höchste Last aller Staaten auf der Welt zu tragen.
Auf keinem anderen Kontinent wird derzeit so schnell aufgerüstet wie in Europa. Zu den Staaten mit den höchsten Steigerungsraten ohne direkte Kriegsbeteiligung gehören laut Sipri unter anderem Polen mit 31 Prozent und das neu in die Nato aufgenommene Schweden mit 34. Sipri erklärt die europäische Turbo-Rolle bei der Aufrüstung nicht ganz überraschend mit der „anhaltenden russischen Bedrohung und Sorgen über einen möglichen US-Ausstieg aus der (Nato-)Allianz“.
Qualifizierte Einschränkung – Die ganze Welt rüstet das Militär auf
Die zuständige Institutssprecherin Jade Guiberteau Ricard meint zu dieser Entwicklung: „Man sollte wohl erwähnen, dass das Aufblähen der Militärausgaben allein nicht notwendigerweise zu signifikant höherer militärischer Schlagkraft oder Unabhängigkeit von den USA führen wird.“
Japan steigerte seine Ausgaben um 21 Prozent und Mexiko sogar um 39 Prozent, hauptsächlich, weil der Staat zunehmend (para)militärisch gegen die Drogenkartelle vorgeht.
Auffällig ist für die Stockholmer aber vor allem Nahost. So hätten dort die Staaten „entgegen allgemeinen Erwartungen“ ihre Militärausgaben 2024 nicht angehoben, sehe man von Israel und dem Libanon (plus 58 Prozent) ab. „Die sonstigen Staaten haben als Antwort auf den Krieg in Gaza ihre Militärausgaben nicht wesentlich angehoben oder wurden durch ökonomische Zwänge davon abgehalten.“
So hat ausgerechnet der Iran trotz Beteiligung an den regionalen Konflikten mit Unterstützung von Hamas, Hisbollah und den Huthis den Militärhaushalt um zehn Prozent auf 7,9 Milliarden Dollar gekürzt. Für Afrika erklärt Sipri dessen krassen Kontrast zum weltweiten Trend mit einem Minus um 6,3 Prozent durch Südafrikas Fiskalstrategie, „Wirtschaftswachstum und Sozialleistungen den Militärausgaben vorzuziehen“. (Thomas Borchert)
Stoltenberg bringt Norwegens Sozialdemokraten wildes Umfragehoch

Stoltenberg mischt Norwegen auf – und wird in München erwartet, „sobald sein Regierungsamt endet“
16.04.2025
Von: Thomas Borchert
Seit seinem Nato-Abschied bringt Norwegens Politstar die Sozialdemokratie in die Spur. Die Münchner Sicherheitskonferenz hat das Nachsehen – und muss auf ihren als „Königstransfer“ geadelten Chef warten.
Gerade hat der Kaiser von Japan verlauten lassen, dass er Norwegens Finanzminister Jens Stoltenberg mit dem „Orden der Aufgehenden Sonne“ ehren möchte. Wohl für die zehn Jahre als Nato-Generalsekretär, die dem Sozialdemokraten am Ende auch ungewohnt einträchtige Lobeshymnen aus dem Weißen Haus von Donald Trump und Vorgänger Joe Biden einbrachten. Zwei Monate nur sind seit Stoltenbergs überraschender Rückkehr ins heimische Kabinett vergangen, da feiert auch die regierende Arbeiterpartei den 66-Jährigen beim Kongress im „Folkets Hus“ fast wie einen Wunderheiler. Ein halbes Jahr vor Neuwahlen hat Stoltenberg der Sozialdemokratie und ihrem chronisch unbeliebten Premier Jonas Gahr Støre eine Explosion der Umfragezahlen von 16 auf 30 Prozent beschert.
Auch die Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) stimmt in die Hymnen für Stoltenberg ein, obwohl sie sich als geprellt fühlen könnte. Stoltenberg wurde im letzten Oktober nach internem Streit über den gar nicht rücktrittswilligen Christoph Heusgen zum neuen Chef von 2025 an gekürt. „Das ist ein Königstransfer“, befand Bayerns Ministerpräsident Markus Söder.
Stoltenberg hat „keine anderen Pläne“ – „es gefällt mir im Finanzministerium“
Als Heusgen sich im Februar unter Tränen verabschiedete, hatte Stoltenberg gerade seine sensationelle Rückkehr verkündet – als letzte Hoffnung der Sozialdemokratie gegen ein Wahldesaster im September. „Übergangsweise“ sollte das sein, Stoltenberg werde sein MSC-Amt „ein halbes Jahre ruhen lassen“ sowie „die nächste Konferenz 2026 organisieren und leiten“, meldete die Deutsche Presse-Agentur.
Binnen Wochen verwandelte der zum Polit-Star aufgestiegene Heimkehrer Stoltenberg die Arbeiterpartei vom sicheren Wahlverlierer zum jetzt fast sicheren Sieger. Was ihn im Paarlauf mit dem plötzlich aufblühenden Regierungschef Støre auf andere Gedanken brachte. „Ich trete zur Wahl an, damit diese Regierung wiedergewählt wird und will in der norwegischen Politik weitermachen.“ Er habe „keine anderen Pläne“ – „es gefällt mir im Finanzministerium“.
Überraschende Auskunft zu Stoltenberg aus München
Der TV-Sender NRK erhielt postwendend von MSC-Geschäftsführer Benedikt Franke die überraschende Auskunft: „Wir freuen uns, dass Stoltenberg die Rolle als Finanzminister gefällt.“ Und ausdrücklich: „Wir haben weder uns noch ihm eine Frist gegeben.“ Die Antwort eines MSC-Sprechers auf Anfrage der Frankfurter Rundschau zu Stoltenberg diese Woche: „Er wird zu seiner ehrenamtlichen Funktion an der Spitze der MSC zurückkehren, sobald sein Regierungsamt endet.“
Es bleibt spannend, welche Karrieresprünge Stoltenberg noch in petto hat. Eigentlich wäre das Amt des Regierungschefs in Oslo die natürliche Konsequenz nach dem „Stoltenberg-Effekt“. Vor dem Antritt als Finanzminister, ausgelöst durch den Abgang des liberalen Zentrums aus der Minderheitsregierung, kursierten handfeste Putschpläne in der Sozialdemokratie gegen Støre. Er sollte kurz vor dem Wahlkampf abgelöst werden von der 37-jährigen Arbeitsministerin Tonje Brenna, die 2011 den Massenmord eines Rechtsextremisten an 69 sozialdemokratischen Jugendlichen auf der Insel Utøya überlebt hatte. Vorher ermordete er mit einer Bombe acht Menschen im Osloer Regierungsviertel, wo Stoltenberg auch sein Büro als Ministerpräsident hatte.
Stoltenbergs Ton gegenüber der Ukraine ändert sich
Vor allem das zutiefst mitfühlend menschliche Auftreten nach diesem Terroranschlag hat dem Erfolgspolitiker seinen herausragenden Ruf im eigenen Land eingebracht. Nach dem Wechsel zur Nato 2014 kam die auch wieder breit als gelungen anerkannte Ausfüllung der Rolle des Mahners für mehr Hilfe an die Ukraine und mehr Rüstung gegen Russland hinzu. Sie brachte ihm 2023 die schon fast wie ein Befehl vorgebrachte und von ihm auch so aufgefasste Aufforderung von Biden ein, den Abgang aus Brüssel um ein Jahr aufzuschieben: für den Zusammenhalt in der Allianz.
Damals hatte er eigentlich schon den nächsten Job als Norwegens Nationalbank-Chef angenommen. „Hauptsache, ich komme wieder nach Hause zu meiner Ingrid“, hört und sieht man ihn im Dokumentarfilm „Facing War“, eine Art Heldenepos, im letzten Jahr als Nato-Generalsekretär sagen. Daraus wurde erstmal nichts, der Nationalbank sagte er ab. Genau wie jetzt dem hochelitären Netzwerk Bilderberg. Hier sollte er als „Co-Chair“ die jährlichen Konferenzen unter Ausschluss der Öffentlichkeit mitleiten. Wo die „ganz Großen“ mal richtig offen miteinander sprechen.
Stattdessen erklärt Stoltenberg nun öffentlich als Hüter des gigantischen norwegischen Reichtums dank Öl und Gas, warum auch die Hilfe an die Ukraine ihre Grenzen haben muss.